Demonstrative Zuversicht

Mercedes widersetzt sich mit neuen Modellen der Krise. Den Standorten aber geht es nicht gut.

Von Eidos Import

Wenn man Mercedes-Chef Ola Källenius zuhört, wie er vor internationalen Analysten die Geschäftszahlen präsentiert, kommt man nicht so leicht auf die Idee, dass sich das Unternehmen in einer tiefen Krise befindet. Seine Begeisterung über die neuen Modelle ist nicht gespielt. Der CLA, das neue E-Modell in der Kompaktklasse, hebe das gesamte Segment der Branche nach oben, sagt der Manager – mit völlig neuen Technologien, die künftig in der gesamten Modellpalette eingesetzt werden.

Die demonstrative Zuversicht steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zu den trüben Zahlen, die das Unternehmen ein weiteres Mal verkündete. Das Beste, was Källenius den Zahlen abgewinnen kann, ist der Umstand, dass sie allesamt den Prognosen entsprechen. Die Realität hat sich dieses Mal also nicht noch schlechter entwickelt als geplant. Und das, obwohl die äußeren Umstände immer schwerer vorherzusehen sind.

In rasender Geschwindigkeit stellt sich die Branche auf Veränderungen ein, von denen jede für sich das Zeug hat, Firmen fundamental zu erschüttern. Mit China ist der wichtigste Markt von Mercedes zu einem großen Teil weggebrochen, und das Beste, was man aus deutscher Sicht über die schwer berechenbare US-Zollpolitik sagen kann, ist, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können. Dass nun aber – trotz aller Vorsorge – bereits die nächste Chipkrise droht, weil Europas Industrie zwischen die Fronten eines eskalierenden Handelsscharmützels der Vereinigten Staaten mit China geraten ist, zeigt, wie unberechenbar das Wirtschaften geworden ist.

Gleichwohl verbreitet Källenius mehr als nur Zweckoptimismus. Ausgerechnet der CLA, das kleinste unter den neuen Fahrzeugen aus dem Hause Mercedes, demonstriert, welche Innovationskraft das Unternehmen auch und gerade in der Krise auszeichnet. In wenigen Tagen kommt das Fahrzeug nach einem guten Start in Europa auch auf den chinesischen Markt – und es gibt durchaus Anlass zu der Erwartung, dass man dort nach empfindlichen Einbußen endlich wieder Marktanteile erobern und ein starkes Zeichen gegen den Niedergang setzen kann.

Auch im Umgang mit den US-Zöllen gibt es Mittel und Wege, sich zu behaupten – und sei es in Form der Verlagerung von Wertschöpfung über den Atlantik. Für die Arbeitsplätze in Deutschland allerdings bedeutet dies nichts Gutes. Unisono bauen die großen Hersteller im großen Stil Stellen ab. Wie teuer die Arbeit in Deutschland ist, zeigte sich an einer eher beiläufigen Bemerkung von Finanzchef Harald Wilhelm bei der Präsentation der Quartalszahlen: Die Milliardenaufwendungen für Abfindungen ließen sich bereits innerhalb von zwei Jahren in Form von Einsparungen bei den Personalkosten wieder einspielen.

Allerdings werden Jobs nicht nur gestrichen, weil Aufträge ausbleiben – viele Arbeitsplätze werden auch in Ländern wie Ungarn neu aufgebaut, wo das Mercedes-Werk massiv vergrößert wird. „Go east“, sagte Finanzchef Wilhelm mit Blick auf die extrem niedrigen Kosten in Ungarn. Das zeigt schlaglichtartig, wie sich die Haltung gegenüber der Stammbelegschaft in Deutschland geändert hat, die jahrzehntelang Krisen als Letzte zu spüren bekam.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Es gibt zwar eine Jobgarantie für weitere neun Jahre – doch diese fällt dem Unternehmen leicht, weil durch die Alterung der Bevölkerung viele Menschen ohnehin in Rente gehen und sich selbst teure Abfindungsprogramme schnell rentieren.

Dem Unternehmen geht es nicht gut – aber es behauptet sich in der Krise. Von seinen deutschen Standorten allerdings kann man das heute nicht mehr behaupten.