Debatte nach Teslas Kritik an Genehmigungspraxis

dpa Berlin. Der US-Elektroautobauer Tesla kommt bei Genehmigungen für sein bald fertiges Werk bei Berlin nur mühsam voran - und die Kritik zieht Kreise. Nun steigt ein großer deutscher Industrieverband mit ein.

Debatte nach Teslas Kritik an Genehmigungspraxis

Das Baugelände der Tesla Gigafactory östlich von Berlin. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Nach der Kritik von Tesla am Genehmigungsverfahren für sein Elektroauto-Werk bei Berlin nimmt eine Debatte über Investitionen in Deutschland Fahrt auf.

Nun forderte auch der Bundesverband der Deutschen Industrie mehr Tempo bei Genehmigungsabläufen. „Komplexe und langwierige Verfahren mit mehrfachen Klageerhebungen und langen Gutachterschlachten sind schon bei überschaubaren Projekten die Regel geworden“, kritisierte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. „Das hemmt die Investitionstätigkeit hierzulande massiv und schreckt Investoren ab.“

Der BDI forderte unter anderem auch ausreichende Personalausstattung und Sachkompetenz in Behörden der Bundesländer sowie eine „Entschlackungskur“ für das Planungs- und Umweltrecht. „Die Herausforderungen des deutschen Umweltrechts sind im europäischen Vergleich einmalig, obwohl alle EU-Mitgliedstaaten die gleichen Vorgaben haben, sagte Lösch.

Tesla hatte unter anderem bemängelt, dass es 16 Monate nach dem Antrag noch keinen Zeitplan für eine endgültige Genehmigung des Bau seiner Fabrik in Grünheide gebe. Das „eklatanteste Problem“ sei, dass in Verfahren und Gesetzen Projekte, die den Klimawandel bekämpften, und solche, die ihn beschleunigten, gleich behandelt würden. Teslas Werk helfe durch Verbreitung von E-Mobilität im Kampf gegen die Erderwärmung, argumentiert der US-Konzern. Außerdem müsse man mögliche lokale negative Folgen für die Umwelt gegen positive Effekte im größeren Maßstab aufwiegen.

Die Bundesregierung ging auf Abwehrkurs. „Ich kenne derzeit kein anderes Projekt, für das auf allen Ebenen so viel getan wurde, um eine schnelle Realisierung zu gewährleisten, wie für das Vorhaben Tesla“, sagte der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), dem „Handelsblatt“.

Zugleich betonte er, das Tesla-Projekt zeige einen schwer lösbaren, „immer größeren Interessenkonflikt“ zwischen Artenschutz, Umweltschutz und Klimaschutz auf. Politik und Genehmigungsebene müssten immer mehr zwischen „dem Schutz des Lebensraums der Fledermaus oder der Eidechse und andererseits der Einhaltung unserer hohen Klimaschutzziele“ abwägen und Prioritäten setzen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

Bareiß räumte ein, „vor allem beim Mittelstand“ würden „Genehmigungsabläufe immer mehr zum Investitionshemmnis“. Binnen zehn Jahren hätten sich die Genehmigungszeiten verdoppelt. Doch seien mit dem neuen Investitionsbeschleunigungsgesetz „erste wichtige Schritte“ gemacht worden.

Teslas Stellungnahme war auch eine indirekte Attacke gegen die Bundesregierung: Der Autobauer äußerte sich in einem Verfahren zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der Bundesrepublik vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Die DUH fordert, dass die Bundesregierung dazu verurteilt werde, ein Programm aufzustellen, um das nationale Klimaschutzziel 2030 zu erreichen. Tesla reichte die Stellungnahme als „Freund des Gerichts“ ein - da es im Interesse des Verfahrens sei, die Erfahrungen zu teilen.

Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch nannte Teslas Brief „segensreich“, weil er Schwung in die Diskussion bringe, wie man die Überbürokratisierung zurückfahren könne.

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht nach der Kritik von Tesla Nachholbedarf für kürzere Genehmigungsverfahren. Es sei in den vergangenen Monaten und Jahren der großen Koalition einiges erreicht worden, sagte Altmaier. „Aber eben noch nicht genug.“ Es sei sicherlich noch viel Luft nach oben.

„Wir alle haben gewollt, das Tesla diese Investition in Brandenburg tätigt“, sagte Altmaier. „Wo es Probleme geben wird, wo sich das abzeichnet, da bin ich selbstverständlich bereit, gemeinsam mit Brandenburg, gemeinsam mit Tesla, nach Lösungen zu suchen.“ Altmaier fügte hinzu: „Wir haben in den vergangenen Monaten mehr als einmal auch auf dem kurzen Dienstweg Probleme aus dem Weg räumen können. Und ich bin überzeugt, das wird uns auch in Zukunft gelingen.“

Tesla will in Grünheide nach bisherigen Angaben im Sommer die Produktion aufnehmen und mit der Zeit 500.000 Autos pro Jahr fertigen. Der US-Konzern baut bisher mit vorläufigen Zulassungen. Die Bauarbeiten waren unter anderem nach Vorstößen zum Tierschutz mehrfach unterbrochen worden.

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