Allianz will Stuttgarter Image aufpolieren

Von Von Martin Oversohl, dpa

dpa/lsw Stuttgart. Als „Erlebnisregion“ will sich die Region Stuttgart vermarkten, als Ziel für Touristen. Doch die Randale hat das Image der Stadt angekratzt, in der Handel und Hotels bereits durch die Corona-Krise leiden. Nun können sich die Stuttgarter vor allem selbst helfen.

Allianz will Stuttgarter Image aufpolieren

Sven Hahn, Citymanager der City-Initiative Stuttgart e.V., spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die Bilder haben nicht nur die Menschen in Stuttgart verstört: Viele vor allem junge Menschen ziehen randalierend durch die Innenstadt, sie plündern und zerstören wahllos, stundenlang. Es ist ein weiterer Riss im Image der Metropole, die bereits unter dem Bauprojekt Stuttgart 21, unter Fahrverboten und einer steigenden Zahl von Demonstrationen gelitten hat. Und die sich in den vergangenen Jahren zunehmend selbstbewusst als Ziel für Millionen von Touristen positioniert hatte.

Der Ruf ist angeschlagen. Und niemand kann ihn besser polieren als die Stuttgarter selbst. Das zumindest glauben Clubbesitzer, Hoteliers und Gastronomen, Theaterintendanten und der Einzelhandel, die in einer neuen Allianz für ihre Stadt werben wollen. „Was momentan fehlt in der Stadt, das ist das Leben, das sind die Menschen“, sagt Sven Hahn von der City-Initiative Stuttgart. „Durch die Corona-Beschränkungen und auch durch die jüngsten Auseinandersetzungen ist ein Vakuum entstanden im öffentlichen Raum.“

Mehr als vier Millionen Übernachtungen zählten die Hotels der Stadt im vergangenen Jahr - Rekord. Rund 2,7 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr spült allein der Tourismus in die Kassen der Geschäfte und der Gastronomie. „Aber durch das Virus sind die Zahlen eingebrochen“, sagt Markus Hofherr vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Auch das Nachtleben in den Bars und Clubs liegt brach: „Dort fehlen jetzt nicht nur die Einnahmen, es müssen auch die Ausgaben für Strom und Miete weiter getragen werden“, rechnet Hannah Japes vom Interessenverband Club Kollektiv Stuttgart vor.

Die Allianz soll Initiativen und Ideen bündeln. „Gemeinsam wollen wir schauen, was möglich ist“, sagt Hahn. „Und gemeinsam müssen wir die Stuttgarter aufrufen, ihre Stadt wieder mit Leben zu füllen.“

Das Leben komme nur in die Stadt zurück, wenn sich die Menschen beim Einkaufen oder beim Ausgehen wohlfühlten und in Sicherheit. „Aber es fehlt ein soziales Korrektiv“, das vor Ausfällen wie der jüngsten Randale schütze, meint City-Manager Hahn. „Man verhält sich anders, wenn man in einer homogenen Gruppe unterwegs ist und nicht in einer bunt gemischten Stadt.“ Es sei wichtig zu verhindern, „dass sich Menschen Räume erkämpfen, die nicht für Stuttgart stehen“. Komme das Leben zurück in die Stadt, werde auch die Angst abnehmen.

Dabei geht es allerdings eher um die gefühlte Sicherheit als um die nackten Zahlen. Denn laut Kriminalstatistik der Polizei bleibt Stuttgart eine der sichersten Großstädte in Deutschland. Gemessen an der Zahl der Straftaten pro 100 000 Einwohner (8561) findet sich die Stadt hinter München und Nürnberg in der Spitzengruppe wieder - weit vor Berlin, Hannover, Leipzig und Frankfurt am Main. Die Aufklärungsquote bei den mehr als 54 000 Straftaten liegt bei fast 60 Prozent. Das ist zwar etwas weniger als im Jahr zuvor, aber mehr als in vielen anderen deutschen Großstädten.

„Das ist ein subjektives Empfinden, das dem objektiven Sachverhalt entgegensteht“, erklärt Axel Preuß, Intendant der Schauspielbühnen Stuttgart. „Das ist ein bisschen wie bei Flugangst. Das verstehen die Menschen auch nicht, dass die Fahrt zum Airport viel riskanter ist als der Flug.“

Stadt und Land haben Konsequenzen aus der Krawallnacht gezogen und eine Partnerschaft vereinbart, um die Innenstadt sicherer zu machen. Es ist die Reaktion auf die schweren Auseinandersetzungen in der Nacht zum 21. Juni. Randalierer hatten damals Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert. Nach Angaben der Polizei waren 400 bis 500 Menschen an der Randale beteiligt - oder hatten dabei zugeschaut.

Der Tourismuschef von Stadt und Region macht sich allerdings noch keine Sorgen um nachhaltige Folgen für den Ruf Stuttgarts. „Ein Image lässt sich nicht durch wenige Bilder kaputtmachen“, sagt Armin Dellnitz. „Außerdem ist der Mensch vergesslich. Wenn sich diese Eindrücke aus der Nacht der Randale nicht wiederholen, gehe ich nicht von einer Langzeitwirkung aus.“ Deutlich schwerer wiege dagegen der Schaden durch die Corona-Krise. Stuttgart werde sich wohl innerhalb der kommenden zwei Jahre nicht von der Krise erholen. „Da ist es gut, wenn nun verstanden wird, dass wir es nur gemeinsam schaffen und nicht jeder für sich.“