Der Weg zur Wahlurne wird länger

Da mit einem sehr hohen Anteil von Briefwählern bei der anstehenden Bundestagswahl gerechnet wird, legen viele Gemeinden kleinere Wahlbezirke zusammen. Kommen nämlich zu wenige Wähler in ein Wahllokal, kann das zu einem Problem werden.

Der Weg zur Wahlurne wird länger

Die Städte und Gemeinden bereiten sich mit Hochdruck auf die Bundestagswahl vor. Die Zahl der Wahllokale wird aufgrund der vielen erwarteten Briefwähler reduziert. Archivfoto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Der Bundestagswahlkampf läuft schon seit Wochen auf Hochtouren, erste Wahlplakate hängen seit Kurzem auch in der Region an den Straßenlampen und in den Rathäusern bereitet man sich mit Hochdruck auf die Wahlen am 26. September vor. Erneut müssen diese aber unter Pandemiebedingungen stattfinden, auch wenn die Inzidenz aktuell deutlich niedriger ist als bei der Landtagswahl im März. Und erneut ist die Zahl der Wahllokale in vielen Kommunen reduziert, man sollte also vor dem Wahltag genau auf den Wahlschein schauen, bei manchen wird das altbekannte Wahllokal nicht mehr die richtige Anlaufstelle sein – der Weg zur Urne wird sich für manche Wähler etwas verlängern.

In Backnang zum Beispiel gibt es sieben Urnenwahlbezirke weniger als bei der Bundestagswahl 2017 oder der Europawahl und Kommunalwahl 2019. Von 31 Urnenwahlbezirken wurde auf 24 zurückgeschraubt. Es entfallen die Wahlbezirke Katholisches Gemeindezentrum, AOK, Seniorenwohnanlage, Gymnasium in der Taus I, Gymnasium in der Taus II, Grundschule Maubach und das Pflegestift am Langenbach. Diese Neuordnung der Wahlbezirke wurde dem Gemeinderat schon Anfang November 2020 vorgestellt. Sie fielen also schon bei der Landtagswahl und der Oberbürgermeisterwahl am 14. März – beziehungsweise bei der Stichwahl zwei Wochen später – weg.

Eine Neuerung bei der Bundestagswahl ist der Umzug von zwei Backnanger Wahllokalen. So wird nicht mehr im Hebammenhaus im Blütengarten gewählt, sondern im Kindergarten Heimgarten, da Letzterer nach einem Umbau im Kindergarten wieder zur Verfügung steht. Außerdem sind die Wahlurnen in Waldrems nicht mehr im Rathaus zu finden, sondern im Feuerwehrgerätehaus Waldrems. Grund ist, dass nur dort eine barrierefreie Wahl möglich ist.

Zur Bundestagswahl 2021 werden deutlich mehr Briefwähler erwartet

In Backnang wurden kleinere Bezirke aufgelöst und zusammengelegt. Diese haben nun nach der Zusammenlegung eine ähnliche Größe, wie andere größere Bezirke sie bereits in der Vergangenheit hatten. Bei der Zusammenlegung sei darauf geachtet worden, dass keine zu großen Urnenwahlbezirke gebildet werden, so Rainer Gauger, Pressesprecher der Stadt Backnang. Hierbei orientierte man sich an den gesetzlichen Grundlagen der jeweiligen Wahlordnungen: Die Wahlbezirke sollen demnach nach den örtlichen Verhältnissen so gebildet und abgegrenzt werden, dass allen Wahlberechtigten die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Kein Wahlbezirk sollte mehr als 2500 Einwohner umfassen, was in etwa 1800 Wahlberechtigten entspricht.

„Ebenfalls wurde darauf geachtet, dass sensible Orte wie beispielsweise Seniorenwohnanlagen aufgrund der Coronapandemie nicht mehr als Wahllokal verwendet werden“, teilt Gauger mit. So wollte man das Ansteckungsrisiko für die Bewohner an diesen Standorten möglichst gering halten.

Weniger Wahllokale mitten in einer Pandemie, in der Abstand zu anderen Menschen so entscheidend ist, kann das klappen? Kommen auf die Wähler am Wahltag dann nicht längere Wartezeiten und Gedränge zu? Nein, meint Gauger. „Durch den erhöhten Anstieg der Briefwähler ergibt sich eine verhältnismäßig ähnliche Verteilung der Wähler auf die verschiedenen Urnen- und Briefwahllokale.“ Mit erhöhten Wartezeiten müsse demnach nicht gerechnet werden.

Die Zahl der Briefwähler hat in den vergangenen Jahren nämlich immer weiter zugenommen. Schon bei der Europa- und Kommunalwahl 2019 – also noch vor der Coronapandemie – wurde die Zahl der Briefwahlbezirke in Backnang von sechs auf acht erhöht. Bei der Landtagswahl kamen vier weitere Briefwahlbezirke dazu. So lag der Anteil der Briefwähler bei der Landtagswahl 2016 noch bei 18,3 Prozent und bei der Bundestagswahl 2017 bei 24 Prozent. Deutlich merkt man dann den Einfluss der Coronapandemie bei den Briefwählern der Landtagswahl Anfang des Jahres. Hier haben schon 41,8 Prozent der Backnanger Wähler ihre Stimme per Brief abgegeben. Die meisten Briefwähler gab es bisher beim zweiten Wahlgang zur Oberbürgermeisterwahl in Backnang – mit 49 Prozent stimmte fast die Hälfte der Wahlberechtigten auf diesem Weg ab. Und auch für die Bundestagswahl rechnet man damit, dass viele Bürger pandemiebedingt ihr Kreuzchen lieber zu Hause setzen wollen.

Kommen zu wenige Wähler ins Wahllokal, wird es problematisch

Nicht nur in Backnang wird die Zahl der Wahllokale reduziert. Gerade bei kleinen Wahlbezirken kann sich durch die höhere Zahl der Briefwähler ein Problem ergeben. Denn bei weniger als 50 Wählern in einem Wahllokal ist die geheime Wahl nicht mehr garantiert. Der Zweck des Zusammenlegens ist es also auch, zukünftig einen geregelten Wahlablauf zu gewährleisten. Kommen nämlich weniger als 50 Menschen persönlich zur Wahl im jeweiligen Wahlbezirk, darf in diesem Wahllokal nicht ausgezählt werden. Die verschlossene Urne mit den Stimmzetteln muss dann in einen anderen Wahlbezirk desselben Wahlkreises gebracht werden. Dort werden die Stimmzettel mit dem Inhalt der anderen Wahlurne vermengt und zusammen ausgezählt.

Mit diesem Problem hat man zum Beispiel in Spiegelberg bei der Landtagswahl bereits Erfahrungen gesammelt. In dem Wahlbezirk Vorderbüchelberg wurden vor Ort nur 40 Wähler verzeichnet. Die Auszählung von Vorderbüchelberg musste dann gemeinsam mit dem Wahlbezirk Spiegelberg erfolgen, was im Vorfeld der Wahl und am Wahltag einen nicht unerheblichen organisatorischen und zeitlichen Mehraufwand mit sich brachte. Es bestehe auch bei der bevorstehenden Bundestagswahl die hohe Wahrscheinlichkeit, dass in den kleineren Wahlbezirken die erforderliche Wähleranzahl von mindestens 50 Wählern nicht erreicht wird. Für die anstehende Wahl haben sich hier also einige Veränderungen ergeben: Der Spiegelberger Gemeinderat hat schon im März entschieden, dass es einen gemeinsamen östlichen Wahlbezirk geben soll, bei dem die Bezirke Vorderbüchelberg, Großhöchberg sowie der bereits geschlossene Wahlbezirk Dauernberg zusammengefasst werden.

Auch in Weissach im Tal bleiben von acht Wahllokalen nur noch drei übrig. Dadurch könne die Zahl der Wahlhelfer deutlich verringert werden. Bei den Gemeinderäten stieß diese Entscheidung in einer Sitzung im Juli auf wenig Begeisterung. Denn nun fehle in manchen Teilorten die Möglichkeit zur Wahl vor Ort. Besonders für Menschen, die nicht mehr allzu mobil sind, werde das zu einem Problem. Die Reduzierung sei aber nur während der Pandemie geplant, danach wolle die Gemeinde wieder in die einzelnen Ortsteile gehen, so Bürgermeister Ian Schölzel. Ob der Anteil der Briefwähler auch in der Zeit nach Corona so hoch bleiben wird, muss sich erst noch zeigen. Die nächste Wahl wird dann allerdings erst die Europa- und Kommunalwahl im Jahr 2024 sein. Ob dann weitere Anpassungen bei der Zahl der Urnenwahlbezirke nötig sein werden, muss sich erst noch zeigen.