„Das hat den Kämpfer in mir geweckt“

Der Wahlsieger der Marbacher Bürgermeisterwahl, Jan Trost, erklärt im Interview, worauf er den Erfolg zurückführt, wie er damit umgeht, dass mehr als 50 Prozent der Bürger für andere Kandidaten gestimmt haben, und welche Aufgaben nun anstehen.

„Das hat den Kämpfer in mir geweckt“

Jan Trost blickt nach seinem Wahlsieg nach vorne. Foto: W. Kuhnle

Von Christian Kempf

Direkt nach dem Wahlsieg sagten Sie, dass Sie angesichts der nervenaufreibenden vergangenen Wochen erst mal richtig schlafen und ausschlafen wollen. Ist es Ihnen gelungen abzuschalten?

Nicht wirklich. Mir gingen noch die ganzen Eindrücke von dem Wahlabend und dem gesamten Wahlkampf durch den Kopf. Wegen Corona war natürlich auch keine große Feier möglich. Meine Frau und ich haben uns aber zumindest ein Glas Sekt gegönnt. Gefreut habe ich mich zudem über die vielen Glückwünsche, die via WhatsApp oder E-Mail eingegangen sind. Das tat gut.

Haben Sie nach dem Rückstand auf Timo Jung im ersten Durchgang tatsächlich immer daran geglaubt, in eine zweite Amtszeit gehen zu können?

Das Ergebnis vor zwei Wochen hatte ich mir anders vorgestellt. Vom Gefühl her dachte ich, zumindest knapp in Führung zu liegen. Aber ich habe immer daran geglaubt, das Ruder herumreißen zu können. Sonst wäre ich nicht wieder angetreten. Das hat auch den Kämpfer in mir geweckt. Und letztlich konnte ich knapp 600 Stimmen hinzugewinnen.

Haben Sie schon eine Erklärung für den Umschwung?

Das ist schwer zu sagen. Ich denke allerdings, dass mehrere Faktoren eine Rolle gespielt haben. Ich habe im zweiten Wahlgang neue Formen angeboten, habe beispielsweise Plakate aufgehängt, eine Anzeige in der Marbacher Zeitung und im Marbacher Stadtanzeiger geschaltet und war auf Instagram präsent. Innerhalb kürzester Zeit sind mir auf diesem Kanal 120 Menschen gefolgt. Man erreicht dadurch vor allem auch die Jüngeren. Darüber hinaus habe ich Gespräche mit Themenschwerpunkten angeboten, zum Beispiel vor der Grundschule.

Wie wichtig war es, dass Ihnen ein Teil der SPD-Fraktion zur Seite gesprungen ist? Die unangemeldete Unterstützer-Aktion von Räten auf dem Wochenmarkt hat einigen Staub aufgewirbelt.

Inwieweit mir das Stimmen gebracht hat, kann ich schwer einschätzen. Ebenso unklar ist, inwieweit es Timo Jung auf der anderen Seite geholfen hat, dass Unterstützer eine Anzeige für ihn geschaltet haben. Die einen spricht so etwas an, die anderen ärgert es vielleicht.

Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten vorstellen? Haben Sie sich mit den betreffenden Räten ausgetauscht und eine Strategie festgelegt? Oder lief das parallel und ohne Absprache?

Über den offenen Unterstützerbrief für mich, der im Vorfeld des zweiten Wahlgangs an die Haushalte verteilt wurde, war ich informiert. Ansonsten gab es keinen Austausch zwischen mir und den Räten, was die Führung des Wahlkampfs anbelangt.

Haben Sie auch davon profitiert, dass die Wahlbeteiligung etwas höher war als beim ersten Durchgang?

Das könnte durchaus eine Rolle gespielt haben für den Wahlsieg am Ende. Zudem sind offensichtlich Stimmen von Tobias Möhle zu mir gewandert. Nicht zu vergessen sind auch die 126 Stimmen, die Andreas Freund vor zwei Wochen hatte und die nach seinem Rückzug quasi frei wurden. Ich denke, dass ich dieses Wählerpotenzial ebenfalls angesprochen habe.

Unterm Strich haben jedoch mehr als die Hälfte der Wähler einem anderen Bewerber das Vertrauen ausgesprochen. Was heißt das für Sie?

Ich muss noch aufarbeiten, woran das gelegen hat. Aber es ist richtig: Im Vergleich zur Wahl vor acht Jahren habe ich mehr als 13 Prozent verloren. Auffällig ist insbesondere mein Abschneiden in der Altstadt, wo Timo Jung bei den Bürgern vorne lag. Mich wundert das insofern, als wir gerade auch hier viel erreicht oder auf den Weg gebracht haben. So haben wir unter anderem mit der Sperrung der Niklastorstraße eine Verkehrsberuhigung durchgesetzt und die Sanierung der Fußgängerzone aufs Gleis gesetzt. Ich habe mich auch stark dafür eingesetzt, dass das Holdergassenfest weiter stattfinden kann.

Trotzdem scheint in der Altstadt eine gewisse Unzufriedenheit mit Ihrer Arbeit vorzuherrschen.

Genau deshalb werde ich versuchen, dort mit Meinungsführern ins Gespräch zu kommen, um ein Stimmungsbild zu erhalten, was ich verbessern könnte.

Gesprächsbedarf dürfte es auch mit den Grünen und der CDU-Fraktion geben, die offen Sympathien für Ihren Hauptkonkurrenten Timo Jung bekundet haben.

Es hat für mich höchste Priorität, mich mit den betreffenden Räten auszutauschen. Ziel muss sein, einen gemeinsamen Weg zu finden, mit dem wir Marbach weiter nach vorne bringen. Das dürfte im Interesse aller sein. Und ich bin auch zuversichtlich, dass wir uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt verständigen können. Ganz nach dem Vorbild der vergangenen Jahre, als die meisten Entscheidungen im Gemeinderat einstimmig oder mit großen Mehrheiten getroffen wurden. Das ist auch wichtig, denn es stehen mit der Gartenschau, der Entwicklung des Gesundheitscampus oder der Sicherung der Ärzteversorgung in Rielingshausen große Aufgaben vor uns.

Ein strammes Programm. Kritiker könnten Ihnen vorhalten, dass dadurch wieder die Verwaltung überlastet wird.

Vieles ist gesetzt, vor allem im Hinblick auf die Gartenschau oder den Gesundheitscampus. Das ist einfach so. Aber wir setzen klare Prioritäten, um niemandem zu viel aufzubürden, und werden gut in die Mitarbeiter reinhören, welches Pensum zu leisten ist und welches nicht.

Sie selbst haben nun acht weitere Jahre Zeit, Vollgas zu geben. Nach Ihrer ersten Wahl hatten Sie sich schnell festgelegt, dass Sie wieder antreten würden. Können Sie auch dieses Mal, nach all den Dissonanzen im Wahlkampf, guten Gewissens sagen: Ich strebe auf jeden Fall eine dritte Amtszeit an?

Ich muss jetzt erst mal alles sacken lassen. Dann muss man sehen, was in acht Jahren ist.