Statistisches Bundesamt

Deutlich mehr junge Frauen wegen Essstörung im Krankenhaus

2023 mussten im Vergleich zu 2003 doppelt so viele junge Patientinnen wegen Magersucht oder Bulimie in eine Klinik. Experten nennen die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie als Ursache.

Deutlich mehr junge Frauen wegen Essstörung im Krankenhaus

Essstörungen sind eine ernste Krankheit, teilweise müssen Patientinnen und Patienten im Krankenhaus behandelt werden. (Symbolbild)

Von dpa

Wiesbaden/Köln - Immer mehr Mädchen und junge Frauen werden wegen Essstörungen stationär im Krankenhaus behandelt. Ihre Zahl verdoppelte sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts binnen 20 Jahren: von 3.000 Patientinnen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren im Jahr 2003 auf 6.000 im Jahr 2023.

Ihr Anteil an allen Patienten und Patientinnen mit Essstörungen stieg von 23,4 Prozent im Jahr 2003 auf 49,3 Prozent 20 Jahre später. Insgesamt wurden 2023 rund 12.100 Patientinnen und Patienten mit der Diagnose im Krankenhaus behandelt - diese Zahl sank im Vergleich zu 2003, damals gab es 12.600 Fälle.

Vor allem Frauen betroffen

Mit gut drei Vierteln der Fälle wurde 2023 Magersucht (Anorexia Nervosa) am häufigsten diagnostiziert, elf Prozent der Patientinnen und Patienten litten an Bulimie (Ess-Brechsucht). Betroffen sind vor allem Frauen: Ihr Anteil bei den Krankenhausbehandlungen stieg innerhalb von 20 Jahren von 87,6 auf 93,3 Prozent. 

Die Behandlungsdauer stieg bei Frauen und Männern an: 53,2 Tage dauerte eine Behandlung wegen Essstörung im Jahr 2023 durchschnittlich – der höchste Wert seit 2003, wie das Bundesamt mitteilt. Zum Vergleich: Ein stationärer Krankenhausaufenthalt dauerte im Jahr 2023 durchschnittlich 7,2 Tage.

78 Menschen starben an einer Essstörung

Die Zahl der Menschen, die an den Folgen einer Essstörung sterben, schwankt den Angaben zufolge von Jahr zu Jahr stark. Im Jahr 2023 waren es 78. Im Jahr 2008 waren 100 Todesfälle auf die Erkrankung zurückgeführt worden, der Höchststand des 20-Jahre-Zeitraums.

Nach Einschätzung von Stephan Bender, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik Köln, gibt es bis heute keine Trendwende bei den Fallzahlen von Essstörungen. Diese steigen seit den 1990er Jahren an, die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie hätten dann wie ein Beschleuniger gewirkt. 

"Soziale Kontakte und Freundschaften sind sehr wichtig bei der Beantwortung der Frage, wie stark ich meinen Selbstwert von der Figur abhängig mache", erläutert Bender. Während der Corona-Pandemie sei stattdessen die Nutzung sozialer Medien angestiegen - und dort liege trotz aller Bemühungen nach wie vor ein starker Fokus auf Schönheitsidealen, die mit Likes belohnt würden.

Vereinsamte Kinder während Pandemie

Auch Beate Herpertz-Dahlmann, Seniorprofessorin der Uniklinik Aachen, nennt die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie als eine vermutete Ursache. Kinder seien davon am meisten betroffen gewesen, da sie Freundschaften nicht mehr pflegen und keinen Sport mehr treiben konnten. Sie seien regelrecht vereinsamt und viele hätten sich deshalb mehr mit den Themen Essen und Gewicht sowie sozialen Medien beschäftigt. Die Häufigkeit von Magersucht sei bei jungen Patienten zwischen 10 und 14 Jahren am meisten gestiegen.

"In Deutschland wird viel zu wenig getan, um die Früherkennung und die ambulante Behandlung zu verbessern", sagt Herpertz-Dahlmann. Es gebe teilweise monatelange Wartezeiten, und wenn die Betroffenen dann ins Krankenhaus kämen, seien sie häufig bereits schwer krank.

Laut einer im Mai veröffentlichen Hochrechnung der KKH Kaufmännische Krankenkasse hatten 2023 insgesamt fast 460.000 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Essstörung - 7,5 Prozent davon waren Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. Auch die Krankasse verwies auf die boomende Selbstoptimierung-Szene und fragwürdige Ideale. Mädchen würden in den sozialen Medien von entsprechenden Videos direkt angesprochen.