Der Skandal um Sexualstraftäter Epstein hat den britischen Prinzen Andrew nie losgelassen. Jetzt ist eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Wenn ein Royal zur Belastung für die Monarchie wird.
Prinz Andrew legt im Zuge des Epstein-Skandals Titel und Ehrungen ab. (Archivbild)
Von Jan Mies und Christoph Meyer, dpa
London - Es gab Zeiten im Vereinigten Königreich, da galt Prinz Andrew als das Lieblingskind der Queen. Heute, nach seinem beispiellosen Fall im Skandal um Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, ist der 65-Jährige zur größten Belastung für die britische Monarchie und seinen Bruder, König Charles III., geworden. "Der in Ungnade gefallene Andrew", schrieb die Boulevardzeitung "The Sun".
Was ist passiert?
Nach neuen mutmaßlichen Beweisen für die wohl tiefe Freundschaft zwischen Andrew und Epstein und kurz vor der Veröffentlichung der Memoiren des bekanntesten Opfers hatte der Prinz am Freitagabend seine verbliebenen Titel und Ehrungen aufgegeben. "Nach Diskussionen" mit dem König und seiner Familie, steht in der offiziellen Mitteilung. Der Tenor der britischen Medien ist aber klar: Andrew musste verzichten - sonst hätte der König den Sturz angeordnet.
"Der König entscheidet "genug ist genug"", schrieb der Sender Sky News in einem Liveticker. Andere Medien berichteten von der Zufriedenheit des Königs über die Entwicklung, wenngleich es zu Charles' Stimmungslage keine offiziellen Angaben gibt. Die Epstein-Affäre und Andrew werfen seit Jahren einen Schatten auf das Königshaus.
Warum ist der Skandal weiterhin so präsent?
Andrew bestreitet - auch in der jüngsten Mitteilung - alle Vorwürfe. Die gebürtige US-Amerikanerin Virginia Roberts Giuffre, deren Memoiren am 21. Oktober erscheinen, hatte Andrew vorgeworfen, sie als Minderjährige missbraucht zu haben. Ihre Klage gegen den Prinzen endete 2022 in einem wohl millionenschweren Vergleich. Sie nahm sich im vergangenen April im Alter von 41 Jahren das Leben.
Andrews frühere Einlassungen zu dem Skandal wirkten nicht glaubwürdig. Nur Monate nach Epsteins Tod im Jahr 2019 hatte er sich zu einem Interview mit der BBC hinreißen lassen, das zum Desaster wurde. Er ließ kaum Mitleid mit den Opfern Epsteins erkennen, bereute nicht einmal, mit ihm befreundet gewesen zu sein. Zudem stritt ab, Giuffre jemals getroffen zu haben. Dabei gibt es ein Foto, das die beiden Arm in Arm zeigt, Andrews Hand ruht dabei auf der Hüfte von Giuffre.
Der Autor und Royal-Schreck Andrew Lownie hatte erst kürzlich ein Buch mit dem Titel "Entitled - The Rise and Fall of the House of York" (etwa: Privilegiert - Der Aufstieg und Fall des Hauses York) veröffentlicht, in dem er zahlreiche weitere mutmaßliche Eskapaden von Prinz Andrew und dessen Ex-Frau Sarah Ferguson aufzählte. "Ich hatte Schwierigkeiten, etwas Positives über Andrew zu finden", sagte Lownie vor einigen Wochen zu Journalisten in London.
In den vergangenen Tagen war über Schreiben von Andrew an Epstein berichtet worden, laut derer er auch nach dem angeblichen Bruch mit dem Unternehmer loyal gewesen sein soll. In dem BBC-Interview hatte Andrew gesagt, er hatte den Kontakt nach Epsteins Verurteilung abgebrochen. Epstein starb 2019 in Untersuchungshaft in einem New Yorker Gefängnis.
Welche Folgen hat die Entscheidung von Freitagabend?
Einem Historiker zufolge, den die BBC zitierte, war es das erste Mal seit über 100 Jahren, dass ein Herzog in der britischen Monarchie seinen Titel verlor. Damals war es demnach einer der Enkel von Königin Victoria gewesen, der im Ersten Weltkrieg aufseiten der Deutschen gekämpft hatte. "Aus historischer Sicht ist dies ein sehr, sehr bedeutender Schritt", sagte Anthony Seldon der BBC.
Andrew ließ mitteilen, er werde seinen Titel als Herzog von York (Duke of York) und die ihm verliehenen Ehren nicht mehr führen. Gänzlich aberkannt werden kann ihm die Herzogswürde der Nachrichtenagentur PA zufolge nur durch das Parlament. Zu den aufgegebenen Ehren gehören der Ritterorden des Royal Victorian Order und seine Rolle als "Royal Knight Companion" im elitären Hosenbandorden des Königs.
Prinz bleibt Andrew als drittältestes Kind von Queen Elizabeth II. - auch bleibt er an Position acht der britischen Thronfolge. Thronfolger Prinz William soll eine der treibenden Kräfte hinter dem Ausschluss von Andrew gewesen sein. "Charles sieht zwar den Imageschaden, aber ich glaube, er ist einfach ziemlich schwach und sehr naiv. William hat eine viel entschlossenere Haltung dazu", sagte Autor Lownie bei der Vorstellung seines Buches. "Er kann Andrew nicht ausstehen."
Andrews Ex-Frau Sarah, im britischen Volksmund "Fergie" genannt, verliert ihren Titel als Herzogin von York und firmiert nur noch unter ihrem Mädchennamen Sarah Ferguson. Die Töchter Beatrice und Eugenie bleiben Prinzessinnen.
Was kommt jetzt noch?
Die britischen Medien hatten in Auszügen bereits in den vergangenen Tagen über Giuffres Memoiren ("Nobody's Girl") berichtet. Die Vorwürfe gegen Andrew werden erneuert, teils mit drastischen Worten. Dass sich Andrew erneut äußert, ist, Stand heute, aber unwahrscheinlich.
Der Epstein-Skandal ist zudem weit davon entfernt, aufgeklärt zu sein. In den USA wird US-Präsident Donald Trump mit Vorwürfen zu dessen Beziehung zu Epstein konfrontiert, Trump tut dies als Lügengeschichten ab.
Finanzier Epstein, der über viele Jahre systematisch Minderjährige missbraucht hatte, beging mit 66 Jahren in seiner Gefängniszelle offiziellen Angaben zufolge Suizid. In Teilen der US-Gesellschaft sorgte Epsteins Tod für Spekulationen, weil er beste Kontakte in die amerikanische High Society hatte. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die Epstein-Akten offenzulegen. Weil er dies bislang nicht getan hat, steht er unter Druck - auch aus dem eigenen Lager.
Die Erklärung zum Ende von Andrew als Herzog von York.
Der Skandal belastet die britische Monarchie seit Jahren. (Archivbild)