Nach einer nächtlichen Horrorfahrt hat Verkehrsminister Hermann die Bahngesellschaften angewiesen, Taxigutscheine auszugeben. Doch die Umsetzung dauert noch.
Manche Schaffner können solche Gutscheine im Notfall schon ausdrucken, aber nicht alle.
Von Eberhard Wein
Die Ausgabe von Taxigutscheinen an gestrandete Bahnfahrgäste im öffentlichen Nahverkehr ist für die Verkehrsunternehmen offenbar komplizierter als gedacht. Der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte die Einführung einer solchen Praxis angekündigt, nachdem mehrere Dutzend Fahrgäste auf der Fahrt von Würzburg nach Stuttgart nachts in Heilbronn nicht mehr weiter gekommen waren. Die Umsetzung laufe, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Wie die konkrete Ausgestaltung bei den einzelnen Verkehrsunternehmen aussehe, sei aber noch offen. „So eine Änderung ist nicht in wenigen Tagen umgesetzt“, räumte der Sprecher ein.
Demnach sind die Betreibergesellschaften bei der Umsetzung der Minister-Forderung offenbar unterschiedlich weit. So erklärte die Deutsche Bahn, deren DB Regio einen Großteil der Nahverkehrsstrecken im Land betreibt, dass schon jetzt Schaffner „im Zug unkompliziert Taxigutscheine erstellen und ausdrucken“ könnten. „So sorgen wir dafür, dass niemand auf halber Strecke stehen bleibt.“
Oft ist gar kein Personal mehr da
Allerdings gilt dies noch nicht auf allen Linien des Branchenführers. So kann das Zugpersonal, das bisher bei der SWEG Bahn Stuttgart tätig war, noch keine Gutscheine ausstellen. Die Bahn hatte die entsprechenden Strecken – darunter die Verbindungen von Tübingen über Stuttgart und Heilbronn nach Osterburken oder von Heilbronn nach Heidelberg und Mannheim – erst im August übernommen. Für eine Übergangszeit müsse man sich deshalb noch mit Kostenübernahmeerklärungen behelfen, hieß es.
Auch der DB-Konkurrent Arverio äußerte sich zurückhaltend. „Wie wir den Wunsch des Verkehrsministers alltagspraktikabel umsetzen können, prüfen wir gerade“, sagte eine Sprecherin. „Die Krux ist, dass oft kein Zugpersonal am Bahnsteig oder Bahnhof greifbar ist, wenn Fahrgäste den Anschluss zur letzten Zugverbindung verpassen oder diese ausfällt.“
Bis zu 120 Euro werden übernommen
Schon bisher ist in den Fahrgastrechten verankert, dass Taxi- oder Hotelkosten bis zur Grenze von 120 Euro pro Person erstattet werden, wenn der letzte Zug ausfällt und die Fahrgäste spätabends anders nicht mehr ans Ziel kommen. Dies gilt auch für Nutzer des Deutschland-Tickets, die sonst nur eingeschränkte Fahrgastrechte genießen. „Wir haben diese Kosten bisher auch erstattet“, sagte die Arverio-Sprecherin.
Doch die Erfahrung zeigt, dass Betroffene ihre Rechte häufig gar nicht kennen und ratlos am Bahnhof zurückbleiben. Zudem muss das Geld erst einmal ausgelegt und später die Rückerstattung beantragt werden. Viele fürchten, die Kosten am Ende doch nicht erstattet zu bekommen. Zudem gelten die Formulare als kompliziert. Vor allem wenn man das Papierformular bevorzuge, müsse man deutlich mehr Angaben machen als im Onlinebereich, sagte der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Joachim Bart.
Unklar ist bisher auch, wer die Taxigutscheine ausgibt, wenn mehrere Bahngesellschaften beteiligt sind. Bei der missglückten Reise von Würzburg nach Stuttgart hatte zunächst der Betreiber der Frankenbahn Arverio die Verspätung verursacht. Als letztes wurden die Fahrgäste dann noch mit einem Zug der Deutschen Bahn von Neckarsulm nach Heilbronn befördert, wo die Fahrt gegen Mitternacht – für diesen Zug dann auch fahrplanmäßig – endete. Für die gestrandeten Fahrgäste fühlte sich niemand zuständig.