Der Weg zur Klimaneutralität der Stadt Backnang ist noch weit

Vor über einem Jahr hat der Backnanger Gemeinderat beschlossen, ein Klimaschutzkonzept in Auftrag zu geben. Die Arbeit daran hat zwar schon begonnen, doch mit dem Amtsantritt der neuen Klimaschutzmanagerin soll das Thema richtig Fahrt aufnehmen.

Der Weg zur Klimaneutralität der Stadt Backnang ist noch weit

Solaranlagen auf öffentlichen Parkplätzen wie hier in Italien kann sich Oberbürgermeister Maximilian Friedrich auch in Backnang vorstellen. Foto: Imago

Von Kornelius Fritz

Backnang. Der Start in die klimaneutrale Zukunft ist in Backnang ziemlich holprig verlaufen. Drei Versuche waren nötig, um die neu geschaffene Stelle einer Klimaschutzmanagerin zu besetzen. Im ersten Anlauf sprang der bereits gewählte Favorit wieder ab, auf die zweite Ausschreibung meldete sich überhaupt niemand, der die Anforderungen erfüllte. Erst die dritte Runde war dann schließlich von Erfolg gekrönt: Zum 1. Oktober wird Simone Lebherz aus Fellbach ihre neue Stelle in Backnang antreten. Die 50-Jährige, die momentan im Landratsamt arbeitet und seit 1994 im Fellbacher Gemeinderat sitzt, kommt mit reichlich Vorschusslorbeeren. „Wir halten sie fachlich und persönlich für sehr geeignet. Sie ist kommunikationsstark und versteht es, sich zu vernetzen“, sagt Stefan Setzer, Leiter des Baudezernats, bei dem die neue Stabsstelle Klimaschutz auch angesiedelt sein wird.

Kommunaler Wärmeplan ist in Arbeit

Mit Lebherz’ Amtsantritt im Oktober ist die Hoffnung verbunden, dass die Anstrengungen für den Klimaschutz in Backnang deutlich ausgeweitet werden können. „Das wird uns einen Schub geben“, glaubt Tobias Großmann, der Leiter des Stadtplanungsamts. Allerdings sei die Verwaltung auch in den vergangenen zwölf Monaten keineswegs untätig gewesen.

Bereits im vergangenen Jahr wurde zusammen mit dem Büro B.A.U.M. Consult damit begonnen, einen kommunalen Wärmeplan zu erstellen. Dazu ist die Stadt bis Ende 2024 ohnehin gesetzlich verpflichtet. Dabei geht es um den Energieverbrauch der Gebäude, die immerhin für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Am Beginn stand eine Analyse des Wohnungsbestands. Dabei wurden für verschiedene Quartiere Informationen, etwa zu Dämmstandards oder dem Alter der Heizungen, erfasst. Laut Großmann konnte man dabei unter anderem auf anonymisierte Daten der Schornsteinfeger zurückgreifen. Durchgeführt wurde diese Analyse übrigens nicht nur in Backnang, sondern auch in den acht Gemeinden der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft, die sich der Backnanger Wärmeplanung freiwillig angeschlossen haben. Im zweiten Schritt geht es nun darum aufzuzeigen, in welchen Quartieren besonders viel Energie verbraucht wird und der Handlungsbedarf daher am größten ist.

Die Stadt ist auf die Kooperation privater Eigentümer angewiesen

Begleitet wird dieser Prozess von einem runden Tisch, an dem unter anderem verschiedene Wohnbauunternehmen, aber auch Vertreter von Hauseigentümern und Mietern sitzen. Denn beim Klimaschutz ist die Stadt auf die Kooperation privater Eigentümer angewiesen. „Wir können natürlich niemanden zwingen, in seine Immobilie zu investieren“, macht Großmann deutlich. Allerdings könne man Hausbesitzer und Gewerbetreibende dabei beraten und unterstützen. „Die Eigentümer müssen wissen: Was ist sinnvoll und welche Förderung kann ich dafür bekommen?“, sagt Großmann. Außerdem könnte die Stadt künftig „energetische Sanierungsgebiete“ ausweisen. Wer dort sein Haus dämmt oder eine klimafreundlichere Heizung einbaut, darf dann auf Zuschüsse vom Staat hoffen.

Ein weiterer wichtiger Baustein zum Klimaschutz soll der Ausbau von Nahwärmenetzen sein. Ein solches gibt es in Backnang bereits auf dem ehemaligen Krankenhausareal, ein weiteres ist auf der Oberen Walke geplant. Zusammen mit den Stadtwerken wolle man in den kommenden Jahren weitere zentrale Heizkraftwerke bauen, die mit regenerativer Energie betrieben werden, erklärt Großmann. Neben neuen Quartieren sollen, wo es möglich ist, auch bestehende Gebäude an diese Netze angeschlossen werden. Ein Beitrag zum Klimaschutz könnte auch der Ausbau der Fotovoltaik sein: „Nicht nur auf den Dächern, sondern auch als Teil der Fassade sind Solarmodule denkbar“, sagt Großmann. Auch auf öffentlichen Parkplätzen oder entlang von Straßen und Bahnlinien könnten Solaranlagen entstehen.

Abschied von einem Zieljahr für die Klimaneutralität

Trotz aller Anstrengungen beim Klimaschutz zeigt sich aber schon jetzt, dass das von Oberbürgermeister Maximilian Friedrich im Wahlkampf ausgegebene Ziel einer klimaneutralen Stadt bis zum Jahr 2035 nur schwer erreichbar sein wird. „Wir haben gerade mal zwei Prozent der CO2-Emissionen in der eigenen Hand“, erklärt Stefan Setzer. Den größten Teil kann die Stadt allenfalls indirekt beeinflussen. Und um etwa den Gebäudebestand in Backnang bis 2035 klimaneutral zu machen, müsste laut Tobias Großmann die jährliche Sanierungsquote versechsfacht werden. „So viel Dämmmaterial, Wärmepumpen und Handwerker gibt es gar nicht“, verdeutlicht der Stadtplaner. Auch Oberbürgermeister Friedrich will sich inzwischen nicht mehr auf ein bestimmtes Jahr festlegen. „Der ehrlichere Weg ist es, zunächst einen Klimaplan zu erarbeiten und dann erst ein Zieljahr zu beschließen.“

Hohe Investitionen sind nötig

Bertram Ribbeck plädiert trotzdem dafür, ein möglichst ambitioniertes Ziel zu formulieren. „Ein Hochspringer springt auch höher, wenn er eine Latte überqueren muss“, sagt der Sprecher der Gruppe Klimaentscheid Backnang. Ribbeck lobt einerseits die Anstrengungen beim Klimaschutz: „Ich erlebe die Verwaltung als hoch motiviert.“ Gleichzeitig würde er sich von den Kommunalpolitikern aber mehr Mut zu unpopulären Entscheidungen wünschen. Ribbeck plädiert beispielsweise dafür, die Parkplätze in der Stadt schrittweise zu reduzieren und auch in Wohngebieten Parkgebühren zu verlangen. Auch beim Straßenbau würde er im Sinne des Klimaschutzes gerne auf die Bremse treten. „Ein vierspuriger Ausbau des Autobahnzubringers ist sicherlich kein Beitrag zum Klimaschutz“, kritisiert er.

Bis Herbst 2023 soll das städtische Klimaschutzkonzept auf dem Tisch liegen. Bis dahin soll dann auch klar sein, wie viel es kosten wird, die Stadt klimaneutral zu machen. Dass dafür hohe Investitionen nötig sein werden, ist schon heute klar. OB Friedrich will sich davon aber nicht abschrecken lassen: „Wenn wir nichts tun, wird es uns am Ende noch teurer kommen.“

Der Weg zur Klimaneutralität der Stadt Backnang ist noch weit

„Der ehrlichere Weg ist es, zunächst einen Klimaplan zu erarbeiten und dann erst ein Zieljahr zu beschließen.“

OB Maximilian Friedrich will sich bei der Klimaneutralität nicht auf ein Datum festlegen