Das ungewisse Geschäft mit den Autos

Angesichts der Lieferengpässe sind Neu- und Gebrauchtwagen knapp auf dem Markt. Andererseits fürchten Händler aus Backnang und der Region um ihre Kundschaft. Noch warten manche Leute monatelang auf ihr gewünschtes Produkt, doch die Kaufkraft sinkt bereits.

Das ungewisse Geschäft mit den Autos

Der Backnanger Autoverkäufer Lothar Buchfink bleibt trotz wirtschaftlicher Schieflage optimistisch. Foto: Jörg Fiedler

Von Anja La Roche

Rems-Murr. Wer derzeit ein neues oder gebrauchtes Auto kaufen möchte, muss je nach Marke und Produkt lange darauf warten. Die Autohersteller und Händler leiden noch immer unter Lieferschwierigkeiten und Materialengpässen, unter anderem infolge der Coronapandemie. „Es ist eine schwierige Zeit, jetzt noch schwieriger als letztes Jahr“, sagt der Backnanger Autohändler Lothar Buchfink. Die befragten Händlern scheinen die Verluste aber noch gut abfedern zu können. Doch der Blick in die Zukunft ist sorgenvoll. „Es ist bereits eine Kaufzurückhaltung zu spüren“, berichtet David Fais von der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart über den Rems-Murr-Kreis.

Lothar Buchfink bleibt hingegen optimistisch. „Wir backen kleinere Brötchen, aber wir backen Brötchen“, so hat er unserer Zeitung vergangenen Herbst die Situation beschrieben, und mit diesen Worten beschreibt er auch die aktuelle Lage. Beklagen könne er sich noch nicht, seinem Betrieb gehe es noch gut. Dennoch vermutet er: „Die Lawine rollt erst auf uns zu.“

Die Neuzulassungen sind zurück gegangen

Besonders problematisch für Neuwagenhändler ist derzeit, dass ihre Hersteller ihnen teilweise keine Produkte mehr liefern. „Welche Auswirkungen das hat, lässt sich in Zahlen fassen“, sagt Christian Reher, Geschäftsführer der Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Region Stuttgart, zu welcher auch der Rems-Murr-Kreis gehört. In den ersten sieben Monaten 2022 wurden etwa 800 weniger Neuwagen zugelassen, als im selben Zeitraum 2021. Das entspricht einem Einbruch von rund 9,7 Prozent.

„Wir sprechen hier von einem Umsatzverlust von rund 24 Millionen Euro“, so Reher. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist der Umsatz in den ersten sieben Monaten um etwa 41 Prozent eingebrochen. Schwierig sei dabei, dass die Händler nur bereits ausgelieferte Autos in Rechnung stellen könnten, ergänzt Innungsobermeister Torsten Treiber. In Baden-Württemberg ist die Lage insgesamt ähnlich (siehe Infokasten).

Hersteller bevorzugen die Produktion von teureren Autos

Laut Treiber verursachen besonders der Teile- und Chipmangel die Knappheit der Fahrzeuge auf dem Markt. „Unsere Hersteller haben besonders mit Halbleitern und Kabelsträngen Schwierigkeiten“, berichtet etwa Andreas Möhle, der ein Autohaus in Aspach betreibt. Der Mangel an Neuwagen könne laut Möhle, aber auch laut Treiber von der Kfz-Innung daran liegen, dass die Hersteller die verfügbaren Teile ganz bewusst in die höherpreisigen Fahrzeuge einbauen würden. Dadurch würden die weniger lukrativen Modelle nicht oder in nicht ausreichenden Mengen produziert. Das müsse aber nicht unbedingt schlecht für den Händler sein, so Treiber. Jedoch müssen Kunden dadurch länger auf ihr Fahrzeug warten.

Aber auch die Transportwege sind laut dem Obermeister der Innung mitunter ausschlaggebend für das knappe Neuwagenangebot. Probleme könne es etwa geben, wenn die Modelle mit Schiffen importiert werden. Bei Lothar Buchfink gibt es ein anderes Problem: Bei ihm habe der Hersteller aus Japan Probleme, seine Produkte zu liefern, weil die Flugzeuge normalerweise über die Ukraine liefern würden. Dort ist der Luftraum allerdings aufgrund des dort herrschenden Krieges gesperrt.

Der Mangel an Neuwagen wiederum wirkt sich bereits negativ auf die verfügbare Anzahl an Gebrauchtwagen auf dem Markt aus. Das Problem sei unter anderem, dass die Verträge von Leasingfahrzeugen verlängert werden müssen, weil eben kein Neuwagen für einen neuen Leasingvertrag für den Kunden zu Verfügung steht, so Torsten Treiber. Dadurch fehlen wiederum die Autos auf dem Markt, die nach Ablauf des Leasingvertrags als Gebrauchtwagen verkauft werden. Die Folge: „Die Preise bei den Gebrauchtwagen sind exorbitant nach oben gegangen“, sagt Autohändler Andreas Möhle.

Auch Lothar Buchfink bestätigt einen Anstieg der Preise, betont aber auch den Vorteil für Kunden: Der Wert eines vor ein, zwei Jahren gekauften Gebrauchtwagens ist dadurch nämlich nicht gefallen. Der Backnanger Händler Rojhat Haykir bringt noch einen weiteren Aspekt ein. Weil im Leasingbereich viele seiner Kunden zu lange warten müssten, würden sie schließlich vom Vertrag zurücktreten. „Das ist nicht schön“, kommentiert er die Situation.

Je nach Angebot wirkt sich die Krise unterschiedlich auf die Branche aus

Wie sich die Faktoren auf das Geschäft eines Autohauses beziehungsweise einer Werkstatt auswirken, ist dabei offensichtlich stark unterschiedlich. So berichtet Möhle, er könne die Verluste aufgrund fehlender Neuwagen mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen ausgleichen. Rainer Äckerle wiederum berichtet genau das Gegenteil. Laut dem Kreisvorsitzenden der Kfz-Innung würde der Mangel dort so stark sein, dass die reinen Gebrauchtwagenhändler die Krise am stärksten treffen würde. „In meinem Betrieb in Korb steht nur noch ein Bruchteil der Gebrauchtfahrzeuge zum Verkauf bereit, die wir vor Corona und dem Ukrainekrieg hatten“, sagt er. Dies könne er allerdings bislang noch über das Werkstättengeschäft ausgleichen.

Sorge bereitet den Autohändlern und -dienstleistern zudem auch der sich wandelnde Markt hin zur Elektromobilität. Die Förderung von Plugin-Hybrid-Autos läuft Ende dieses Jahres aus, die der E-Fahrzeuge wird reduziert, soll künftig aber ebenfalls auslaufen. „Wir haben deshalb gefordert, dass das Bestelldatum maßgeblich für die Förderungshöhe sein soll, warten aber noch auf eine entsprechende Entscheidung der Bundesregierung“, teilt Innungsgeschäftsführer Christian Reher mit. Autohändler Andreas Möhle befürchtet zukünftig aufgrund zunehmender Elektromobilität sinkende Einnahmen im Bereich der Fahrzeugreparaturen.

Für die Kunden heißt es, Geduld beim Kauf eines Fahrzeugs mitzubringen

Was bedeutet das alles für die Kunden? Das komme ganz darauf an, erklärt Rainer Äckerle. „Wenn es ein Gebrauchtwagen sein soll, ist das Angebot wie gesagt recht ausgedünnt. Wenn es ein Neuwagen sein soll, drohen je nach Marke Lieferfristen.“ Das könne allerdings sehr verschieden sein. So würden große Handelsgruppen und Importeure noch immer viele Fahrzeuge verfügbar haben, wie etwa das Backnanger Autohaus Mulfinger. Dieses bietet derzeit noch etwa 190 Neufahrzeuge auf seiner Internetseite an.

Und dann müsse man sich je nach Preisklasse auf unterschiedliche Wartezeiten einstellen, berichtet Andreas Möhle. Im Mittelklassebereich seien es bei ihm zwei bis vier Monate, bei Kleinwagen sei es länger, Transporter hingegen seien sofort verfügbar. Lothar Buchfink berichtet von hohen Preisen für Zubehör und Ersatzteile. „Besonders die Winterreifen sind für unsere Kunden teuer geworden“, so der Autohändler. Wer jetzt einen Neuwagen bei ihm bestelle, müsse etwa bis Dezember oder Januar warten. Anderswo betrage die Lieferzeit sogar über ein Jahr, so Buchfink.

Die Branche steht vor einem großen Wandel

David Fais von der Industrie- und Handelskammer, weist zudem daraufhin, dass die Probleme der Branche noch viel weiter reichen: Es gebe eine komplizierte Gemengelage, zu der auch Zinssteigerung, Elektrifizierung, Digitalisierung und in besonderem Maße der Fachkräftemangel gehören würden. „Die Situation wird in den nächsten Jahren herausfordernd sein. Die Branche muss sich auf einen spürbaren Wandel einstellen“, so Fais. Doch zunächst einmal blicken die Händler und Werkstattbesitzer in eine ungewisse Zukunft. „Wenn die Verbraucher kein Geld mehr haben, können sie kein Auto kaufen oder reparieren lassen“, bringt es der Winnender Händler Wolfgang Link auf den Punkt.

So sieht es im Ländle aus

Schrumpfende Zahlen Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg meldet landesweit 198 400 Neuzulassungen in der ersten sieben Monaten 2022. Das liegt rund 45 Prozent unter dem Vorkrisenniveau (2019: 358 160).

Schlechte Prognose Der Präsident des Verbands Michael Ziegler sorgt sich ebenfalls um die Kaufbereitschaft der Kunden: „Im Juli ist der Auftragseingang bereits um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen.“