Das Vertrauen der Gläubiger ist wichtig

Die Pflicht für Unternehmen, bei drohender Schieflage einen Insolvenzantrag zu stellen, war coronabedingt ausgesetzt worden, gilt aber seit Kurzem wieder. Wir sprechen dazu mit Frank Schäffler, der aus Aspach stammt und ein Fachmann auf dem Gebiet ist.

Das Vertrauen der Gläubiger ist wichtig

Frank Schäffler, der aus Aspach stammt, ist ein Fachmann in Insolvenzfragen. Foto. J. Fiedler

Von Bernhard Romanowski

Corona hat viele Betriebe unverschuldet in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. Staatliche Hilfen sind geflossen, reichen aber in vielen Fällen absehbar nicht aus. Seit Kurzem gilt außerdem wieder die alte Regelung zur Insolvenzantragspflicht. Betriebe und Freiberufler, die überschuldet oder drohend zahlungsunfähig sind, müssen nun wieder einen Insolvenzantrag stellen – das mussten sie coronabedingt im vergangenen Jahr nicht. Haben Fachleute wie sie nun Hochkonjunktur?

Von „Hochkonjunktur“ mag ich im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen nicht sprechen. Die staatlichen Liquiditätshilfen in Form von Zuschüssen und Krediten sowie das Kurzarbeitergeld haben Unternehmen geholfen, in diesem für viele sehr schwierigen letzten Jahr wirtschaftlich zu bestehen. Wir unterstützen dort, wo Geschäftsführer Hilfe suchen, ihre besonderen Pflichten und Haftungsrisiken in der Krise einzuschätzen und zeigen ihnen bei Bedarf auf, welche Sanierungschancen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder ein außergerichtliches Restrukturierungsverfahren bietet.

Und wie gehen Sie an so etwas heran?

In der Krisenberatung sind immer einige zentrale Fragen vorab zu klären: Wo steht das Unternehmen? Wo möchte es hin? Was sind die Ursachen für die Krise? Welche Schritte oder Instrumente sind notwendig, um die Krise zu bewältigen und so wieder seine Ziele zu erreichen? Welche Werkzeuge aus den gesetzlichen Sanierungsverfahren sollten zum Einsatz kommen?

Sie haben auch den Sanierungsplan für das Erlebnishotel Sonnenhof in Aspach erstellt. War das eine besondere Herausforderung?

Die Voraussetzungen zur Bewältigung der Krise sind immer dann besonders gut, wenn der Unternehmer sich frühzeitig mit diesen Fragen auseinandersetzt, einen klaren Plan verfolgt und das volle Vertrauen der Gläubiger genießt. Die extrem kurze Verfahrensdauer im Fall Erlebnishotel Sonnenhof zeigt, dass der Sonnenhof hier ein besonders positiver Fall war: Es lagen gerade einmal drei Monate und neun Tage zwischen Stellung des Insolvenzantrags und der hundertprozentigen Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan.

Auf welche Warnsignale sollten Unternehmen unbedingt hören, wenn es wirtschaftlich nicht gut läuft?

Jedes Unternehmen sollte mindestens für die kommenden zwei Jahre eine solide Geschäftsplanung aufstellen und dabei Gewinne und Verluste, die Bilanz und den Cashflow im Blick haben. Zeigt der Plan für das zweite Jahr, dass die Liquidität nicht mehr reichen wird, so liegt drohende Zahlungsunfähigkeit vor und es besteht dringender Handlungsbedarf. In diesem Stadium besteht auch Zugang zum neuen außergerichtlichen Restrukturierungsverfahren.

Wann müssen Unternehmer aktiv werden und einen Insolvenzantrag stellen?

Tritt planerisch in den kommenden zwölf Monaten eine Liquiditätsunterdeckung ein, so entfällt die sogenannte positive Fortbestehensprognose. Das heißt: Man geht davon aus, dass das Unternehmen wirtschaftlich nicht überleben wird. Dann muss die Geschäftsleitung einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen.

Und wenn die Geschäftsleitung das nicht macht?

Tut sie dies nicht, macht sie sich strafbar, und es drohen existenzbedrohende Haftungsrisiken. Der Insolvenzverwalter kann nämlich grundsätzlich jede Zahlung, die in der Phase der Insolvenzverschleppung noch geleistet wird, vom Geschäftsführer zurückfordern. Daneben drohen Ansprüche von Geschäftspartnern, wenn etwa noch Bestellungen ausgelöst und Gläubiger geschädigt werden.

Es gibt aber auch Alternativen zum klassischen Insolvenzverfahren, richtig?

Seit 1. Januar 2021 bietet das schon erwähnte außergerichtliche Restrukturierungsverfahren die Chance, eine bilanzielle Sanierung auch gegen den Willen einzelner Gläubiger ohne Insolvenz durchzusetzen.

Welche Vorteile bietet das?

Dieses Verfahren kann beispielsweise helfen, wenn die Schuldenlast zu hoch ist oder wenn zur Aufnahme frischen Eigenkapitals der Widerstand einzelner Gesellschafter überwunden werden muss. Auch wenn sich Meinungsverschiedenheiten in einem Bankenkonsortium zulasten des Unternehmens auswirken, kann das Verfahren sinnvoll sein.

Wie hart hat die Coronakrise die Unternehmen in der Region getroffen, soweit Sie das überblicken können?

Das ist nach meiner Wahrnehmung sehr branchenabhängig. Besonders hart getroffen sind natürlich beispielsweise der Einzelhandel oder die Hotelbranche. Viele regionale Unternehmen des Maschinenbaus oder der Zulieferindustrie sind aber bislang besser als zunächst befürchtet durch die Krise gekommen.

Wo finden die regionalen Unternehmer Unterstützung?

Wenn Krisenanzeichen auftreten, ist es vor allem wichtig, dass jeder Geschäftsführer die wesentlichen Pflichten und Handlungsoptionen genau kennt und sich diese – falls nötig – präzise erläutern lässt. Ob und, wenn ja, welche weitere Unterstützung der Geschäftsführer dann für erforderlich hält und wer diese leisten kann, hängt vom konkreten Einzelfall ab.

Es geht darum, sich das entsprechende Know-how zu verschaffen?

Es kann zum Beispiel sein, dass der Steuerberater beim Planungsprozess zur Haftungsvermeidung insolvenzrechtliche Unterstützung benötigt. Häufig möchte auch der Geschäftsführer einen Strategieworkshop gemeinsam mit dem Steuerberater des Unternehmens, einem Insolvenzexperten und dem Gesellschafter machen, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen.

Wie kam es eigentlich, dass Sie sich auf diesen Bereich spezialisiert haben?

Ich hatte im Referendariat eher zufällig erste Berührungspunkte mit Krisenmandaten. Im Unterschied zu vielen anderen Rechtsgebieten ist in der Krisenberatung nicht nur die rechtliche, sondern auch die wirtschaftliche Seite sehr wichtig. Außerdem sind die Gestaltungsmöglichkeiten wahrscheinlich so groß wie in keinem anderen Gebiet. Aufgrund der häufig existenziellen Situation spielt außerdem die menschlich-psychologische Seite eine besondere Rolle. Das hat mich fasziniert, und so habe ich mich zum Berufseinstieg 2004 gezielt bei einer Spezialkanzlei für Sanierung/Restrukturierung beworben.

Frank Schäffler

Alter: 46 Jahre; 4 Kinder; aufgewachsen in Aspach-Rietenau, Abitur 1994 am Gymnasium in der Taus Backnang, Zivildienst in der Laufenmühle/Welzheim, Studium in Konstanz und Manchester (England); Rechtsanwalt seit 2004; seit 2012 Partner bei Menold Bezler. Die Kanzlei hat insgesamt zirka 300 Mitarbeiter, davon 120 Berufsträger. Frank Schäffler leitet bei Menold Bezler den Bereich Sanierung/ Restrukturierung.