Denkzettel für IG-Metall-Chef Hofmann

dpa Nürnberg. Jörg Hofmann galt an der Spitze der IG Metall bisher nicht als umstritten. Seine Wiederwahl geriet aber zu einem Denkzettel. Sie zeigt auch: Gewerkschaftspolitik im digitalen Zeitalter ist kein einfaches Unterfangen.

Denkzettel für IG-Metall-Chef Hofmann

Jörg Hofmann ist als IG-Metall-Chef wiedergewählt worden - mit einem eher mageren Ergebnis. Foto: Daniel Karmann/dpa

Schuss vor den Bug für den Gewerkschafts-Kapitän: Jörg Hofmann, seit 2015 Vorsitzender der IG Metall, ist mit dem zweitschlechtesten Ergebnis in der Geschichte seiner Organisation für weitere vier Jahre wiedergewählt worden.

Bei 71 Prozent Ja-Stimmen votierten beim Gewerkschaftstag in Nürnberg mehr als 130 der 478 wählenden Delegierten gegen ihn. Nur Jürgen Peters, dessen Wahl 2003 ein interner Machtkampf mit seinem Widersacher Berthold Huber vorausgegangen war, hatte mit 66,1 Prozent der Delegiertenstimmen ein noch schlechteres Ergebnis eingefahren.

Hofmann brauchte mehr als drei Stunden nach der Verkündung seines Ergebnisses, um schmallippig zuzugeben: „Es ist sicherlich eine Enttäuschung, das Ergebnis, andererseits ist es ein ehrliches Ergebnis.“ Es spiegle die Umbruchsituation, in der sich etliche Branchen der IG Metall befänden. Er zeigte sich jedoch auch kämpferisch und kündigte an, trotz seines vergleichsweise hohen Alters von 63 Jahren die volle Amtszeit von vier Jahren durchzuhalten. Erfahrung sei in schwierigen Zeiten nicht unbedeutend.

Und die Zeiten sind schwierig: Die IG Metall muss als Riesenorganisation mit 2,3 Millionen Mitgliedern klare Kante zeigen: Die als Vizechefin wiedergewählte und damit zur Kronprinzessin erhobene Christiane Benner hatte bereits zum Auftakt des Gewerkschaftstages rechtsgerichteten Strömungen eine klare Absage erteilt - wohlwissend, dass auch Metall-Arbeitnehmer nicht vor der Verlockung gefeit sind, ihr Kreuz bei Parteien wie der AfD zu machen.

Noch deutlicher wird der Spagat in der Klimaschutzdebatte: Die Gewerkschaftsführung mit Hofmann an der Spitze bekennt sich klar zum Klimaschutz, tritt für eine rasche und entschiedene Transformation etwa der Autobranche hin zu alternativen Antrieben ein. Bei zumindest einem Teil der Mitgliedschaft aber fließt Benzin in den Adern. In der Branche steht Kurzarbeit an. Beispiele wie der Zulieferer Conti zeigen: Personalabbau und Werksschließungen sind nach Jahren des Booms längst keine graue Theorie mehr.

Ein weiterer Faktor ist die immer noch nicht erreichte 35-Stunden-Woche im Osten. 30 Jahre nach der Einheit fehlt es nach Ansicht einiger Ostdeutscher an Solidarität in den Westbezirken, endlich gleiche Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Mag es Hofmann, Aufsichtsratsmitglied beim Autobauer VW und beim Zulieferer Bosch, in der Automobilbranche noch gelingen, die Fäden zwischen Traditionalisten und Modernisierern zusammenzuführen, fühlen sich die Arbeitnehmer anderer traditioneller Branchen längst nicht mehr ausreichend aufgehoben in der IG Metall.

„Wir kriegen den Wirtschaftskrieg voll zu spüren“, sagt Abdullah Yilmaz, Betriebsrat eines Stahlwerkes in Nordrhein-Westfalen, das schon die Hälfte seiner Mitarbeiter verloren hat. In der IG Metall aber werde zurzeit viel über Autos geredet. Wenn auf der futuristisch designten Bühne von Digitalisierung die Rede ist, passt das nicht allen. „Wir brauchen auch noch Kranfahrer“, sagt einer weiter hinten im Plenum.

Hofmann weiß das alles. Seit 2015 ist er Gewerkschaftschef, damals gewählt mit 91,3 Prozent der Stimmen. Seine Amtsführung gilt als solide. Die Zahl der Mitglieder steigt, die Beitragseinnahmen gehen nach oben, die IG Metall ist unter ihm attraktiver geworden für junge Leute, allein 60.000 Studenten gehören inzwischen der Gewerkschaft an. Viele attestieren dem Team Hofmann/Benner Augenmaß und ein Gespür dafür, wie Wandel sinnvoll begleitet werden kann.

Wenn Altvordere in der Gewerkschaft die Arbeitgeberseite auf offener Bühne als „Feinde“ bezeichnen, spricht Hofmann von „unseren Tarifpartnern“. Was andere als offene Gräben beklagen, nennt Hofmann „Spannungsfelder“, auf denen sich die IG Metall und ihre Branchen bewegen müssten.

Die Debatte darüber, wie die Gewerkschaft mit den Umbruchsituationen ihrer Branchen umgehe, müsse offen geführt werden, sagt Hofmann. Er ist auf Ausgleich bedacht - und bekam dennoch einen Denkzettel, vielleicht auch, weil er in seine Grundhaltung Festigkeit zeigt: „Wir müssen uns verändern, wir müssen uns aber auch der Gestaltung offensiv stellen“, sagte er. Besitzstände verwalten ist nicht das, was Hofmann unter moderner Gewerkschaftsarbeit versteht.

Im nächsten Frühjahr ist er aber wieder ganz klassisch gefragt. Dann steht eine neue Tarifrunde ins Haus, Hofmann gilt als gewiefter Tarifexperte, der in der letzten Runde den Arbeitgebern einen schmerzhaften Abschluss zugemutet hat. Die Kriegskasse hat Hauptkassierer Jürgen Kerner schon jetzt gut gefüllt, die Beitragseinnahmen stiegen auf 598 Millionen Euro.

Die Gewerkschaft IG Metall tagt noch bis Samstag in Nürnberg. Am Mittwoch wird eine Grundsatzrede des wiedergewählten Vorsitzenden erwartet. Für Donnerstag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Besuch angekündigt.