Den Buchstaben Leben einhauchen

Leonie Kemmler aus Backnang-Strümpfelbach hat sich im Vorlesewettbewerb gegen starke Konkurrenz durchgesetzt und es bis zum Landesentscheid geschafft. Der Wettbewerb wird jährlich vom Börsenverein des deutschen Buchhandels ausgerichtet.

Den Buchstaben Leben einhauchen

Tausgymnasiastin Leonie Kemmler aus Strümpfelbach versteht es, lebendig und mit Enthusiasmus vorzulesen. Foto: J. Fiedler

Von Gabriella Lambrecht

BACKNANG. Dieses Jahr werden die Wettbewerbsbeiträge coronabedingt als Videos eingereicht. Wie die 13-jährige Schülerin des Backnanger Tausgymnasiums im Wettbewerb so weit gekommen ist, wird bei einem Besuch bei ihr zu Hause sichtbar und erlebbar.

Kaum begrüßt Leonie den Gast an der Tür, sprüht aus ihr das volle Leben. Sie hat ein offenes Wesen, ist witzig und durchaus eloquent. Sofort erzählt sie von ihren Hobbys und ihren Berufswünschen: Leonie möchte später am liebsten Nachrichtensprecherin oder Schauspielerin werden. Beides kann man sich auf Anhieb vorstellen.

Auf den Vorlesewettbewerb angesprochen, strahlen ihre Augen, und sie beginnt zu erzählen. In diesem Jahr war vieles anders. Die Bezirks- und Landesentscheide können nunmehr nur digital stattfinden, das heißt, gelesen wird nicht mehr vor Publikum, sondern ein Vorlesevideo wird auf eine Plattform hochgeladen und dann von einer hochrangigen, qualifizierten Jury bewertet. Wer glauben mag, dies sei leichter, der täuscht sich. Denn, wie Leonie erklärt, es haben ja alle Teilnehmer gleichermaßen die Möglichkeit, ihr Video zu perfektionieren. Die Konkurrenz sei damit auch stärker. „Außerdem spreche ich gerne vor Publikum“, fügt sie fröhlich grinsend hinzu.

Kurz darauf gewährt Leonie einen Einblick in ihre Lesekunst und liest aus einem ihrer Lieblingsbücher vor. Sie liest lebendig, voller Enthusiasmus, geht mit den Charakteren mit. Während der vorgetragenen Konfliktszene im Buch werden ihre Wangen röter, ihre Stirn legt sich in Falten, und die Stimme setzt sie entsprechend laut und schroff ein.

Die 13-Jährige taucht am liebsten ganz in die Geschichten ein.

Leonies Bruder Pascal, der ebenfalls anwesend ist und nebenher leise ein Buch liest, kann nicht umhin, seine Schwester zu beachten und staunend die Augenbrauen zu heben. Wenn Leonie liest, taucht sie ins Geschehen ein. „Deswegen lese ich auch am liebsten in den Ferien. Da habe ich Zeit, komplett in das Buch abzutauchen, und muss mich nicht ständig wieder losreißen.“ Vielleser kennen das Gefühl sehr gut.

Wie wird man aber zu so einer begeisterten Leserin? Leonies Mutter, Anja Kemmler, leistete dazu wohl einen wesentlichen Beitrag. Denn bei Familie Kemmler spielten Bücher schon immer eine große Rolle.

„Als die Kinder klein waren, verging kaum ein Tag, an dem nicht vorgelesen wurde“, berichtet Anja Kemmler. Mit einem sehr freundlichen Lächeln erinnert sie sich an die gemeinsamen Vorlesenachmittage zusammen auf der Couch mit Keksen. „Zudem hat Leonie sich schon immer für Buchstaben interessiert.“ Anja Kemmler erzählt amüsiert vom Buchstabenpuzzleteppich, den Leonie als Kleinkind hatte. „Leonie hat mir jeden Morgen die einzelnen Buchstaben ins Bad gebracht und gefragt, was das da ist, das sie in der Hand hat. Und es hat wirklich nicht lang gedauert, bis sie die Buchstaben überall erkannt hat und sie auch sprechen konnte.“

Heute liest Leonie die Buchstaben nicht nur, sondern haucht ihnen und den damit verbundenen Geschichten Leben ein. Besonders gerne liest sie Geschichten rund um die Themen Freundschaft, Familie und Liebe: „Ich lese eben gerne Geschichten, die aus dem wahren Leben sein könnten. Mit Mädchen wie ich und Dingen, die auch mir passieren könnten.“

Ihr Bruder Pascal, der ebenso gerne und viel liest, bevorzugt im Gegenteil Fantasyromane. „So verschieden können Kinder eben sein“, stellt Anja Kemmler grinsend fest und hat damit in jeder Hinsicht recht.

Wie es mit Leonie und dem Vorlesewettbewerb weitergeht, bleibt jedoch noch abzuwarten. Das Juryurteil wird erst Mitte Oktober bekannt gegeben.