Laut RKI sind sie eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit: Antibiotikaresistenzen. Weltweit nehmen sie dramatisch zu. Forscher legen eine Prognose zur künftigen Entwicklung vor. Ihr Fazit: Es sind dringend neue Strategien nötig. Aber welche?
Wirkung verpufft: Die weltweite Gesundheit ist Teil des globalen Wandels. Die zunehmende Antibiotikaresistenz dabei ein besonders gravierendes Problem, das sich in Zukunft verschärfen wird.
Von Markus Brauer/dpa
Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, ist das mitunter lebensgefährlich. Bis zum Jahr 2050 könnten weltweit mehr als 39 Millionen Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen sterben, bei weiteren 169 Millionen Todesfällen könnten solche Erreger zumindest eine Rolle spielen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine umfassende Studie im Fachmagazin „The Lancet“ zu antimikrobiellen Wirkstoffen.
Einsatz von Antibiotika: übermäßig und unsachgemäß
Eine entscheidende Ursache für die Zunahme von Resistenzen ist der übermäßige und unsachgemäße Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin. Jede Anwendung kann zur Vermehrung resistenter Bakterien führen, da diese dann einen Überlebensvorteil haben.
Die künftige Entwicklung abschätzen zu können, sei entscheidend für lebensrettende gegensteuernde Maßnahmen, betont Mohsen Naghavi von der University of Washington.
Wie entstehen Antibiotikaresistenzen?
In Deutschland gibt es für einige Antibiotikaresistenzen konkrete Zielvorgaben. Die Entwicklung ist nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) noch nicht überall auf einem guten Weg.
Antibiotika zählen nach Einschätzung des RKI zu den wichtigsten medizinischen Errungenschaften, doch die Resistenzen dagegen nähmen weltweit zu. „Sie sind eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit dieser Zeit.“
Ein Bakterium kann laut RKI durch natürliche Veränderungen im Erbgut resistent gegen ein Antibiotikum werden oder durch die Aufnahme von Resistenzgenen, die von anderen Bakterien stammen. Die häufige Nutzung von Antibiotika in der weltweiten Medizin fördert resistente Bakterien.
Solche, die eine Resistenz gegen ein Antibiotikum besitzen, überleben dessen Einsatz und können sich weiter ausbreiten. Wenn Antibiotika ohne einen triftigen Grund, zu oft, über einen zu langen Zeitraum oder unsachgemäß angewandt werden, begünstigt das die Entstehung und Verbreitung von resistenten Erregern, mahnt das RKI.
Was macht Deutschland gegen die Resistenzen?
Im Kampf gegen die Resistenzen hatten verschiedene Ministerien etwa die Deutsche Antibiotikaresistenz-Strategie (DART 2030) aufgestellt. Einige Punkte: Mit Impfungen und besserer Hygiene sollen mehr Infektionen verhindert werden, so dass generell weniger Antibiotika nötig sind. Der Antibiotikaverbrauch bei Mensch und Tier soll besser überwacht und die Forschung gefördert werden.
Dabei wurden Ziele definiert, mit denen sich die Entwicklung bewerten lässt. Das RKI präsentierte nun eine Art Zwischenstand:
Wie sieht es bei E. coli und einem Antibiotikum aus?
Eine der beobachteten Kombinationen ist E. coli mit Resistenz gegen die Antibiotikagruppe der Cephalosporine der dritten Generation. Das sei eine ganz wichtige Gruppe, betont Tim Eckmanns, RKI-Experte für Antibiotikaresistenzen. „E. coli ist der häufigste Erreger von Infektionen im Krankenhaus.“
Am Beispiel dieser Erreger-Antibiotika-Kombinationen zeige sich, wie unterschiedlich die Krankheitsbilder bei einer Infektion sein können. „Das ist das Schwierige an Antibiotikaresistenzen“, erklärt der Mediziner, „Es ist nicht eine Krankheit, sondern dahinter verbergen sich viele Infektionen.“ E. coli kann etwa einen Harnwegsinfekt, eine Wundinfektion oder eine Bauchrauminfektion verursachen.
Welche der vier Kombinationen ist die kritischste?
„Das kritischste, sind die Carbapenem-Resistenzen von Klebsiellen“, erläutert Eckmanns Die Inzidenz von Blutstrominfektionen mit Carbapenem-resistenten Klebsiella pneumoniae soll bis 2030 um 2 Prozent im Vergleich zu 2019 reduziert werden. Allerdings steigen die Inzidenzen von Blutstrominfektionen seit 2020. Mit einer Zunahme um 65 Prozent seit 2019 lagen die Inzidenzen demnach weit schlechter als die Zielvorgaben.
Mit weniger als einem Fall pro 100.000 Einwohnern bleibt die Inzidenz laut RKI insgesamt gering. „Und trotzdem finde ich, ist das die kritischste, weil diese Infektionen sind dann auch wirklich nicht mehr leicht zu behandeln. Da haben wir nicht mehr viele Optionen“, betont Eckmanns. Klebsiella pneumoniae löst häufig Krankenhausinfektionen aus und kann zur Sepsis führen.
Wie viele Menschen sind in dem Zusammenhang gestorben?
Laut einer Studie eines Teams des RKI und der Universität Washington vom August 2025 starben im Jahr 2019 rund 45.700 Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit antibiotikaresistenten Erregern.
Nicht immer war dabei die Resistenz die direkte Ursache. Besonders häufig führten Blutstrominfektionen sowie Atemwegs- und Bauchrauminfektionen zum Tod. Rund 9.600 dieser Menschen sind laut RKI jedoch unmittelbar aufgrund der Resistenz des Erregers gestorben.
Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der 2019 in Deutschland verstorbenen Menschen lag laut Statistischem Bundesamt bei 939.500 Menschen.
Was kann man tun?
Um Antibiotikaresistenzen zu verringern, ist ein gezielter und sachgerechter Einsatz von Antibiotika wichtig. So sollte man Antibiotika nicht bei einer Virusinfektion, sondern nur bei bakteriellen Infektionen einnehmen, erläutert Eckmanns. Gegen Viren sind sie wirkungslos.
Außerdem sollten sie von Ärzten nur dann gegeben werden, wenn sie wirklich notwendig sind. „Niemals ein Antibiotikum eigenständig einnehmen, weil man denkt „Ich habe ja hier noch eins liegen“, rät der Experte. Der Einnahme müsse immer eine Untersuchung vorangegangen sein.
Überdies helfe alles, was Infektionen verringere. „Eine geimpfte Bevölkerung ist eine gute Maßnahme gegen Resistenzentwicklung.“ Je weniger Antibiotika genutzt werden, desto weniger Resistenzen gebe es.
Tipps für den richtigen Umgang mit Antibiotika
Verordnung Antibiotika sollten ausschließlich nach ärztlicher Verordnung eingenommen werden.
Dosierung Antibiotika sollten so lange und in der Dosierung eingenommen werden, wie vom Arzt vorgesehen.
Kalzium Einige Antibiotika werden durch Kalzium in ihrer Wirkung gestört. Sie sollten deshalb nicht mit Milch oder kalziumreichen Mineralwässern eingenommen werden. Idealerweise nimmt man die Tabletten mit einem großen Glas Wasser ein, heißt es weiter in der Info-Broschüre der Bundesapothekerkammer
Reste Antibiotika sollten nicht aufgehoben oder von Patienten bei der nächsten Infektion auf eigene Faust eingenommen werden.
Entsorgung Antibiotika sollten über den Hausmüll entsorgt werden, aber nicht über die Toilette oder das Waschbecken. Die Entsorgung von Antibiotika über das Abwasser verbreitet die Substanzen in die Umwelt und fördert so die Entstehung von Resistenzen. Einige Apotheken bieten als freiwilligen Service an, Arzneimittelreste zu entsorgen.
Hygiene Viele Infektionen können durch einfache Hygienemaßnahmen vermieden werden. Empfehlenswert ist auch eine Grippeimpfung.