Dem Herzen auf die Sprünge helfen

„Backnang schockt – eine Stadt wird Lebensretter“ lockt viele Interessierte ins Backnanger Bürgerhaus – Infarkt vorbeugen

Wie entsteht ein Herzinfarkt? Welche Ursachen hat er und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? – Antworten auf diese und viele weitere Fragen gaben erfahrene Kardiologen gestern bei der Veranstaltung „Backnang schockt“ im Bürgerhaus. Aber nicht nur das: An Puppen konnten die Besucher unter der Anleitung erfahrener Sanitäter die Herzdruckmassage und die Anwendung eines Defibrillators üben.

Dem Herzen auf die Sprünge helfen

Sebastian Wörner vom DRK erklärt Karin und Michael Weik, wie ein Defibrillator und die Herzdruckmassage funktionieren. Foto: A. Becher

Von Yvonne Weirauch

BACKNANG. Jederzeit kann es passieren, zu Hause, beim Einkaufen, am Arbeitsplatz, beim Sport oder auf der Straße: Jemand bricht infolge eines Herzstillstands zusammen, liegt bewusstlos am Boden und atmet nicht mehr. Oder jemand klagt über länger anhaltende Schmerzen im Brustkorb, die auf einen Infarkt hindeuten könnten. In beiden Fällen ist sofortiges Handeln erforderlich.

„Ich habe noch nie eine Herzdruckmassage gemacht. Und ich hoffe eigentlich, dass ich auch nie in diese Lage kommen werde“, gibt Michael Weik offen zu. Der Backnanger ist einer von den Besuchern, der sich von Sebastian Wörner vom DRK zeigen lässt, wie eine Herzdruckmassage richtig durchgeführt wird und wie ein automatisierter externer Defibrillator (AED) eingesetzt wird.

Unter dem Titel „Backnang schockt – eine Stadt wird Lebensretter“ organisierten der DRK-Ortsverein Backnang, der Kardioverein Rems-Murr und die Stadt Backnang, eine öffentliche, kostenfreie Veranstaltung zum Thema „Erste Hilfe beim Herzinfarkt und plötzlichem Herzstillstand“.

Klaus-Dieter Fackler: „Das Herz ist so viel mehr als nur ein Organ.“

Ziel sei es, dass die Bürger so viele Informationen wie möglich bekommen und Übungen zu Maßnahmen der Lebenserhaltung und Wiederbelebung erhielten, so Klaus-Dieter Fackler, Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Backnang. Herzlichkeit, Herzensfreund, Herzensangelegenheit, Herzblatt, herzallerliebst – all diese Worte weisen auf etwas Besonderes hin: „Das Herz ist so viel mehr als nur ein Organ“, so Fackler in seinen Begrüßungsworten. Er freute sich, dass viele Besucher erschienen waren: „Das zeigt, dass Sie bereit sind, Leben zu retten.“

Ein überraschendes, wenn nicht gar wundersames Motto sei der Titel „Backnang schockt“, so Oberbürgermeister Frank Nopper: So manche Angelegenheit schocke in der Stadt, und auch der OB habe des Öfteren sein Umfeld geschockt – an diesem Tage stehe der Titel jedoch in einem ganz anderen Zusammenhang: „Backnang gegen den Herzinfarkt wird zur Herzenssache. Die Veranstaltung soll verhindern, dass wir im Notfall geschockt sind“, so der OB. Er freue sich, dass „Backnang schockt und die Stadt damit zur Lebensretterin wird“.

Welche Ursachen ein Herzinfarkt und plötzlicher Herztod haben, woran man Hinweise auf diese Krankheiten erkennen kann und welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, darüber referierten die Kardiologen Hans-Albrecht Scheuber und Ulli Parade. Die einprägendste Aussage dabei: „Die Zeit ist beim Herzinfarkt das Wichtigste und prognoserelevant.“ Zusätzlich wurde über das Defibrillatorennetz im Rems-Murr-Kreis informiert. Wie wichtig und entscheidend unter anderem solche Standorte und solche Veranstaltungen wie „Backnang schockt“ sind, darüber diskutieren Staatssekretär Wilfried Klenk, Landrat Richard Siegel, Thomas Brucklacher von der integrierten Rettungsleitstelle Waiblingen und der Geschäftsführer der Deutschen Herzstiftung, Martin Vestweber.

Ergreifend für die Zuhörer im Saal: die Geschichte von Rouven Gesierich. Der 47-Jährige berichtete eindrucksvoll mit Thomas Eul, Kardiologe und Vorsitzender des Kardiovereins Rems-Murr, wie er vor zwei Jahren einen Herzinfarkt erlitt. Weil die Rettungskette damals – am 27. September 2017 – perfekt funktionierte, hat Gesierich den Infarkt ohne bleibende Schäden überstanden. Er war auf dem Sportplatz in Waiblingen-Neustadt beim 3000-Meter-Lauf für das Deutsche Sportabzeichen gestartet und kurz vor Schluss plötzlich zusammengebrochen. Dass er heute noch am Leben ist, verdankt er unter anderem dem beherzten Eingreifen der Ersthelfer (wir berichteten), die eine Herzdruckmassage durchführten.

Um genau solch eine Anwendungsweise der Herzdruckmassage als Laie zu lernen beziehungsweise gezeigt zu bekommen, lagen im Foyer einige Übungspuppen – genauer gesagt, Puppenoberkörper – auf dem Boden. Erfahrene Sanitäter erklärten die Handgriffe und die Bedienung eines Defibrillators.

„Puuuuh, das ist aber ganz schön schwer. Da braucht man alle Kraft“, stellt eine junge Frau fest, die sich an einer Herzdruckmassage versucht. „Ja, das kann unter Umständen anstrengend werden“, so Sebastian Wörner vom DRK. Er zeigt, was zu tun ist: „Die eine Hand auf die untere Hälfte des Brustbeins platzieren, die andere Hand auf den Handrücken legen. Dann von oben senkrecht mit dem eigenen Körpergewicht und gestreckten Armen drücken – 100- bis 120-mal pro Minute.“

„Wann nimmt man den Defi und woher weiß ich, was ich damit machen muss?“, wird Wörner von einem Familienvater gefragt. „Der Defi wird dann eingesetzt, wenn das Herz noch eine entsprechende Leistung hat. Die Herzdruckmassage steht im Vordergrund“, sagt Wörner und weiter: „Der Defi ist dann hilfreich, wenn er zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt wird. Was genau zu machen ist, weist das Gerät an, es spricht mit Ihnen und gibt Anweisungen.“ Allerdings – und darauf weist Wörner bewusst hin – es erfordert eine hohe Konzentration, den Anweisungen des Geräts zu folgen: „Denn man sollte den Patienten eigentlich mit der Druckmassage nicht vernachlässigen. Deshalb ist es wichtig, dass man bei der Verwendung des Defis zu zweit Erste Hilfe leistet.“

Info
Plötzlicher Herzstillstand – Was der Ersthelfer machen sollte: prüfen, rufen, drücken

Erster Schritt – prüfen: Es sollte zuerst bei der am Boden liegenden Person geprüft werden, ob sie tatsächlich bewusstlos ist. Sprechen Sie die Person an: „Hören Sie mich?“ Wenn keine Reaktion erfolgt, schütteln sie die Person an den Schultern. Erfolgt immer noch keine Reaktion, kontrollieren sie die Atmung. Schnappatmung oder Röcheln sind typische Symptome für einen drohenden Herzstillstand.

Zweiter Schritt – rufen: Es sollte schnellstmöglich ein Notruf unter 112 abgesetzt werden. Wenn Sie in der Öffentlichkeit sind, versuchen Sie auf sich und die Situation aufmerksam zu machen und fordern Sie andere Personen auf, Ihnen zu helfen.

Dritter Schritt – drücken: Beginnen Sie mit der Herzdruckmassage. Machen Sie den Brustkorb frei. Knien Sie neben den Patienten, egal, ob rechts oder links. Legen Sie einen Handballen auf die Mitte des Brustkorbs und die andere Hand auf den Handrücken der anderen. Mit gestreckten Armen das Brustbein tief (fünf bis sechs Zentimeter) und schnell (100- bis 120-mal pro Minute) in Richtung Wirbelsäule drücken (zum Beispiel im Takt des Hits „Stayin‘ Alive“ von den Bee Gees). Nach jedem Drücken vollständig entlasten, ohne den Kontakt zwischen Hand und Brustbein zu verlieren. Die Massage wird so lange fortgeführt, bis das Rettungsteam eintrifft. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt Laien ausdrücklich, die Herzdruckmassage nicht durch Mund-zu-Mund-Beatmung zu unterbrechen.

Einsatz eines automatisierten externen Defibrillators (AED): Dieser wird nur dann angewendet, wenn mindestens zwei Helfer vor Ort sind und einer weiß, wo in unmittelbarerer Nähe ein AED installiert ist. So kann eine Person die Herzdruckmassage durchführen, während die andere den AED holt. Wenn der AED eingeschaltet ist, weist das integrierte Sprachmodul die nächsten Schritte an. Worauf geachtet werden sollte: Die Druckmassage darf nur unterbrochen werden, wenn das Sprachmodul Sie dazu auffordert, zum Beispiel während der Rhythmusanalyse und Schockabgabe. Bei der Schockabgabe darf der Patient nicht berührt werden.

Eine kurze Videoanleitung von einer Herzdruckmassage ist auch auf der Facebook-Seite der Backnanger Kreiszeitung zu finden.