Der weite Weg zum Eigenheim

Alles wird teurer (8) Der Traum von den eigenen vier Wänden verfängt auch in Zeiten von Inflation und gestiegenen Kreditzinsen. Insbesondere junge Familien stellt die Frage nach der Finanzierung allerdings vor immer größere Herausforderungen.

Der weite Weg zum Eigenheim

Das Einfamilienhaus mit großem Garten ist nach wie vor das Ideal, vor allem für Menschen mit Kindern. Symbolbild: Adobe Stock/stefanfister

Von Kai Wieland

Rems-Murr. Haus, Garten, Garage – die Anziehungskraft des klassischen Eigenheims ist für die meisten Deutschen ungebrochen. Zwar geben in der letztjährigen Wohnraumstudie des hierzulande größten Vermittlers privater Baufinanzierungen Interhyp nur noch 68 Prozent der rund 2200 Befragten an, einmal in den eigenen vier Wänden leben zu wollen (2021: 72 Prozent), doch nach wie vor gilt das Eigenheim als die beliebteste Wohnform. Der Haken ist bloß: Rund 34 Prozent der Befragten trauen sich den Kauf finanziell gar nicht zu, und das wohl in vielen Fällen zu Recht.

Es sind mehrere Entwicklungen, die bei den Menschen aktuell für Unsicherheit sorgen. Neben den noch immer hohen Preisen für Immobilien, Grundstücke und Baumaterial sowie den gestiegenen Energiekosten beschneiden insbesondere die Inflation und die Zinsen für Baukredite, welche seit den Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank in kürzester Zeit von einem auf rund vier Prozent geklettert sind, den finanziellen Spielraum. Auch die politische Weltlage trägt wohl nicht zur Zuversicht bei. Gerade junge Familien fragen sich daher, ob sie eine hohe Investition auf lange Sicht schultern können und wollen. Der Beratungsbedarf bei den Banken und Bauträgern ist dementsprechend groß, zum Abschluss einer Finanzierung kommt es dabei aber oft nicht. Das liege allerdings nicht an der mangelnden Attraktivität von Wohneigentum, betont man dort.

Höheres Zinsniveau

„Wir führen sehr viele Beratungsgespräche“, bestätigt Tobias Wolf, Leiter des Bereichs Wohnbaufinanzierung bei der Volksbank Backnang. „In diesen kommen allerdings mehr Menschen als noch vor einem Jahr zu dem Schluss, dass sie sinnvollerweise eine solche Belastung aktuell nicht eingehen sollten.“ Von einem Einbruch der Nachfrage oder einer strengeren Kreditvergabepolitik will man bei der Bank aber nicht sprechen, die Hürden seien bloß nicht mehr so niedrig wie zuletzt. Es müsse berücksichtigt werden, dass man von einem extremen Niedrigzinsniveau und letztlich aus einem Hype komme, betont Vorstandsmitglied Jürgen Schwab. „Es ist eher eine gewisse Normalisierung.“

Eine ähnliche Einordnung hört man auch von den Bauträgern. „Die letzten acht bis zehn Jahre waren außergewöhnlich. Bei einem Prozent Zins waren die normalen Mechanismen ein Stück weit ausgehebelt und ist auch Rationalität verloren gegangen“, sagt Andreas Benignus, Geschäftsführer der ASPA Bauträger GmbH. „Demgegenüber sind die Rahmenparameter vor allem in den letzten zwölf Monaten natürlich schwieriger geworden. Faktisch können es sich weniger Menschen leisten, Eigentum zu erwerben oder zu bauen als vor zwei Jahren. Der Traum vom Eigenheim an sich ist aber ungebrochen, und das zu Recht.“

Tatsächlich zeigt der Blick auf die Entwicklung der Bauzinsen zwar einen rasanten Anstieg seit Frühjahr 2022, allerdings mit einem vergleichbaren Zinsniveau zu Beginn der 2010er-Jahre und einem noch deutlich höheren in den Jahrzehnten davor. Eine Rückkehr zu einem Prozent Bauzins, wie es in den Vorjahren zeitweise der Fall gewesen ist, hält Schwab daher für unwahrscheinlich, ganz unabhängig von Ukrainekrieg und sonstigen Krisen. Er vermutet, dass sich das Zinsniveau mittelfristig ungefähr auf dem aktuellen Stand einpendeln und stabilisieren wird.

Der Spielraum ist enger geworden

Was den Traum vom Eigenheim, ob durch Bau oder Erwerb, derzeit gerade für viele junge Menschen in weite Ferne rücken lässt, ist also weniger das Zinsniveau an sich als die Gesamtkonstellation mit den nach wie vor hohen Immobilienpreisen und gestiegenen Lebenshaltungskosten. Niels Nauhauser, Abteilungsleiter des Bereichs Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, erklärt dazu: „Mit steigendem Zinssatz wird der finanzielle Spielraum vieler Bauherren kleiner. Während sich eine Familie vor einem Jahr vielleicht noch 500000 Euro Schulden leisten konnte, sind es jetzt nur noch 350000 Euro, weil mit der monatlichen Rate nur noch ein geringerer Kreditrahmen bedient werden kann.“ Zusätzlicher Druck entstehe durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten, vor allem für Energie. Wer bis vor Kurzem noch 1000 Euro monatlich übrig gehabt habe, könne nun womöglich nur noch 800 oder 700 Euro aufbringen.

Manch einer mag sich dennoch sagen: Wenn schon monatlich zahlen, dann wenigstens für das eigene Haus statt für den Vermieter. Gerade da verschieben sich nun aber die Verhältnisse. In den vergangenen Jahren habe man die Situation gehabt, dass die Annuitätenzahlung für ein Darlehen, also Zinsen und Tilgung, oftmals kein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einer Mietzahlung gewesen sei, erklärt Jürgen Schwab. Diese Kluft werde nun wieder größer. Allerdings sei auch ein Anstieg der Mieten unvermeidlich und der Eigentumserwerb demgegenüber eine Vermögensbildung. Dabei müsse eine Finanzierung aber nachhaltig getragen werden und dürfe den Kunden nicht die Luft zum Atmen nehmen.

Stichwort Eigenkapitalbildung

Müssen sich junge Familien mit durchschnittlichem Einkommen und ohne nennenswertes Eigenkapital also vom Konzept Eigenheim verabschieden? Ganz so skeptisch sieht man die Lage bei den Banken und Bauträgern nicht. Auch wenn ein Beratungsgespräch nicht zum Abschluss eines Kredits führe, sei dies nicht zwingend als Sackgasse zu sehen, sondern eher als Zwischenetappe. Als Ergebnis stehe dann oft ein Plan, welche konkreten Schritte eine Finanzierung in der Zukunft ermöglichen sollen, erklärt Tobias Wolf.

Ein wesentlicher Faktor ist dabei der Eigenkapitalaufbau. Gerade in den vergangenen Jahren mit Niedrigzinsniveau sei man dabei bisweilen einen Schritt schneller gewesen, das ändere sich nun wieder. „Meiner Meinung nach ist das Thema Bausparen nach wie vor ein absolutes Muss“, sagt Jürgen Schwab. „Da kann man sich jetzt günstige Zinsen für die Zukunft sichern.“ Außerdem rät er jungen Menschen dazu, bewusst im Voraus zu sparen. Damit könnten diese nicht nur eine finanzielle Grundlage schaffen, sondern es sei auch eine Art Testlauf, welcher monatliche Betrag tatsächlich aufgebracht werden kann.

Kommt es schließlich zur Finanzierung, können verschiedene Stellschrauben gedreht werden, um die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu gehören die Wahl sinnvoller Finanzierungsstrukturen, die Ausschöpfung aller verfügbaren Fördermittel, eine realistische und genaue Lebensphasenplanung sowie die intelligente Gestaltung der Anschlussfinanzierungen. In der Zinsphase sei das richtige Timing entscheidend, erklärt Tomislav Simic, Geschäftsführer der ASPA Finanzberatung GmbH. „Diese Aspekte waren immer wichtig, aber unter den heutigen Gegebenheiten, wo es auch an die Belastungsgrenzen vieler Kunden geht, sind sie essenziell.“

Die Herausforderung bleibt groß

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale rät darüber hinaus, aufgrund der aktuellen Ungewissheiten den Kostenrahmen großzügiger anzusetzen. „Bei der Ermittlung der möglichen monatlichen Finanzierungsrate ist es ratsam, einen Puffer für weiter steigende Lebenshaltungskosten einzukalkulieren.“

All diese Instrumente ändern aber nichts an der Tatsache: Das Bauen und der Eigentumserwerb sind im Verlauf der letzten zwölf Monate herausfordernder und vor allem teurer geworden. Dass dennoch junge Menschen diesen Weg wählen und nach wie vor die Nachfrage nach Bauplätzen und Immobilien das Angebot übersteigt, zumal in wirtschaftlich starken Regionen wie Baden-Württemberg, legt den Schluss nahe, dass das Eigenheim auch unter schwierigen Bedingungen für viele einen Sehnsuchtsgedanken in der Lebensplanung darstellt.