Der Historische Verein Burgstetten lässt Geschichte lebendig werden

In einer Ausstellung des Historischen Vereins in der Erbstettener Pfarr- und Zehntscheuer konnten die Besucher gestern erleben, wie mühsam der Alltag für die Menschen früher war und was sie sich einfallen ließen, um sich die Arbeit zu erleichtern.

Der Historische Verein Burgstetten lässt Geschichte lebendig werden

Einige Besucher kennen das eine oder andere Exponat noch aus ihrer Kindheit. Dank des Museums geraten die alten Geräte und Berufe nicht in Vergessenheit. Foto: Alexander Becher

Von Annette Hohnerlein

Burgstetten. Ein Kleidungsstück dreimal tragen und dann wegwerfen: Was manche heutzutage praktizieren, wäre vor 100 Jahren undenkbar gewesen. Ein Anzug, ein Kleid, ein Paar Schuhe oder eine Tischdecke waren wertvolle Besitztümer und wurden sorgfältig gepflegt. Denn bevor Maschinen den Menschen die Arbeit erleichterten, steckten in jedem einzelnen Stück viele Stunden mühevolle Handarbeit. Wie unsere Vorfahren ihr alltägliches Leben bewerkstelligten und welche Geräte und Maschinen sie dazu benutzten, konnte man gestern im Museum Pfarr- und Zehntscheuer in Erbstetten erfahren.

Immer am 6. Januar lädt der Historische Verein Burgstetten zu einer Sonderausstellung ein. In früheren Jahren waren die Bürger aufgerufen, dafür historische Gebrauchsgegenstände wie Spielzeug, Kleidung, Haushaltsgeräte oder Bibeln zur Verfügung zu stellen. In diesem Jahr stand die Dreikönigsausstellung unter dem Motto „lebendiges Museum“. An rund einem Dutzend Stationen wurde den Besuchern demonstriert, wie man früher Schuhe anfertigte, am Spinnrad Garn herstellte, Kühe melkte oder Wäsche wusch, wie es in der Schule zuging und wie man Hausmusik machte.

Jochen Elzmann führt im schwarzen Gehrock gekleidet und mit Fliege und Melone ausgestattet durch die Ausstellung

„Wir wollen Geschichte lebendig werden lassen“, erklärt Jochen Elzmann. Der Schriftführer und Pressewart des Historischen Vereins führt stilecht gekleidet durch die Ausstellung: schwarzer Gehrock, Fliege, Melone. Unter den Besuchern sind viele, die das eine oder andere Exponat noch aus ihrer Kindheit kennen. So wie Cornelia und Friedrich Luft aus Waiblingen. „Auf, ab, auf, Dipfele drauf“, schreibt Cornelia Luft mit Kreide auf die grüne Tafel. So sei früher den Kindern der Buchstabe „i“ erklärt worden – in Sütterlinschrift. In der Ecke des nachgebauten Klassenzimmers steht ein gusseiserner Ofen. Dieser wurde mit Brennholz befeuert, das die Kinder von zu Hause mitbringen mussten.

Karl-Gerd Krumbach hält einen ledernen Schnürschuh in der Hand. „Rund 15 Stunden Arbeit und bis zu 30 verschiedene Lederteile stecken in einem solchen Schuh“, erklärt er den Besuchern. „Vier Mark bekam ein Schuster in den 1920er-Jahren dafür.“ Krumbach ist selbst zwar nicht vom Fach, aber er hat sich bei Otto Kress informiert, der früher als Schuhmacher in Erbstetten gearbeitet hat und von dem einige der alten Werkzeuge im Museum stammen.

Beim Harmonium muss der Musiker den Luftstrom selbst erzeugen

Ein paar Räume weiter ist Musik zu hören. Sieglinde Krauter spielt auf dem Harmonium, einem klavierähnlichen Tasteninstrument, bei dem die Töne wie bei der Orgel mit Luft erzeugt werden, die durch Pfeifen strömt. Nur muss beim Harmonium der Musiker den Luftstrom selbst mittels zweier Pedale erzeugen, erklärt Krauter, die in Erbstetten als Organistin tätig ist.

An einer anderen Station demonstriert Herbert Schäfer ein Gerät, mit dem früher gebrauchte Konservendosen für eine weitere Verwendung aufgearbeitet wurden. Der obere Rand der leeren Dose wurde abgeschnitten und umgebogen, der Deckel nach dem Befüllen wieder aufgesetzt und durch nochmaliges Umbiegen befestigt. Die dabei als Abfall anfallenden Metallringe wurden von der Dorfjugend weiterverwendet. Ein Nylonstrumpf und ein Stock daran befestigt und fertig war ein Kescher, mit dem man Kaulquappen aus dem Becken des Erbstettener Bädle fischte; eine frühe Form der Nachhaltigkeit, nur nannte man es damals Sparsamkeit.

Zum Melken braucht man Kraft, aber Kühe sind sensible Wesen

Stefan Soldner ist auf einem Bauerhof aufgewachsen und demonstriert das Melken an einem Kunsteuter, an dem heute noch angehende Landwirte üben. „Zum Melken braucht man Kraft“, sagt er. Aber nicht nur das, denn Kühe seien sensible Wesen. „Wenn ich daheim melken sollte, musste ich eine Woche vorher mit der Kuh Kontakt aufnehmen, damit sie mich kennenlernt. Kühe können ihre Zitzen verschließen, wenn sie den Melker nicht akzeptieren.“

Damit diese alten Berufe, die dazugehörigen Geräte und Werkzeuge und auch die damit verbundenen Geschichten nicht in Vergessenheit geraten, hat der Historische Verein Burgstetten in der ehemaligen Pfarr- und Zehntscheuer ein Museum eingerichtet. Dort gibt es keine festen Öffnungszeiten, aber immer im Januar organisieren die Mitglieder eine Sonderausstellung zu einem bestimmten Thema. Zudem findet im Herbst ein Essen in der Zehntscheuer statt, bei dem Gerichte aus wechselnden Ländern serviert werden. Außerdem führen die Vereinsmitglieder regelmäßig Kindergarten- und Schulkinder durch die Sammlung.