Mercedes-Fabrik in Berlin

Das neue Mercedes-Vorzeigewerk

Das Mercedes-Werk Berlin-Marienfelde stand vor dem Aus. Nun wird seine Rolle im Stuttgarter Konzern mit digitalen Technologien stark aufgewertet.

Das neue Mercedes-Vorzeigewerk

Die optimale Bewegung eines Roboters zu ermitteln gehört zu den künftigen Aufgaben der Beschäftigten in Berlin-Marienfelde.

Von Klaus Köster

Wenn Jörg Burzer über das Mercedes-Werk in Berlin-Marienfelde spricht, versucht er gar nicht erst, seine Begeisterung zu verbergen. Wie dort gearbeitet werde, mache „wirklich Laune“, sagt der Vorstand und Produktionschef von Mercedes-Benz. Flexibilität und Pragmatismus seien groß, und man merke, dass der Standort doch etwas weiter weg sei von den Headquarters, also den Verwaltungszentralen. Das darf man in Stuttgart durchaus als Spitze verstehen – und als Hinweis darauf, dass auch andere Standorte Jobs sichern und ausbauen wollen.

E-Motoren brachten die Wende

Noch vor wenigen Jahren wurde über das Aus des Werks diskutiert, an dem bisher Komponenten für den Verbrennerantrieb gebaut wurden. Dann kam die Wende: Der Konzern beschloss, in Marienfelde Hochleistungsmotoren für E-Fahrzeuge zu bauen und erhob das Werk zudem zum Kompetenzzentrum für Digitalisierung im weltweiten Produktionsnetzwerk von Mercedes. Dieser „Digital Factory Campus“ hat nun offiziell den Betrieb aufgenommen.

Das Werk, so Burzer, sei auf einmal ein ganz wichtiger Teil des Produktionsnetzwerks geworden, aus dem es heute nicht mehr wegzudenken sei. Am ältesten Produktionsstandort des Unternehmens habe man einen „Leuchtturm der Transformation“ geschaffen. Vorstandschef Ola Källenius erklärt, der Autobauer stelle sich von innen heraus ganz neu auf, und Marienfelde stehe wie kein anderer Standort für diese Transformation. Der Wandel von einem Standort für konventionelle Antriebskomponenten hin zur Innovationsdrehscheibe für Software und zum Produktionsstandort für E-Motoren zeige, „wie wir den Übergang in eine neue digital-elektrische Ära gemeinsam gestalten können“. Mehr Lob geht kaum.

Pionierfabrik für Digitales

Berlin ist eine Pionierfabrik, in der digitale Technologien entwickelt, erprobt und in die Produktionsprozesse eingeführt werden. Von dort aus sollen sie dann als Blaupause in alle Welt gehen. Dabei geht es insbesondere um die Entwicklung der MO360-Anwendungen, die schon jetzt weltweit die Produktion standardisieren und effizienter machen sollen. Dabei, so Burzer, geht es beispielsweise um die Frage, wie sich ein Roboter in der Fertigung möglichst energiesparend bewegt und wie er vorausschauend erkennen kann, wann eine Instandhaltung notwendig ist. Schließlich verursachen sowohl verfrühte als auch verspätete Reparaturen unnötige Kosten und womöglich sogar Produktionsausfälle. Die Berliner Beschäftigten, die vor allem vom Band kommen, sollen dabei ihr Produktionswissen nutzen, um eine möglichst effiziente Software zu entwickeln.

Zu den Standortvorteilen von Marienfelde gehört laut Burzer außer einer motivierten und flexiblen Belegschaft auch das Berliner Ökosystemen mit seiner ausgezeichneten Wissenschafts- und Startup-Landschaft. Viele Beschäftigte dort interessierten sich fürs Programmieren und schrieben auch in ihrer Freizeit schon Codes. Das helfe ihnen, die zwölfmonatige Ausbildung zu absolvieren, bei der sie zu Software-Entwicklern umgeschult werden. Zudem arbeitet das Unternehmen dort nach eigenen Angaben mit einem breiten Spektrum an Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, etwa Universitäten, Forschungseinrichtungen und innovativen Industrieunternehmen.

Zusammenarbeit mit Siemens

Besonders hebt Mercedes die Zusammenarbeit mit dem Siemens-Konzern hervor, der sein Knowhow im Bereich der Automatisierung, der Software und der intelligenten Infrastruktur einbringe. Optimierte Algorithmen in der angewandten Robotik ermöglichten es, „energieeffizienter zu agieren und Produktionszeiten zu verringern“.

Marienfelde baut bislang vor allem Komponenten und Motoren für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Der letzte Dieselmotor hat das Werk in der vergangenen Woche verlassen, wie Digital-Factory-Leiter Matthias Ziege sagte. Die Elektromotoren-Produktion soll frühestens 2025 beginnen. Insgesamt arbeite Mercedes daran, die Zukunft der 2350 Beschäftigten am Standort zu sichern, wie Ziege sagte.

Vor zwei Jahren hatten Arbeitnehmervertreter noch den Wegfall der Hälfte der Arbeitsplätze in dem 1902 eröffneten Mercedes-Werk oder gar dessen Schließung befürchtet. Zahlen zur erwarteten Zahl der Arbeitsplätze an dem Standort in den kommenden Jahren will Burzer nicht nennen. Diese hänge vor allem davon ab, wie schnell die E-Mobilität vorankomme, die an dem Standort eine immer größere Rolle spielt.