Daheimbleiben ohne durchzudrehen

Zehn wertvolle Tipps für Familien mit und ohne Kinder – Von „Frühjahrsputz machen“ bis „Den Moment genießen“

Daheimbleiben ohne durchzudrehen

Ein Tipp von vielen: Telefonieren Sie mal wieder mit jemandem, den Sie schon lange wieder einmal anrufen wollten.Foto: S. Gollnow

Von Renate Schweizer

In „normalen“ Zeiten behaupten wir alle ganz gerne, uns würde so schnell nicht langweilig. Im Gegenteil, so versichern wir uns gegenseitig, da sind jede Menge Ideen, aber zu wenig Zeit, sie umzusetzen. Jetzt, wo wir alle zu Hause bleiben sollen, stellt sich heraus, dass das, nun ja, ein wenig geschönt war: Plötzlich ist da jede Menge Zeit und irgendwie gar keine Idee mehr, was damit anzufangen wäre, außer Nachrichten checken und durchdrehen. Im Folgenden ein paar Vorschläge, wie die Zeit der sozialen Distanz in der Kollekivquarantäne genutzt werden kann:

1. Frühjahrsputz machen: Ja, genau, wie einst im Mai – Vorhänge abnehmen, Fenster weit auf, laute Musik auf die Ohren und los geht’s! Und weil wir schon dabei sind und so schön in Schwung, gleich noch den Schlafzimmerschrank ausmisten.

2. Kuchen backen: Die Küche blinkt und blitzt nach der Putzerei? Höchste Zeit, sie wieder einzusauen: Kuchen backen statt Kekse kaufen. Kein Kochbuch mehr im Haus? Macht nichts, Rezepte finden sich im Internet, und zwar genau mit den Zutaten, die noch im Schrank sind.

3. Einen Roman lesen: Wollten wir alle doch schon längst mal wieder machen – am helllichten Tag auf dem Sofa liegen und lesen. Sie haben den aktuellen Spiegelbestseller nicht da und die Stadtbücherei hat zu? Ein altes Buch, das Ihnen vor 20 Jahren mal gefallen hat, tut’s auch. Womöglich ist es immer noch gut.

4. Rausgehen: Nein, Rausgehen „an sich“ ist nicht verboten. Im Gegenteil: Zweckfreies Spazierengehen ist perfekt fürs Immunsystem. Es ist Frühling! Wer kann noch Huflattich von Löwenzahn unterscheiden? Das Smartphone kann’s und wir können’s auch bald. Der Bärlauch sprießt und ist extrem gesund, wenn man ihn mit nach Hause nimmt und in Pesto verwandelt.

5. Gesellschaftsspiele spielen: Beim Putzen sind die ollen Brettspiele aufgetaucht? Prima, her damit! Menschen, die in der gleichen Wohnung leben, teilen ohnehin dasselbe Mikrobiom – hier gibt es keine Kontaktsperre. Weiß noch irgendjemand, wie man Rommé spielt? Oder „Schiffe versenken“?

6. Pappmaschee herstellen: Das geht so: Die (ausgelesenen) Zeitungen der letzten Woche in Fetzen reißen. Den Schnipselhaufen mit Wasser und Leim zu einer dicken Matschepampe rühren – sehr schön! Mit dieser Pampe können Sie absolut alles machen außer wasserdichten Blumenvasen: Sparschweinchen, Kasperlesköpfe, Windlichter, Gruselmasken, Perlen, Coronavirenmodelle...

7. Ein Gedicht auswendig lernen: Liegt alles in der Cloud – auswendig lernen braucht man nicht? Von wegen! Unsre müden Hirne lechzen nach Gedichten. Wie wär’s denn damit:

Vice versa

Ein Hase sitzt auf einer Wiese

des Glaubens, niemand sähe diese.

Doch, im Besitze eines Zeißes,

betrachtet voll gehaltenen Fleißes

vom vis-à-vis gelegnen Berg

ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.

Ihn aber blickt hinwiederum

ein Gott von fern an, mild und stumm.

Das ist von Christian Morgenstern. Ein „Zeiß“ übrigens ist ein Fernglas. Wer mehr der spirituelle Typ ist, kann auch Heinz Erhardt nehmen. Oder Ringelnatz. Oder Rainer Maria Rilke. Oder Hilde Domin. Was schwieriger ist, weil ohne Reim. Jedenfalls: Die Auswahl ist ziemlich groß.

8. Telefonieren: Beim Blick ins Notizbuch beziehungsweise auf die Kontaktliste des Handys wird fast jeder auf mindestens eine Person stoßen, die man eigentlich schon lange mal anrufen wollte. Jetzt wäre endlich Zeit dafür und die Chancen, dass er oder sie zu Hause ist, stehen gut. Also einfach mal zum Hörer greifen und den Schulfreund, die Großtante oder die ehemalige Arbeitskollegin anrufen – nur so, ganz ohne Grund. Dass wir uns nicht treffen dürfen, heißt ja nicht, dass wir vereinsamen müssen.

9. Singen: Nichts stärkt das Immunsystem so gut wie Singen und, siehe Punkt 4, zweckfreies Spazierengehen. Wer ganz sicher gehen will, tut beides, und zwar gleichzeitig. Das ist dann auch ein akustisches Warnsignal für andere Spaziergänger und verhindert versehentliche Kontakte. Glücklicherweise ist die gesundheitsfördernde Wirkung des Singens ganz unabhängig davon, ob einer richtig singt oder falsch. Und: Niemand kann gleichzeitig singen und in Panik geraten. Beim Singen überlisten wir unser Gehirn, das ja einfach gestrickt ist. Wenn der Mensch singt, denkt das Gehirn, alles wäre in Ordnung. Sogar dann, wenn gar nichts in Ordnung ist und möglicherweise morgen die Welt untergeht.

10. Den Moment genießen: Noch sind wir am Leben. Wir haben’s warm und trocken. Es ist Frühling. Die Vögel singen. Wir lesen Zeitung. Im Moment geht’s ganz gut.