„Das Biotop ist die Fahrspur“

Die streng geschützte Gelbbauchunke befindet sich zwar momentan in der Winterstarre. Für Förster Hans-Joachim Bek ist Unkenschutz aber eine Daueraufgabe. Das Thema ist komplex und konfliktbehaftet, hat der Froschlurch doch den Wirtschaftswald zu seiner Heimat auserkoren.

„Das Biotop ist die Fahrspur“

Vor einem Jahr war an dieser Stelle im Revier von Förster Hans-Joachim Bek noch Wald. Nun zeigt der grüne Streifen aus Binsen an, wo die Fahrspur verläuft. In den Rinnen bilden sich Tümpel mit Regenwasser, das die Sonne erwärmt. Diese Pfützen nutzt die Gelbbauchunke zum Laichen. So schaffen Vollernter Lebensraum für die gefährdete Unke. Foto: J. Fiedler

Von Nicola Scharpf

Backnang/Spiegelberg. Längst sind die Gelbbauchunken in Winterstarre gefallen, zurückgezogen in Maushöhlen, unter Totholz oder in Reisighaufen. Für Revierförster Hans-Joachim Bek ist das allerdings kein Grund, seine Arbeit zum Schutz der gefährdeten Amphibienart mit dem auffällig gemusterten Bauch und der herzförmigen Pupille ruhen zu lassen. Er stellt Überlegungen an, wo sich in seinem Revier Tümpel anlegen lassen, um sie der Unke als Laichgewässer anzubieten. Weiter geht auch seine Arbeit in einer Gruppe, die ein Erhaltungskonzept für die Gelbbauchunke in den Staatswäldern von ForstBW entwickelt. Diese vorsorgende Konzeption soll voraussichtlich noch in diesem Jahr verbindlich eingeführt werden. Es sollen Fundpunkte erfasst werden, sodass eine Unkenkulisse auf der Staatswaldfläche entsteht.

„Unkenschutz ist eine Daueraufgabe“, sagt Bek, der schon als Kind von den Amphibien fasziniert war und als Jugendlicher von seinem Biolehrer mit der Leidenschaft für die Gelbbauchunke angefixt wurde. Zuletzt war Bek mit seinem Revier Reichenberg als eines von sechs Forstrevieren in Baden-Württemberg an einem auf drei Jahre angelegten Projekt der Universität Hohenheim beteiligt, das in Kooperation mit der Forstlichen Versuchsanstalt auf Bundeslandebene Schutzkonzepte für die Gelbbauchunke in Wirtschaftswäldern entwickelt. Denn die Gelbbauchunke und ihr Leben in Wirtschaftswäldern ist ein komplexes Thema, ein konfliktbehaftetes Feld: Natur- und Arterhaltung steht auf der einen Seite, Waldbewirtschaftung auf der anderen. Der Hauptlebensraum und -laichraum der Gelbbauchunke ist die Fahrspur, die der Harvester bei der Holzernte hinterlässt. „Das Biotop ist die Fahrspur“, sagt Bek. Der Ärger ist quasi vorprogrammiert.

In digitalen Karten lassen sich Hinweise für die Waldarbeiter hinterlegen

Im Spätsommer, außerhalb der Reproduktionszeit, zum Beispiel hat sich ein Naturfreund darüber erbost, dass im Forstrevier nahe Spiegelberg-Vorderbüchelberg nicht gerade pfleglich mit der Gelbbauchunke umgegangen wurde, ein Biotop und mit ihm Dutzende Unken durch einen Holzernter zerstört wurden. Eine zentrale Überlegung ist laut Bek: Wird durch eine Maßnahme eine Population gefährdet oder sind einzelne Tiere gefährdet, sind Tierschutzgründe betroffen? „Selbstverständlich wollen wir auch Letzteres nicht, es ist für das einzelne Individuum tragisch“, sagt Bek und erklärt, wie die Digitalisierung auch bei der Waldbewirtschaftung respektive dem Tierschutz hilft: In digitalen Karten, die die Erschließungslinien erfassen, lassen sich Hinweise eintragen etwa nach der Art „Salamanderlarven in Fahrspur“, die der Waldarbeiter abrufen und das Befahren der entsprechenden Stelle mit dem Holzrücker meiden kann. Oder die Gelbbauchunken-App, sie ist eine Hilfe bei der Habitaterfassung.

Tiefe, mit Regenwasser gefüllte Rinnen sind die Heimat der Gelbbauchunken

Ein anderer für den Erhalt der Unken problematischer Punkt ist, wenn Rückegassen entweder direkt wieder beseitigt oder dauerhaft befestigt werden. Unterstützt wird diese Problematik vielerorts durch die Bevölkerung, die sich an unansehnlichen, schlammigen Fahrspuren stört und Beschwerden bei den entsprechenden Verwaltungen einreicht. „Ich werbe bei meinen Kollegen immer dafür, diese Kritik auszuhalten“, sagt Bek. „Der Boden ist sowieso kaputt und verdichtet an dieser Stelle. Man sollte es ertragen, dass es so aussieht.“ Hans-Joachim Bek steht nicht nur ausdrücklich zu den streng nach Richtlinien angelegten Erschließungsspuren im Forst, um die er als Waldbewirtschafter nicht herumkommt. Sondern er lässt sogar noch das eine oder andere Loch oder eine zusätzliche Rinne baggern, um durch das Zusatzangebot zum Populationserhalt beizutragen. Die tiefen, mit Wasser vom letzten Regen gefüllten Rinnen sind nun mal die Wahlheimat der Gelbbauchunken. In diese Pfützen legen sie vorzugsweise ihren Laich – sogar in 90 Prozent der Fälle, sofern die Fahrspur frisch ist, wie die Untersuchung der Uni Hohenheim laut Bek ergeben habe. Im zweiten Jahr ihres Bestehens nutzen die Unken ein Fahrrinnen-Biotop dagegen zwar noch zum Aufenthalt, aber nicht mehr zur Reproduktion, da sich dann bereits Fressfeinde für den Unkenlaich angesiedelt haben. „Unken suchen immer ein neues Gewässer zur Reproduktion. Die Weibchen sind permanent am Suchen nach Laichplätzen.“

Ein Gelege besteht aus acht bis zehn Eiern, womit die Gelbbauchunke zu den K-Strategen gehört, die sich Nischen zur Eiablage suchen, und nicht zu den R-Strategen, die auf Masse zur Arterhaltung setzen. „Wichtig für diese Art ist: Sie braucht Wärme.“ Die Kaulquappen benötigen eine Wassertemperatur von mindestens 16 bis 17 Grad. Das ist wenig verwunderlich, ist die Gelbbauchunke doch ursprünglich eine Offenart, die in Flussauen beheimatet war. Wie aber kommt die Gelbbauchunke in den Wald? Die Auen, sagt Bek, sind längst verschwunden. Die Flüsse sind begradigt und Wiesen mit Frühjahrsüberschwemmungen gibts nicht mehr. Die Unken, die bis zu 25 Jahre alt werden können, mussten nach neuen Lebensräumen suchen und fanden sie beispielsweise in Abbaugebieten wie Steinbrüchen oder eben in den Rückegassen. Dort lässt der verdichtete Boden das Wasser nicht abfließen, die Sonnenstrahlen erreichen den Waldboden und wärmen das Wasser in den Rückegassen-Pfützen auf gelbbauchunkenangenehme Temperaturen.

Das Forschungsprojekt der Uni Hohenheim hat übrigens gezeigt, dass im Forstrevier von Hans-Joachim Bek noch viel mehr Amphibien von kleinen Maßnahmen wie Rinnen und Tümpellöchern profitieren. Denn die Wissenschaftler haben dort auch Fadenmolch, Teichmolch, Bergmolch, Erdkröte und Grasfrosch gefunden sowie Feuersalamander, Laubfrosch, Springfrosch und Kammmolch, die als gefährdet oder stark gefährdet auf der Roten Liste stehen. Das Projekt, das im Internet unter www.unkenschutz-bw.de ausführlich vorgestellt wird, zielt allerdings nicht nur auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und praktischen Unkenschutz, sondern auch darauf, durch Öffentlichkeitsarbeit das Bewusstsein für Fahrspuren im Wald positiv zu stärken.

„Das Biotop ist die Fahrspur“

Die Unke, ein Froschlurch

Merkmale Die Gelbbauchunke ist ein kleinerer Froschlurch, der eine Größe von 3,5 bis 5 Zentimetern erreichen kann. Die Oberseite ist graubraun gefärbt, mit flachen Warzen besetzt. Die Unterseite ist schwarz-blau gefärbt mit einem gelben Fleckenmuster. Die Unke besitzt eine herzförmige Pupille.

Schutzstatus Die Art ist international in der EU im Anhang II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt. Da 30 Prozent der Nominatform in Deutschland existieren, ist das Land für diese Art in „besonders hohem Maße verantwortlich“. Die Gelbbauchunke wurde in der Roten Liste auf Bundesebene sowie auch in Baden-Württemberg in die Kategorie 2 „stark gefährdet“ eingestuft. Baden-Württemberg und Bayern ist das Hauptverbreitungsgebiet innerhalb Deutschlands.