Corona beendet Auslandsjahr

Zehn Monate sollte der Backnanger Benjamin Moosavi eigentlich in Amerika bleiben. Doch dann kam Corona. So hat der Schüler die Pandemie, Politik und die Lebensweise in den USA erlebt.

Corona beendet Auslandsjahr

Der 16-jährige Benjamin Moosavi erzählt von seiner Zeit in Amerika. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Ein neues Land entdecken, neue Freundschaften schließen und mit dem Basketballteam seiner neuen Highschool Spiele gewinnen, das war der eigentliche Plan für Benjamin Moosavis Zeit in Amerika. Als Stipendiat des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms des Deutschen Bundestags sollte er zehn Monate bei einer Gastfamilie in Michigan leben und dort zur Schule gehen. Doch schon Anfang April kam dann die E-Mail: Die Coronapandemie spitzt sich zu, in fünf Tagen geht sein Flieger zurück nach Deutschland – drei Monate vor seinem eigentlichen Heimflugdatum. „Ich war schockiert, das habe ich gar nicht erwartet“, erzählt der 16-jährige Schüler. Zwar habe er mit anderen Stipendiaten des Patenschaftsprogramms regelmäßig in Kontakt gestanden und über einen möglichen Rückflug diskutiert, trotzdem sei er von der Entscheidung überrascht gewesen. „Und zunächst war ich vor allem wütend. Auch wenn ich den Sinn dahinter jetzt verstehe, hat es mir erst doch nicht gefallen, das Jahr abzubrechen.“

Unterstützt wurde Benjamin vom Bundestagsabgeordneten Christian Lange. Dieser betont, dass die Verantwortlichen des Programms schon früh auf Nummer sicher gehen wollten, auch wenn die Zahlen der mit Corona Infizierten in Amerika Anfang April noch nicht so hoch gewesen seien. Mit Blick auf die aktuelle Coronalage in den USA sei Benjamin aber ganz froh, so früh nach Deutschland zurückgeholt worden zu sein, „solange die Flughäfen überhaupt noch offen waren“. Fünf Tage, um sich zu verabschieden, das war nicht viel Zeit. Trotz der spontanen Entwicklung hat er das Gefühl, seine Zeit dort gut abgeschlossen zu haben, auch wenn er sich nicht mehr einzeln mit allen seinen Bekannten hat treffen können. Seine Freunde und seine Gastfamilie hat er nach seiner Rückkehr doch sehr vermisst, ist aber weiterhin in Kontakt mit ihnen. „Wenn es irgendwann wieder geht, ist auch noch mal ein Besuch geplant.“

„In der Schule hat man lange über Corona eher Witze gemacht.“

Wenn er in den vergangenen Wochen mit ihnen gesprochen hat, erzählten sie vom Lockdown in Michigan, dass nicht alle zur Arbeit gehen könnten und dass die Preise für Lebensmittel und Benzin angestiegen seien. Während er vor Ort war, sei Corona im Alltag weniger ein Thema gewesen. Etwas, das sich so weit weg in China oder Italien abspielt. Vor allem zu Beginn der Pandemie sei sie in den amerikanischen Nachrichten kaum von Belang gewesen. „Die Medien dort haben das lange nicht so ernst genommen wie die deutschen, und auch in der Schule hat man über Corona lange eher Witze gemacht“, sagt Benjamin. Erst in seiner letzten Woche in Amerika hat sich die Lage auch dort zugespitzt und die Gastfamilie hat begonnen, die Situation ernst zu nehmen. Am Flughafen dagegen lief noch fast alles normal. „Ich hatte eine Maske auf, viele andere aber nicht, und alle standen dicht gedrängt.“

In Deutschland gelandet gab es Anfang April noch keine Quarantänepflicht für Einreisende aus Amerika, trotzdem ist Benjamin für zwei Wochen zu Hause geblieben. „Meine Familie hat mich quasi gezwungen, in Quarantäne zu bleiben. Da wurde noch mal klar, wie ernst es ist. Und das waren die langweiligsten Wochen überhaupt.“ Die Zeit hat er aber genutzt und ist direkt ins Homeschooling seiner Schule, des Max-Born-Gymnasiums, eingestiegen. Auch hat er selbstständig viel Stoff nachgeholt, da die Versetzung durch die veränderten Bedingungen nun doch klappen könnte.

Als sogenannter Juniorbotschafter für Deutschland hat sich Benjamin während seiner Zeit in den USA auch mit der Politik beschäftigt. Die im November anstehenden Wahlen waren unter anderem auch ein Thema, das ihn interessiert habe. Allerdings sei Politik vor allem unter den Erwachsenen und weniger unter Gleichaltrigen zur Sprache gekommen. „Ich habe auch nachgefragt, warum sie Trump gut finden“, sagt Benjamin. Denn in seiner Region habe es sehr viele Unterstützer des Präsidenten gegeben. Und auch wenn er noch immer der Meinung ist, dass es bessere Kandidaten gibt, so haben ihm die Gespräche eine neue Perspektive verschafft. „Dadurch habe ich etwas mehr Verständnis.“ Und obwohl sich während solcher Gespräche viele für Trump ausgesprochen haben, glaubt Benjamin nicht, dass er im November wiedergewählt wird. „Das wäre fast ein Wunder nach seinem Umgang mit Corona und Black Lives Matter.“ Die Protestbewegung hat er nicht mehr vor Ort mitbekommen, zu diesem Zeitpunkt war er schon wieder zurück in Deutschland.

Doch vor der Pandemie konnte Benjamin einige Monate Amerika entdecken, bei einer Gastfamilie leben, die Highschool besuchen, Teil eines Schulteams werden. Was ihn am meisten überrascht hat? Dass sich doch sehr viele Stereotype als wahr erwiesen haben: Fast-Food-Restaurants an jeder Ecke, große Trucks auf den Straßen und Amerikaner, die nicht allzu viel über Dinge wissen, die außerhalb von Amerika passieren. „Ein Mitschüler hat mich zum Beispiel gefragt, ob Kanada in Europa ist“, erzählt Benjamin. Das Interesse an ihm und Deutschland war aber da, Vorwissen eher weniger.

Christian Lange zumindest zeigt sich zuversichtlich, dass das Programm für das Schuljahr 2021/2022 ganz normal stattfinden kann, trotz Corona. „Gerade in der momentanen politischen Situation dürfen wir die Zusammenarbeit und das Partnerprogramm mit Amerika nicht aufgeben.“ Und auch Benjamin betont, wie viel er mitgenommen hat, obwohl das Programm verkürzt wurde: „Ich hab in den sieben Monaten so viel erlebt, habe meinen Horizont erweitert, mein Englisch verbessert und mich persönlich weiterentwickelt.“

Das Patenschaftsprogramm

Das Parlamentarische Patenschaftsprogramm des Deutschen Bundestags unterstützt Schüler von Gymnasien zusammen mit dem Kongress der Vereinigten Staaten bei einem Jahr in Amerika.

Bewerben können sich alle, die neugierig auf die USA sind und offen, sich als Juniorbotschafter zu engagieren.

Teilnahmevoraussetzungen sind, dass die Schüler zwischen 2003 und 2006 geboren sind, einen ersten Wohnsitz in Deutschland haben und bereits über gute Grundkenntnisse in der englischen Sprache verfügen.

Interessierte können sich für das Schuljahr 2021/2022 noch bis zum September bewerben, mehr Infos zur Online-Bewerbung und dem Programm gibt es auf www.bundestag.de/ppp.

Das Programm gilt auch für Auszubildende und junge Berufstätige. Anstatt eine Highschool zu besuchen, bekommen sie die Möglichkeit, in einem amerikanischen Unternehmen zu arbeiten und internationale Kontakte zu knüpfen.