Der Beruf des Schmieds war wichtig und angesehen

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Die Schmiede Kübler am Burgplatz wird im Jahr 1709 erstmals schriftlich erwähnt.

Der Beruf des Schmieds war wichtig und angesehen

Der letzte Backnanger Schmied Eugen Kübler beim Beschlagen eines Pferdehufs.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Kleine Handwerksbetriebe gehörten früher zum Stadtbild. Viele dieser Berufe, wie etwa der des Schmieds, waren wichtig und angesehen. In Backnang ist noch eine Schmiede komplett so erhalten, wie anno dazumal mit Esse und Amboss gearbeitet wurde.

Es ist, als sei Eugen Kübler, der letzte Schmied von Backnang, gerade noch in seiner Werkstatt gewesen. Seine Arbeitsjacke hängt über einem Bügel, die Handschuhe liegen bereit. Die Werkzeuge, denen man ansieht, dass sie viele Jahre in Benutzung waren, sind an den Wänden aufgereiht oder liegen griffbereit auf Stapeln. Zangen aller Art hat sich der Schmiedemeister selbst für verschiedene Zwecke hergestellt.

Im Jahr 1709 wird die Schmiede in der Oberen Vorstadt erstmals schriftlich erwähnt, informiert das Backnang-Lexikon. Sie gehörte zu dieser Zeit dem Hufschmied Caspar Schubart. Nach mehreren Besitzerwechseln und einem grundlegenden Umbau 1880/81, bei dem der Beschlagvorbau und ein Aufbau für Wohnräume über der Werkstatt entstanden, übernahm der Schmiedemeister Christian Kübler aus Ittenberg, Gemeinde Sulzbach an der Murr, 1897 das Anwesen.

Wilhelm Kübler wurde 1940 Opfer der Euthanasie.

Um das Jahr 1909 ist ein Foto entstanden, das die „Huf- u. Wagenschmiede von Chr. Kübler“ in der damaligen Steinbacher Straße zeigt. Aus dem rechten Fenster, einem Wohnraum der Familie, schaut Luise Kübler, die Frau des Schmiedeinhabers. Links steht der Wagen einer Brauerei mit der Aufschrift „Niederlage Backnang“, was so viel wie Zweiggeschäft oder Zwischenlager bedeutet. Das Foto hat Peter Wolf von Ulrich Kübler erhalten, dem Sohn des abgebildeten Karl, der 1945 im Zweiten Weltkrieg gefallen ist.

Nicht auf dieser Familienaufnahme dabei ist der Sohn Wilhelm, der im Jahr 1900 zur Welt kam. Er wurde später Opfer der Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus. Zum Gedenken an sein Schicksal ist heute vor der alten Schmiede ein Stolperstein verlegt. Wilhelm Kübler wurde im Februar 1933 in die Anstalt Stetten eingeliefert. Nach einigen Monaten Behandlung entließ man ihn nach Hause, und er lebte wieder bei seinen Eltern. 1934 oder 1935 wurde er auf Beschluss des Amtsgerichts Backnang in die Heilanstalt Winnental eingewiesen. „In einem handschriftlichen Eintrag in seiner Krankenakte ist vermerkt, dass er am 11.6.1940 verlegt wurde. Verlegt war der NS-Codename für die Deportation zur Tötungsfabrik in Grafeneck auf der Schwäbischen Alb und die sofortige Ermordung mit Gas“, heißt es im Stolpersteine-Guide, in dem die Biografien der Opfer beschrieben sind.

Eugen Kübler, der 1903 geboren wurde, übernahm die Schmiede seines Vaters Christian nach dessen Tod 1936 und übte das Schmiedehandwerk bis ins hohe Alter aus. Ein Foto, das sich nicht genau datieren lässt, zeigt Eugen Kübler in seiner Arbeitskluft beim Beschlagen eines Pferdehufs. Der Mann im Anzug wird wohl der Kunde gewesen sein. In einem Vortrag über die Schmiede Kübler im Helferhaus 2015 führte Hermann Reinhardt vom Backnanger Heimat- und Kunstverein aus, dass Schmiede früher relativ wohlhabend waren, weil sie für die Herstellung von Waffen und allerlei Gerätschaften, vor allem für die Landwirtschaft, zuständig waren. Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft in den 1960er-Jahren und der einsetzenden Technisierung hat das Schmiedehandwerk zunehmend an Bedeutung verloren. Ende der 1960er-Jahre war die Kübler’sche Schmiede die letzte in Backnang.

Der Referent blickte bei der Veranstaltung auf eigene Kindheitserinnerungen an die Schmiede zurück, da er auf seinem Schulweg dort täglich vorbeikam: „Wenn das Feuer in der Esse loderte, war dies immer besonders faszinierend, weil ich hautnah miterleben konnte, wie der Schmied Eugen Kübler in der Glut des Feuers das Eisen zum Glühen brachte, um es dann auf dem Amboss zu bearbeiten. Und auch der Geruch von verbranntem Horn, wenn die Pferde neue Hufeisen bekamen, ist mir noch allgegenwärtig.“ Bis zu seinem Tod 1992 hat der Schmiedemeister Eugen Kübler kleinere Arbeiten für Backnanger Bürger ausgeführt.

Im Jahr 2001 kauften Albert Dietz, Vorsitzender des Schwäbischen Albvereins Ortsverband Backnang, und seine Frau Doris das denkmalgeschützte Gebäude. Die Schmiede wurde als Museum mitsamt dem Inventar so belassen, wie Eugen Kübler sie verlassen hatte. Der Schmied hatte nie größere Investitionen getätigt, weiß Albert Dietz. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass hier die Zeugnisse des alten Schmiedehandwerks, wie aus längst vergangenen Zeiten, erhalten sind. Nach einer Renovierung des oberen Teils des Hauses wurde im ersten Stock die Weinstube Schmiede eingerichtet.

Aufgrund der Coronapandemie ist die Weinstube derzeit geschlossen. Bei Interesse an einer Gruppenführung in die Schmiede Kübler am Burgplatz 9 kann man sich mit Albert Dietz unter Telefon 07191/68601 in Verbindung setzen.

Der Beruf des Schmieds war wichtig und angesehen

Die Schmiede Kübler um das Jahr 1909. Abgebildet sind vermutlich zwei Lehrlinge, Christian Kübler, sein Sohn Karl und die Zwillinge Anna und Eugen (unten von links). Repros: P. Wolf