Auch wenn Lisa Feller gern mit der Zweideutigkeit des Wörtchens „kommen“ spielt und es manchmal etwas schlüpfrig werden mag, unter die Gürtellinie geht es nie. Foto: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
Murrhardt. Wissen Sie, was ein Naggel ist? Nun, man kann es nur vermuten. Offenbar treibt er vor allem im Spaßbad sein Unwesen, wo er sich gemeinsam mit Grizzlybären, losem Haar und herrenlosen Pflastern unter die Besucher im Becken mischt. So berichtet Lisa Feller von ihrer ersten Begegnung mit dieser bisher unbekannten Spezies in einem nassen Vergnügungstempel, bei dem der Spaß schon an der Kasse beginnt: „Watt? 35 Ocken? Dat is so teuer, wer Durst hat, der trinkt ausm Becken!“ Sind die ersten Hindernisse einmal überwunden, die Kinder ins Wasser abgetaucht, will sich Mama Feller auch mal etwas gönnen. Mal sehen, was der Pommesstand so zu bieten hat. Und da tritt er dann zum ersten Mal in Erscheinung: „Vor mir die Dame, die bestellt Pommes und 20 Chicken Naggels.“ Nein! Es heißt nicht Naggels, möchte sie am liebsten losschreien, und freut sich dafür diebisch, als die Bedienung ganz trocken kommentiert: „Oh, Sie möchten gern Nuggets?“ Gebracht hat es wohl nicht viel, aber Feller hat eine neue Verbündete im Geiste gefunden.
„Ich komm jetzt öfter!“, so heißt das aktuelle Programm der Schauspielerin und Komikerin aus Münster, das sie nun auch im Rahmen der Winterkulturtage in Murrhardt präsentiert hat. „Als ich das geschrieben habe, dachte ich noch, das stimmt“, sagt sie – Pause. Bis sie anfängt zu kichern und das Publikum mit einstimmt. „Dann kam Corona.“ Ein Schelm, wer Schlüpfriges dabei gedacht hat. Oder doch nicht?
Voller Körpereinsatz, unschlagbarer Humor und feine Beobachtungsgabe
Mit feiner Beobachtungsgabe und unschlagbarem Humor lässt sie die Zuschauer in der Murrhardter Festhalle an ihrem Alltagsleben als alleinerziehende Mutter zweier Söhne teilhaben. Und auch mit vollem Körpereinsatz. Wenn sie von einer peinlichen Begebenheit berichtet, etwa von den Tücken der Autokorrektur beim Schreiben einer eigentlich unverfänglichen Nachricht an den Lehrer, dann windet und verknotet sie sich dermaßen, dass es fast schmerzt, dabei zuzusehen.
In ihren kleinen Alltagsepisoden kann sich jeder wiederfinden. Sei es beim Anstehen in der Schlange am Supermarkt (Mist, was sag ich zur Nachbarin, mit der ich eigentlich gar nicht sprechen will?), das Wettrüsten beim Kindergeburtstag (Was kommt als Nächstes, der Aufenthalt auf der ISS?), vor dem Pfandautomaten (Eine gute Übung für mehr Gelassenheit.), während der Lockdown-Zeit (Pubertierende – ein tolles Alter für Homeschooling.) oder auch ganz allgemein bei den Anekdoten über das Familienleben, insbesondere als Singlemama.
Die Künstlerin lässt das Publikum an ihren romantischen Träumen teilhaben
Ein Glück, dass es da Rosi gibt, den „Braunkohlebagger mit Seele“, wie Lisa Feller den Babysitter liebevoll beschreibt, um doch mal ein Date zu ermöglichen, wenn es denn mal gelungen ist, in diesen Zeiten eines zu ergattern – zumindest bis sich herausstellt, dass nicht die Luft vor Erregung vibriert, sondern das Handy auf dem Nachttisch. „Ja, Mäuschen, was gibt’s?“ – „Mir is warm.“ – „Ja, Mäuschen, dann leg doch die Decke weg.“ – „Ja, gute Idee.“ Tja, das war’s dann wohl mit der Romantik. Herrlich, wie Lisa Feller Stereotypen vorführt und das Publikum an ihren romantischen Träumen teilhaben lässt, und wie es der Titel ihres Programms vermuten lässt, spielt sie gern mit der Zweideutigkeit des Wörtchens „kommen“. Auch wenn es manchmal etwas schlüpfrig werden mag, unter die Gürtellinie geht es nie. Dafür spürt man ihre Freude, wieder auf der Bühne zu stehen, wenn sie strahlend ins Publikum ruft: „Geht’s euch denn gut? Es ist schön, nicht?“
Der Alltagsfundus, aus dem sie für ihr Programm schöpft, ist dabei schier unendlich, denn eine ihrer Erkenntnisse lautet: Blöde Situationen kann man nicht schneller ärgern. Daher lieber überlegen, was man daraus Witziges machen kann, anstatt sich aufzuregen. Das gelingt ihr ausgesprochen unterhaltsam, mit einer ordentlichen Portion Selbstironie. Und ist es nicht schön, wenn man dann von zwei jungen Zuschauerinnen folgendes Kompliment bekommt: „Wir fanden sie voll lustig und wir wollten Ihnen sagen – Sie nehmen einem wirklich die Angst vor dem Älterwerden.“