„Das ist Ihre allerletzte Chance“

Stuckateur erhält wegen Drogengeschäften vom Backnanger Amtsgericht eine Bewährungsstrafe.

„Das ist Ihre allerletzte Chance“

Symbolfoto: Stock Adobe / fotogestoeber

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Schöffengericht hatte sich ein 40-jähriger Stuckateur wegen Drogengeschäften zu verantworten. Er wurde zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Er kommt gerade noch rechtzeitig. Der Vorsitzende Richter hatte schon die Nummer des Polizeireviers gewählt, um den Angeklagten vorführen zu lassen. Die Anklageschrift der Staatsanwältin listet die Vorwürfe auf. Insgesamt achtmal, beginnend im Juli 2018 bis zum Oktober 2019, soll der Stuckateur Amphetamine beziehungsweise Marihuana an zwei Kunden verkauft haben. Die Marihuanaverkäufe, insgesamt ungefähr sechs Gramm, gibt der Angeklagte zu. Aber Amphetamine? Nein, das waren nur zerstoßene Aspirintabletten. Seine Kunden hätten es nicht bemerkt. „Dann haben Sie also Ihre Kunden betrogen?“, fragt die Staatsanwältin. „Mehr oder weniger“, sagt der Angeklagte.

Die beiden Abnehmer der Drogen sind als Zeugen geladen. Aber sie erscheinen nicht. Vermutlich, so der Richter, weil sie sich durch ihre Aussagen selbst belasten könnten. Auf Vorführung wird verzichtet. So bleibt nur der dritte Zeuge, ein Polizeibeamter. Durch eine Hausdurchsuchung bei einem der Kunden des Angeklagten, bei der das Handy beschlagnahmt wurde, kam die Polizei auf den Verkäufer. So rückten die Beamten auch beim Angeklagten zu einer Durchsuchung an. Und das Handy des Letzteren gab Hinweise auf den anderen Abnehmer. Die „Verkaufsgespräche“ hat die Polizei aus den Handys ausgelesen. Der Richter liest sie in Auszügen vor. Von „Sabine“ ist die Rede, wenn es um Amphetamine geht, von „Günni“, wenn es Marihuana sein soll. Aktiv ist der Angeklagte den Verkauf angegangen. So fragt er per Textnachricht nach: „Brauchst du was?“ Und nach dem Verkauf kann es auch heißen: „Hat’s gepasst?“ Nur einmal kam von den Kunden die Rückmeldung, dass „Sabine“ lahm gewesen sein soll. Will heißen: Die Droge hat nicht in dem gewünschten Maße gewirkt.

Da der Mann unter Bewährung stand, wird seine Bewährungshelferin gehört. Anfangs, so berichtet diese, seien die gemeinsamen Gespräche konstruktiv verlaufen. Im Februar 2018 wurde der Kontakt dann loser – auch deshalb, weil der Stuckateur insgesamt siebenmal die Psychiatrie aufsuchen musste. Eine Drogentherapie wurde ihm nahegelegt. Aber das lehnte der 40-Jährige strikt ab.

Die Staatsanwältin sieht die Anklage in ihrem Plädoyer bestätigt. Sie fordert 18 Monate Gefängnis. Mit großen Bedenken könne man die Strafe zur Bewährung aussetzen. Der Verteidiger des Angeklagten möchte die „Aspirinversion“ der gehandelten Pülverchen nicht ganz ausschließen. Beim Strafmaß stimmt er der Staatsanwältin zu. Und plädiert strikt auf Bewährung. Die Drogentherapie, so der Anwalt, hat er seinem Mandanten nochmals ans Herz gelegt.

Der Richter fordert den Angeklagten zum letzten Wort. Dieser weiß zunächst nichts zu sagen. Eine Steilvorlage habe ihm doch eben sein Anwalt gegeben, fügt der Richter hinzu. Da dämmert’s dem Angeklagten. Die Drogentherapie, die würde er schon machen. Beim Urteil betont der Richter, dass er die Entscheidung zusammen mit den beiden Schöffen äußerst widerstrebend getroffen habe. Das Gericht räume ihm „eine allerletzte Chance“ ein. Deshalb ist die Entscheidung mit einem Bündel von Bewährungsauflagen verbunden. Drei Jahre hat er sich straffrei zu verhalten. Eine Bewährungshelferin soll ihn begleiten. Drogenscreenings sollen seine Abstinenz unter Beweis stellen. Neben Beratungsgesprächen muss der Verurteilte innerhalb von neun Monaten eine stationäre Drogentherapie angetreten haben. – Das Urteil ist rechtskräftig.