Das allererste Schlückchen

Ein Jahr im Weinberg (11): Bei der Jungweinprobe in der Kellerei Wilhelm Kern geht es lustig zu – und lecker

Redakteurin Silke Latzel darf bei der Jungweinprobe den ersten Schluck „ihres“ Weines probieren. Sie lernt außerdem, was in der Kellerei alles passiert, bevor der fertige Wein in die Flasche kommt, und wozu und wie man das Weinglas richtig schwenkt.

Das allererste Schlückchen

Von Silke Latzel

ASPACH/KERNEN IM REMSTAL. Er schmeckt toll. Natürlich tut er das. Und doch schmeckt er mir noch viel besser als jeder andere Wein, den ich bislang getrunken habe: mein Regent. Vor fast genau einem Jahr bin ich – relativ unwissend – an einem schönen Januartag nach Kleinaspach in die Weinberge gefahren und habe meinen Stift dort gegen eine Rebschere getauscht. Und heute bin ich die Erste, die von Kellermeister Ulrich Kern „meinen“ Wein eingeschenkt bekommt, und ich bin die Erste, die einen Schluck probieren darf.

Es ist Jungweinprobe in der Kellerei Wilhelm Kern. Die Aspacher Weingärtner fahren immer zu Beginn des Jahres nach Kernen im Remstal, um ihre Weine zu verkosten und um zu sehen, ob sie sich auf einem geschmacklich guten Weg befinden. Da darf ich in diesem Jahr natürlich nicht fehlen, denn auch mein Wein befindet sich in der Kellerei im Remstal. Noch ist er nicht ganz fertig, er darf sich noch ein bisschen Zeit lassen, bevor er in die Flaschen gefüllt wird. Aber er schmeckt schon jetzt ausgezeichnet. Und natürlich noch viel besser, weil ich weiß, wie viel Arbeit ich gemeinsam mit Günther Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Aspach, in den edlen Tropfen in diesem Glas gesteckt habe. Ich bin ein bisschen gerührt und auch stolz, das gebe ich gern zu. Denn es ist für mich schon ein ganz besonderes Gefühl, einen Wein zu trinken, der nur deshalb jetzt eingeschenkt werden kann, weil ich selbst dafür gesorgt habe, dass es ihn gibt – statt einfach im Laden nach einer Flasche zu greifen.

26 Jungweine müssen heute verkostet werden

Die Jungweinprobe beginnt mit einer Kellerführung. Ulrich Kern zeigt uns, was mit unseren Trauben passiert, sobald sie bei ihm ankommen. Im Hof werden die gelesenen Trauben angeliefert. Aus Aspach kommen sie allerdings nicht „ganz“, sondern sind schon gepresst oder werden als Maische in Tankwagen nach Kernen gefahren und dort dann abgepumpt. Die Maische meiner beiden Weinsorten, Regent und Schwarzriesling, wird einige Zeit sich selbst überlassen, unter anderem, um Geschmacksstoffe, Phenole und weitere lösliche Substanzen aus den Beeren in den Saft abzugeben. Danach gibt es zwei Wege, erklärt Kern: Entweder wird Hefe zugesetzt, damit die Zellen der Beerenhaut sich auflösen, oder die Maische wird erhitzt, was denselben Effekt hat. So nimmt der Saft die Farbe der Traubenhaut auf.

Ist dieser Schritt erledigt und etwas Zeit verstrichen, wird gekeltert – also gepresst. Dann werden die Traubenrückstände und der Saft voneinander getrennt, der Saft wird vorgeklärt. „Das einfachste Verfahren hierbei ist das Absitzenlassen. Das dauert aber ziemlich lang“, so Kern. Eine Alternative sei die sogenannte Flotation. Dabei handelt es sich um ein physikalisch-chemisches Trennverfahren, bei dem man sich zunutze macht, dass Gasblasen sich leicht an durch Wasser schwer benetzbare Oberflächen anlagern. Sie verleihen den Partikeln Auftrieb, sodass sie schwimmen. Sie können dann an der Oberfläche abgesaugt werden und nicht wie bei der Absitzmethode unten im Tank.

Sind die Partikel entfernt, wird weitergeklärt: mit Gelatine, Erbsen- oder Kartoffelstärke. Das funktioniert vom Prinzip her genauso wie bei einer Brühe, die man sich daheim kocht und die am Ende klar sein soll: Das Eiweiß flockt aus und bindet die Trübstoffe. Anschließend findet die Hauptgärung statt. Sie dauert etwa 20 Tage. In dieser Zeit ist der Traubenmost immer zwischen 18 und 20 Grad warm, der im Most enthaltene Zucker wird zu Alkohol umgesetzt.

Etwa gegen Ende Dezember ist die Gärung in der Regel abgeschlossen. Die abgestorbenen Hefen sinken dann langsam zu Boden. Nun wird abgestochen, das heißt, der Wein wird abgelassen und umgefüllt, sodass am Boden des Gebindes nur noch die abgelagerte Hefe zurückbleibt. Der Jungwein ruht jetzt noch die nächsten drei bis sechs Monate in Stahltanks oder Holzfässern, je nachdem, wie er am Ende schmecken soll.

Wir haben viel Zeit an diesem Abend. Und viel vor. 26 Jungweine müssen verkostet werden. Ganz schön ambitioniert, finde ich. Auch wenn Kern natürlich nicht 26-mal ein randvolles Glas einschenkt. Die meisten der Anwesenden trinken ein oder zwei Schlucke, der Rest Wein, der sich noch im Glas befindet, wird in eine Karaffe in der Mitte des Tisches geleert. Es geht schließlich nicht darum, sich volllaufen zu lassen, sondern die verschiedenen Weine zu prüfen. Weiß, Rosé, Rot: So ist die Reihenfolge. Zwischen den verschiedenen Weinen gibt es Wasser und ein zünftiges Vesper.

Ich bekomme natürlich auch die Profihandgriffe gezeigt, etwa, wie man das Glas richtig schwenkt. Das übrigens macht man, um die Aromen besser riechen zu können. Nicht nur Geruch und Geschmack des Weines müssen stimmen. Auch das Aussehen wird geprüft. Ferber erklärt: „Der Wein muss immer klar sein, man muss durch ihn durchsehen können, sonst ist er nicht in Ordnung.“ Die Weine schmecken schon alle ziemlich gut, da sind die Anwesenden sich einig. Und auch hierbei: „Der Chardonnay ist noch etwas säuerlich, der braucht noch,“ sagen sie lachend. Aber er hat ja auch noch Zeit. Abgefüllt wird erst in ein paar Monaten.