„Das Singen ist gut für die Seele“

Da die Auflagen für Chorproben noch immer sehr streng sind, gibt es in Backnang seit einigen Wochen ein Angebot zum gemeinsamen Singen unter freiem Himmel. Für eine Stunde kommen Sänger aus ganz verschiedenen Chören zusammen.

„Das Singen ist gut für die Seele“

Offenes Singen mit Abstand. Im Garten des Gemeindehauses Heininger Weg können Interessierte dienstags gemeinsam singen. Foto: T. Sellmaier

Von Kristin Doberer

BACKNANG. „Ganz schlimm war das“, sagt Elke Kunzi, „furchtbar“, meint Christine Gottwald und Andrea Weidner sagt: „Das war das schlimmste an der Coronazeit. Alles andere, das ausgefallen ist, war gar nicht so schlimm. Aber das Singen, das hat am meisten gefehlt.“ Die Frauen sprechen über die Zeit vor einigen Wochen, in der das öffentliche Leben zurückgefahren wurde und darüber, was es für sie bedeutet hat, dass keine Chorproben mehr stattfinden konnten. Eigentlich singen sie nicht im selben Chor, doch nun kommen sie und etwa 40 weitere Sänger einmal pro Woche zum offenen Singen zusammen.

Denn für Chorproben gibt es weiterhin strenge Auflagen, vor allem die Abstandsregeln erschweren die Chorproben. „Bei größeren Chören mit mehreren Sängern ist das einfach nicht machbar“, sagt Hans-Joachim Renz, Kantor der Evangelischen Stiftskirchengemeinde Backnang und der Initiator der wöchentlichen Singstunde. Zum dritten Mal fand das Singen im Garten des Gemeindehauses nun statt. Die Idee zum offenen Singen hat der Chorleiter von einem ähnlichen Angebot aus Murrhardt. Zunächst habe er sich nur an Mitglieder von Kirchenchören gewandt, bevor er auch die Allgemeinheit zum Singen eingeladen hat. „Alle können mitsingen. Es gibt nicht den Druck, dass jede Note stimmen muss und egal, ob sie eigentlich in einem anderen Chor sind oder auch in gar keinem.“

Das offene Singen findet bei gutem Wetter jeden Dienstag statt.

Und da es rein um den Spaß am Singen geht, gebe es auch keinen Druck, bei jedem Singen anwesend zu sein. Eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig, nur die Angabe der Daten vor Ort. „Da Jeder kommen kann, ist es nicht schlimm, wenn jemand mal keine Zeit hat oder es einfach nicht passt.“ Ihn habe es deshalb sehr überrascht, wie viele Sänger regelmäßig jede Woche wieder auftauchen. Die Rückmeldungen seien allgemein sehr positiv, viele Leute bedanken sich ausdrücklich für das Angebot.

Das offene Singen findet nur bei gutem Wetter statt, per Bandaufnahme auf einem extra geschalteten Anrufbeantworter können Interessierte aktuell abhören, ob die Singstunde stattfindet oder nicht. Mindestens bis in den August hinein will Renz das Singen im Garten anbieten. Dabei sind nicht nur Sänger da, die in von Renz geleiteten Chören singen, sondern auch aus vielen verschiedenen Chören und Kirchengemeinden – von Chören der Markuskirche, der Matthäuskirche, aus Waldrems, Maubach, Steinbach und Weissach.

Für die Anwesenden war es eine große Erleichterung, dass sie wieder gemeinsam Singen können, wenn auch mit Abstand. „Der Klang im Garten ist nicht so überragend“, sagt Gottwald. Man könne die anderen Sänger zum Teil gar nicht hören. Das nimmt den Sängerinnen aber nichts von dem positiven Erlebnis, die Atmosphäre im Garten sei trotzdem gut, so Weidner. Viel Abwechslung in der Songauswahl und immer wieder neue Lieder, die das eigene Repertoire erweitern, mache es auch spannend. Sogar Liedwünsche werden in das Programm der kommenden Woche aufgenommen. „Einfach frei weg singen, das ist so gut für die Seele“, sagt Gottwald. Sie freue sich immer dienstags auf das offene Singen und gehe danach absolut entspannt und fröhlich wieder nach Hause.

Renz versucht, eine breite Liedauswahl zu treffen, damit möglichst viele Sänger die Lieder kennen, damit aber auch von verschiedenen Richtungen etwas dabei ist. Trotz aller Abwechslung, sucht er die Lieder, Kanones und Choralsätze aus dem „Evangelischen Gesangbuch“ und aus dem Liederheft „Wo wir dich loben – plus“ aus. „Wenn wir zu viele verschiedene Musikrichtungen nehmen, wird es zu kompliziert“, sagt Renz. „Und die meisten kennen die Lieder aus diesen Büchern.“ Damit alle auf Abstand bleiben, bekommt jeder Sänger seine eigenen Noten bevor es losgeht. Etwa zehn Lieder werden in der Stunde am Dienstagabend gesungen, Renz wählt die Lieder ganz bewusst aus. Zu Beginn Loblieder, Lieder über Gottvertrauen, Abendlieder und zum Abschluss ein Segenslied. „Und eben Lieder, die gut hier in den Garten passen“, sagt er. Zu jedem Lied erzählt er kleine Anekdoten oder Hintergrundwissen zu den Komponisten, welche die Anwesenden zum Lachen bringen sollen.

Hin und wieder weist Renz auf Besonderheiten in der Melodie hin: „In der Mitte ist eine Pause, da nicht rein singen“, ruft er vom Klavier aus in die Runde. Kompliziertere Notenabfolgen singt er einmal vor, schwierige Strophen lässt er mehrmals wiederholen und beim Kanon weist er die Gruppen genau auf den richtigen Einsatz hin. Mit einer Chorprobe hat das Singen insgesamt trotzdem wenig gemeinsam. Aber das sei auch gar nicht das Ziel der Veranstaltung. „Es geht darum, dass die Leute überhaupt wieder gemeinsam Singen können“, sagt Renz.

Bei gutem Wetter findet das offene Singen jeden Dienstag um 19.30 Uhr im Garten des Gemeindehauses Heininger Weg statt. Unter 07191/83633 können Interessierte erfahren, ob das Singen am jeweiligen Tag stattfindet. Willkommen ist Jeder, ob Chormitglied oder nicht.