Der unterschätzte europäische Riese

Das Europaparlament hat massiv an Einfluss hinzugewonnen und überflügelt mittlerweile in vielen Bereichen den Bundestag

Von Markus Grabitz

Demokratie - Im Vergleich mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat wird das Parlament oft zu wenig beachtet. Dabei bietet es einzelnen Abgeordneten erstaunlichen Einfluss – darunter auch drei Deutschen.

Brüssel/Strassburg Das Europaparlament wird von vielen Wählern immer noch in seiner Bedeutung unterschätzt. Die Volksvertretung mit derzeit 751 Sitzen ist weltweit das einzige transnationale Parlament mit Gesetzgebungskompetenzen. Und es hat seinen Einfluss seit der ersten Europawahl im Jahr 1979 massiv ausgebaut. Bei jeder Änderung der europäischen Verträge kamen neue Kompetenzen hinzu. In vielen Politikbereichen fallen inzwischen die zentralen Entscheidungen nicht mehr in den nationalen Parlamenten und schon gar nicht im Bundesland, sondern auf EU-Ebene.

Vor allem die sogenannten Berichterstatter unter den Abgeordneten nehmen eine Schlüsselrolle ein. Die in den Gesetzgebungsverfahren federführenden Ausschüsse im Parlament benennen jeweils Berichterstatter für Gesetzgebungsvorschläge, die die EU-Kommission vorgelegt hat. Die Berichterstatter haben dann die wichtige Aufgabe, dazu das Meinungsspektrum im Parlament zu bündeln, Spielräume für Kompromisse auszuloten und am Ende Mehrheiten zu organisieren. Die Berichterstatter müssen sich tief in die Materie einarbeiten. Sie sind über viele Monate fast ausschließlich mit ihrem Gesetzgebungsvorhaben, den sogenannten Dossiers, beschäftigt. Am Ende haben sie aber große Gestaltungsmöglichkeit für eine EU-Richtlinie oder - Verordnung.

Ihr Einfluss ist durchaus mit dem Einfluss eines Berliner Bundesministers auf ein deutsches Gesetz vergleichbar. Es hängt von der Größe der Fraktion ab, wie häufig eine europäische Parteienfamilie Gelegenheit bekommt, den Berichterstatter zu stellen. Wenn sich der Ministerrat und das Parlament nicht einig sind, kommt es meist zu informellen Vermittlungsverfahren, den sogenannten Trilogen. Dabei sind die Berichterstatter so etwas wie die Chefunterhändler des Parlaments und suchen mit je einem Vertreter der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission einen Kompromiss.

Das Parlament verfügt über zwanzig ständige Ausschüsse und zwei Unterausschüsse. Jedem von ihnen ist ein konkreter Politik­bereich zugeteilt. Die Ausschüsse erstellen – sowohl zu legislativen als auch zu sonstigen Themen – Berichte, die im Plenum erörtert werden, und ziehen die Exekutive zur Rechenschaft. Drei deutsche EU-Abgeordnete, die in der vergangenen Wahlperiode als Berichterstatter wichtige Gesetzgebungsvorhaben begleitet und zum Abschluss gebracht haben, stellen wir hier vor.