Corona-Krise wird Länderhaushalte über Jahrzehnte belasten

Von Von Carsten Hoefer, dpa

dpa München. Die Corona-Pandemie könnte innerhalb des nächsten Jahres überwunden werden. Doch die Bundesländer werden die Folgen der Krise noch über Jahrzehnte spüren. Neue Schulden in Rekordhöhe engen die finanziellen Spielräume für lange Zeit ein.

Corona-Krise wird Länderhaushalte über Jahrzehnte belasten

Die Landesregierungen machen in der Krise zum Teil enorm hohe neue Schulden. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Die Corona-Pandemie hat die jahrelange Konsolidierung der Länderfinanzen zunichte gemacht.

Anstelle des ursprünglich im Rahmen der Schuldenbremse geplanten Verzichts auf jegliche neuen Kredite haben die 16 Länderparlamente allein für 2020 eine mögliche Neuverschuldung von bis zu 128 Milliarden Euro genehmigt, wobei mehrere Länder die Schuldenaufnahme über mehrere Jahre strecken wollen. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: Die zwei bevölkerungsreichsten Bundesländer - Bayern und Nordrhein-Westfalen - haben sich allein bis zu 65 Milliarden Euro an neuen Schulden genehmigt. Das ist mehr als die übrigen 14 Länder zusammen, wie eine dpa-Umfrage unter den 16 Länderfinanzministerien zeigt.

Spitzenreiter ist Bayern mit 40 Milliarden Euro neuen Schulden - also fast einem Drittel der von den Landesparlamenten genehmigten Neuverschuldung. Auf Rang zwei folgt Nordrhein-Westfalen mit 25 Milliarden Euro, an dritter Stelle Baden-Württemberg mit knapp 11 Milliarden Euro.

Die tatsächliche Schuldenaufnahme in diesem Jahr ist bislang sehr viel niedriger, weil manche Bundesländer ihre Kredite für mehrere Jahre im Voraus planen. Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt wollten keine Wasserstandsmeldungen abgeben, die tatsächlich aufgenommenen neuen Kredite der übrigen zwölf summieren sich bislang auf gut 40 Milliarden Euro.

Viele Länder übertragen einen beträchtlichen Teil der in diesem Jahr von den jeweiligen Länderparlamenten genehmigten Kreditaufnahmen ins nächste Jahr: In Bayern allein sind es 10,7 Milliarden Euro. Sachsen hat insgesamt sechs Milliarden Euro Neuverschuldung bis 2002 eingeplant. Dessen ungeachtet hat die große Mehrheit der Länder auch für 2021 zusätzliche neue Kreditermächtigungen vorbereitet, die sich auf gut 17 Milliarden Euro summieren.

Die Folgen der Corona-Krise werden die Länderfinanzen bis weit in die nächste Generation belasten. „Das dicke Ende kommt so sicher wie das Amen in der Kirche“, prophezeit ein Ministerialbeamter. In mehreren Bundesländern ist die Verschuldung innerhalb eines Jahres erheblich gestiegen: Das sehr auf solide Finanzen bedachte Sachsen etwa beziffert den aktuellen Schuldenstand auf 12,3 Milliarden Euro - 13 Prozent höher als Ende 2019.

Spitzenreiter auch in dieser Hinsicht ist Bayern, das bis Anfang Dezember bereits neue Kredite in Höhe von mehr als sieben Milliarden Euro aufgenommen hatte - der Schuldenstand war damit zu Beginn der Weihnachtszeit um gut ein Viertel höher als ein Jahr zuvor.

Auch kleine Länder haben für ihre Verhältnisse sehr hohe Summen eingeplant: In Schleswig-Holstein sind es 5,5 Milliarden Euro, in Mecklenburg-Vorpommern 2,8 Milliarden Euro.

Die drei Stadtstaaten rutschen ebenfalls wieder tief in die roten Zahlen: Berlin hat sich bis zu 7,3 Milliarden Euro neue Kredite in diesem Jahr genehmigt, Hamburg knapp 6 Milliarden Euro und Bremen 1,2 Milliarden Euro. Die Tilgung der Corona-Schulden wird Jahrzehnte dauern. NRW etwa will sich maximal 50 Jahre Zeit lassen. Am sparsamsten war bislang Thüringen: Dort ist bislang kein einziger Euro coronabedingter Neuverschuldung angefallen, weil der Landtag den dafür notwendigen Nachtragshaushalt erst an diesem Montag verabschieden will.

Doch da die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt wurde, ist absehbar, dass die Landesregierungen in Zukunft weniger Geld für Investitionen ausgeben können.

Auffällig ist die Entwicklung in Bayern, auf das die Finanzminister der übrigen fünfzehn Länder traditionell neidisch blicken. Im Freistaat macht sich bemerkbar, dass Ministerpräsident Markus Söder und dessen Vorgänger Horst Seehofer (beide CSU) die einstige bayerische Disziplin schon vor der Krise aufgaben und die Ausgaben über mehrere Jahre hinweg stark erhöhten.

So zahlte die Münchner Staatsregierung bereits 2019 keine Kredite mehr ab, das von Seehofer einst mit großen Worten angekündigte Ziel einer kompletten Schuldentilgung bis 2030 wurde aufgegeben. Hessen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Bremen und andere Länder dagegen wollten ursprünglich auch 2020 noch Schulden tilgen. Das war in Bayern bereits vor Beginn der Corona-Krise nicht mehr vorgesehen.

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