Die Bauindustrie hofft auf Aufträge aus dem Sondervermögen für Infrastruktur. Doch wie schafft es der Staat überhaupt, 500 Milliarden Euro auszugeben?
Ob Straße oder Schiene – der Investitionsbedarf in die Infrastruktur in Deutschland ist groß.
Von Tobias Heimbach
Die Botschaft ist klar: „Deutschland muss ins Machen kommen“, sagt Peter Hübner, Präsident des Verbandes der Bauindustrie am Mittwoch beim jährlichen Treffen seiner Branche. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Zeiten war beim „Tag der Bauindustrie“ durchaus etwas Zuversicht zu spüren Ein wesentlicher Grund: Das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur, das der Bundestag im März verabschiedet hatte.
Die Bauwirtschaft soll zu den großen Profiteuren gehören. Schließlich verspricht die Regierung aus Union und SPD im Koalitionsvertrag: „Mit dem Sondervermögen Infrastruktur werden wir unser Land in den kommenden Jahren systematisch modernisieren.“ Damit soll Deutschland wieder fit gemacht werden. Das Geld soll in Brücken, Schienen, Schulen, Krankenhäuser und Stromleitungen fließen. Aber schafft der Staat es überhaupt, das Geld zügig auszugeben?
Daran kann man zurecht zweifeln. Schließlich sind Bund, Ländern und Kommunen schon in normalen Zeiten damit überfordert, Infrastrukturprojekte schnell und im veranschlagten Budget umzusetzen. Nicht nur Großprojekte wie Stuttgart 21 dauern manchmal Jahre oder Jahrzehnte, sondern auch die Reparatur von Brücken oder die Sanierung von Schultoiletten.
Viele Infrastrukturprojekte dauern Jahre – oder Jahrzehnte
Genau deswegen mahnen Kenner der Branche Reformen an. Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, sagt dieser Redaktion: „Die Planungen für die zu sanierenden oder neu zu bauenden Brücken, Straßen, Schienen und vieles andere mehr müssen verkürzt und schneller über die Bühne gebracht werden.“ Er regt zudem an, Fördertöpfe zu schaffen, aus denen sich die zuständigen Behörden sofort bedienen können. Feiger mahnt zu Tempo: „Auf jeden Fall müsste alles äußerst zügig angegangen werden, damit die Bauunternehmen nicht weiter ihr Personal abbauen.“
Ludwig Dorffmeister, Fachreferent für Bau- und Immobilienforschung beim ifo-Institut in München, ist zumindest teilweise optimistisch: „Ich glaube schon, dass es bei einigen Projekten gelingen wird, sie zügig umzusetzen. Wenn es politisch gewollt ist, dann funktioniert das.“ Das habe man etwa während der Energiekrise bei den LNG-Terminals gesehen, die innerhalb von Monaten geplant, genehmigt und gebaut wurden. Doch er mahnt auch: „Es wird aber darauf ankommen, dass die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag versprochenen Maßnahmen zur Beschleunigung auch umsetzt.“
Skeptischer ist Dorffmeister bei Investitionen in den Kommunen. Denn diese müssen bei Förderprogrammen oft einen kleinen Teil kofinanzieren. „Doch viele von ihnen waren zuletzt tief in den roten Zahlen, sodass sie derzeit nicht einmal das können“, sagt der ifo-Experte.
Dass mit dem Sondervermögen alle Infrastruktursorgen gelöst sind, darf man wohl nicht erwarten. 500 Milliarden Euro scheint viel, aber das ist es nicht, wenn man die Summe ins Verhältnis setzt. Zum einen wird das Geld über 12 Jahre gestreckt. Durch die Lohnentwicklung und die zu erwartende Preissteigerung bei Baumaterialien wird man im zwölften Jahr des Sondervermögens deutlich weniger für das Geld bauen können als heute. Außerdem sind die Bedarfe riesig. Allein die Deutsche Bahn beziffert die notwendigen Investitionen für die nächsten zehn Jahre auf 290 Milliarden Euro.
Merz hofft auf Bauindustrie als Motor für wirtschaftliche Entwicklung
Ein bedeutendes Segment der Bauwirtschaft profitiert indes nicht vom Sondervermögen. Für den Wohnungsbau sind keine Mittel aus dem Sondertopf eingeplant. Doch auch hier ist der Bedarf groß, sagt Gewerkschaftschef Feiger. „Rund 100 000 Sozialwohnungen müssten derzeit pro Jahr gebaut werden, um den akuten Bedarf zu decken“, sagt er. Dafür seien selbst bei Absenkung der Baustandards etwa 11 Milliarden Euro notwendig. 60 000 weitere Wohnungen brauche es jährlich im bezahlbaren Segment. Laut Feiger brauche es dafür zusätzlich vier Milliarden Euro an Subventionen.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hofft auf die Bauindustrie. In seiner Rede am Mittwoch betonte er: „Die Bauindustrie ist eine Schlüsselindustrie für die Frage, ob wir wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen.“