Das könnt ihr knicken:das Handy der Zukunft

Aus dem Statussymbol Smartphone wird eine Allround-Fernbedienung

Von Steffen Haubner

Die nächste Smartphone-Generation lässt sich falten und dient als Steuerungseinheit für alle Lebensbereiche. Der koreanische Samsung-Konzern treibt die Entwicklung voran.

San FranciscoEin Smartphone misst zwischen 4,5 und 6 Zoll, ist flach, rechteckig und hat abgerundete Kanten. Die Tasten sind berührungsempfindlichen Bildschirmen gewichen, die fast über die gesamte Front reichen. Dieser „Formfaktor“ ist wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte der Mobiltelefone – und zugleich ihr Problem. Denn abgesehen davon, dass die Geräte immer leichter und dünner werden, bessere Fotos machen und mehr Sensoren besitzen, sind echte Innovationen rar. Den Herstellern fällt es immer schwerer, Preise von mehr als 600 Euro zu rechtfertigen, zumal man auch für 300 bis 400 Euro ein Gerät bekommt, das kaum Wünsche offenlässt.

2019 könnte das Jahr sein, in dem sich das grundlegend ändert. Auf der Samsung Developer Conference in San Francisco stellte der Marktführer aus Korea einen Prototyp vor, der viel Aufsehen erregte: ein Smartphone, das man samt Bildschirm zusammenfalten kann. Auf der Außenseite des Infinity Flex Display befindet sich das sogenannte Cover Display mit einer Diagonalen von 4,58 Zoll. Benötigt man einen größeren Bildschirm, klappt man das Gerät auf und gelangt so zum Hauptdisplay, das 7,3 Zoll misst.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Man trägt ein relativ kompaktes Gerät bei sich, das sich bei Bedarf in ein Tablet verwandelt. Das könnte etwa bei der Navigation sinnvoll sein. Das Smartphone wird über das Cover- Display bedient und teilt dem Nutzer per Sprachausgabe mit, wo es langgeht. Möchte man einen Blick auf einen größeren Kartenausschnitt werfen, kann man das Gerät entfalten wie einen Stadtplan aus Papier.

Wirklich sinnvoll ist das aber nur, wenn die geöffnete App nahtlos vom kleinen auf den großen Bildschirm umschaltet und die Inhalte automatisch anpasst. „Das Cover- Display ist etwas kleiner als gewöhnlich und ist auf schnelle Interaktionen ausgelegt“, erklärt Samsungs Chefingenieur Jisun Park. „Die jeweilige App bleibt nach dem Aufklappen aktiv und wird automatisch für den Hauptbildschirm vergrößert, während das Cover-Display schwarz wird.“ Obendrein soll sich der Hauptbildschirm in mehrere Fenster aufteilen lassen, wie man es vom PC her kennt. Dann könnte man mit Freunden chatten, während man ein Video anschaut oder ein Spiel spielt. Neben zahlreichen kleineren Entwicklern und Start-ups sitzt auch Google, Eigentümer des mobilen Betriebssystems Android, mit im Boot und unterstützt die Entwicklung von kompatiblen Apps.

Für den Erfolg von Infinity Flex sind solche Kooperationen von entscheidender Bedeutung. Entsprechend viel ist bei Samsung die Rede davon, dass der Konzern sich öffnen müsse. Schließlich kann das Handy der Zukunft nur dann erfolgreich sein, wenn möglichst viele beliebte Apps darauf nutzbar sind und der Faltbildschirm einen echten Mehrwert bietet. Als Global Head of Service Innovations ist Thomas Ko dafür zuständig, dass die von den Technikern ausgebrüteten Innovationen von den Nutzern angenommen werden. „Je ähnlicher sich die Hardware-Spezifikationen werden, desto wichtiger werden die Software und die damit verbundenen Dienste“, so Ko. Deshalb arbeite man weltweit mit Tausenden von Partnern zusammen, nicht zuletzt mit Google. „Es geht letztlich darum, mit was man Smartphones verkaufen kann, und das sind nun mal die Anwendungen.“

Das Zauberwort lautet Bixby. Dahinter verbirgt sich ein lernender Sprachassistent, der demnächst auch Deutsch sprechen soll. Lernend bedeutet, dass Bixby sich Entscheidungen und Gewohnheiten des Nutzers merkt und so mit der Zeit ein immer hilfreicherer Begleiter wird. Was er noch nicht weiß, schaut er sich von seinen Nutzern ab. Wenn die Software etwa nicht weiß, wie man in einem Theater eine bestimmte Platzkategorie bucht, muss man es ihr nur einmal vormachen. Das nächste Mal beherrscht sie es dann perfekt. Sogar sehen lernt Bixby gerade und kann mittels der Handykamera bereits Produkte und Umgebungen erkennen.

Statt als Statussymbole werden Smartphones absehbar als Allround-Fernbedienungen dienen, mit denen man Reisen bucht, Taxis und Pizza bestellt, bezahlt, Bankgeschäfte abwickelt und von unterwegs den Inhalt des heimischen Kühlschranks überprüft. Die 500 Millionen Geräte – vom Smartphone über Flachbild-TVs bis hin zu Waschmaschinen – , die Samsung jedes Jahr verkauft, sollen bis 2020 alle auf Bixby-Kommandos hören, 22 Milliarden Dollar wirft Samsung dafür in den Ring.

Man kann sich leicht vorstellen, welche Marktmacht damit verbunden ist. Und so wundert es auch nicht, dass gerade ein Wettlauf zwischen den Sprachassistenten stattfindet. Auch Apples Siri und Alexa von Amazon sammeln nicht nur fleißig Kundendaten. Sie dienen auch als Türöffner für künftige Geschäftsfelder. Während Amazon unter anderem auf seinen Lieferdienst bauen kann, ist der Google Assistant ein Bestandteil von Android, dem weltweit führenden mobilen Betriebssystem.

Doch welche Zukunft hat Android überhaupt noch? Schon jetzt wird die Software von den Geräteherstellern teils bis zur Unkenntlichkeit modifiziert und mit eigenen App-Stores und Cloud-Speichern verknüpft. Das gilt auch für Samsungs Android-Version One UI. Über einen hauseigenen Galaxy Store sollen künftig exklusive Apps und Inhalte angeboten werden. Zwar werden die Koreaner nicht müde, ihre Zusammenarbeit mit Google zu betonen. Doch wenn die Software tatsächlich der entscheidende Erfolgsfaktor ist, warum sollte man dann ein fremdes Betriebssystem auf den eigenen Geräten installieren? Wenn es darum geht, einen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, könnte es schnell vorbei sein mit der viel gepriesenen Offenheit.