Männer können keine Kinder kriegen? Das Seepferdchen trotzt dieser traditionellen Geschlechterrolle. Wie das funktioniert, hat die Uni Konstanz jetzt erforscht.
Tschüss Papa: die Jungtiere verlassen die Bruttasche eines männlichen koreanischen Seepferdchens.
Von Eberhard Wein
Das hat schon Oma immer gesagt: Wenn die Männer fürs Kinderkriegen zuständig wären, wäre die Menschheit längst ausgestorben. Denn wer durch einen Männerschnupfen zum Intensivpflegefall wird, der ist den Strapazen von Schwangerschaft und Geburt nie und nimmer gewachsen. Der Mensch ist dabei aber in guter Gesellschaft. Im gesamten Tierreich ist dieses Feld Frauensache. Sollten sich im Laufe der Evolution die Männchen einer Art am Kinderkriegen versucht haben, dann wäre ihr Schicksal ein Beleg für Omas Weisheit: Die Tierart ist auf jeden Fall ausgestorben – mit einer einzigen Ausnahme allerdings: dem Seepferdchen.
Bei den possierlichen Wassertierchen mit dem lateinischen Namen Hippocampus herrschen tatsächlich vertauschte Geschlechterrollen. Das Weibchen legt beim Geschlechtsakt seine Eier in eine spezielle Bruttasche am Bauch des Männchens. Für die Versorgung ist fortan das Männchen zuständig, das dafür sogar eine Art Plazenta ausbildet.
Keine weiblichen Hormone im Spiel
Ein deutsch-chinesisches Team um den Konstanzer Evolutionsbiologen Axel Meyer hat jetzt das Wunder der männlichen Schwangerschaft erforscht und Erstaunliches herausgefunden. „Unsere Untersuchungen bestätigen, dass Androgene – also männliche Sexualhormone – anstelle von klassischen weiblichen Hormonen bei der Entwicklung der Embryos in der Bruttasche eine zentrale Rolle spielen“, sagt Meyer.
Durch Zufall sind die Seepferdchen-Männer zu ihrer ungewohnten Rolle gekommen. Die Fachleute sehen die Seepferdchen dabei als ein hervorragendes Modell, bei dem die evolutionäre Entwicklung von der eierlegenden Fortpflanzung zur Lebendgeburt beobachtet werden kann. Irgendwann seien die „klebrigen Eier“ am Bauch des Männchens hängen geblieben. Drumherum habe sich im Laufe der Jahrtausende die Bruttasche entwickelt.
Wie Männchen die Hormonabwehr überspielen
Auch der Blick auf das Immunsystem überraschte die Forscher. Üblicherweise sorgt ein spezielles Gen dafür, dass der weibliche Körper die Embryos nicht als Fremdkörper versteht und abstößt. Erstaunlicherweise fehle dieses Gen beim männlichen Seepferdchen, sagt Meyer. Dafür sorgen männliche Hormone für eine Unterdrückung der Immunabwehr. Sie merken also gar nicht so viel davon, was bei ihnen da so heranwächst.
Dass es ziemlich riskant ist, Männchen die Schwangerschaft zu überlassen, ist den Seepferdchen-Weibchen offenbar bewusst. Sie machen sich nach der Befruchtung deshalb auch nicht etwa aus dem Staub, sondern kommen täglich zur Kontrolle vorbei. Sicher ist sicher.