Frankfurt/Oder

Deutsch-polnische Grenze: Wenn die Polizei im Minutentakt kontrolliert

Seit bald zwei Monaten weist die Bundespolizei auch Asylbewerber zurück. Hat sich seitdem etwas an den Grenzkontrollen verändert? Ein Ortsbesuch in Frankfurt/Oder.

Deutsch-polnische Grenze: Wenn die Polizei im Minutentakt kontrolliert

Bundespolizei im Einsatz: Die Beamten kontrollieren auch an der Grenze zu Polen. (Archivbild)

Von Rebekka Wiese

Neben dem Fahrersitz baumelt eine kleine Discokugel, zwischen Armaturenbrett und Frontschutzschreibe stecken zwei ukrainische Flaggen. Ein großer roter Bus, die Scheiben getönt. Eben ist er über die Oder und damit über die deutsch-polnische Grenze gefahren. Nun steht er unter einer hallengroßen weißen Zeltplane: So sieht sie aus, die Grenzkontrolle der Bundespolizei auf der Stadtbrücke Frankfurt. Ein kurzes Gespräch zwischen Beamten und Fahrer, dann steigen die Polizisten ein.

Es ist nun fast zwei Monate her, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Kontrollen an den deutschen Grenzen verstärkt hat. Außerdem wies er die Bundespolizei an, jetzt auch Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückzuweisen – auch wenn es das europäische Recht anders vorsieht. Es ist ein Bruch mit der bisherigen deutschen Praxis.

Kontrollen seit Oktober 2023

Die Grenzkontrolle auf der Stadtbrücke Frankfurt gibt es schon seit Herbst 2023. Damals ordnete Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) die Maßnahme an – zunächst nur an den Grenzen zu Polen und Tschechien, später an allen Landesgrenzen. Lange durfte die Polizei Ausländer ohne gültige Papiere allerdings nur dann zurückweisen, wenn sie keinen Wunsch auf Schutz äußerten. Wer aber um Asyl bat, dessen Antrag wurde auch geprüft.

Das hat sich mit Dobrindts Antritt verändert – auch wenn es in der Praxis gar nicht so oft vorkommt, dass jemand an der deutschen Grenze ein Schutzgesuch äußert. Laut Angaben der Bundespolizei gab es in den ersten vier Wochen nur 160 solcher Fälle. Zwar wurden im selben Zeitraum trotzdem insgesamt knapp 3300 Personen zurückgewiesen, die meisten hatten aber ohnehin nicht um Asyl gebeten. Wie sieht die Arbeit der Bundespolizei jetzt aus? Und was hat sich durch Dobrindts Weisung für sie verändert?

77 Fahrgäste hinter getönten Scheiben

Etwa zehn Minuten brauchen die Polizisten auf der Stadtbrücke, um den ukrainischen Reisebus zu kontrollieren. 77 Fahrgäste sitzen hinter den getönten Scheiben, die Beamten haben sich ihre Papiere zeigen lassen, alles in Ordnung, der Bus fährt wieder ab.

Ein paar Hundert Meter weiter steht eine junge Beamtin, die etwa im Minutentakt eine Kelle ausstreckt. Sie winkt viele Lieferwagen heraus sowie Busse und andere Autos, die schwer einsehbar sind. Auch Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen werden häufiger herausgezogen. Auf dem Fußgängerweg stehen weitere Polizisten, um auch die zu kontrollieren, die ohne Auto kommen. Auch David Zielinski arbeitet an diesem Tag auf der Stadtbrücke. Um sechs Uhr morgens ist seine Einheit an diesem Morgen in Berlin aufgebrochen, gegen 16 Uhr wird er zurück sein. Zielinski will sich aber nicht beschweren. „Unsere Leute hier sind jung, sie sind sehr motiviert, der Krankenstand ist niedrig“, sagt er. Hat die Motivation auch mit dem Antritt der neuen Bundesregierung zu tun – also mit Dobrindts Weisung? Dazu will Zielinski nichts sagen. Neben ihm steht eine Pressesprecherin.

Um sechs Uhr morgens los, um 16 Uhr zurück

Hört man sich jenseits des Pressetermins bei Bundespolizisten um, klingen manche Einsatzkräfte auch skeptisch. Einige sorgen sich, ob es rechtmäßig ist, wie sie gerade an der Grenze vorgehen. Ganz besonders, seitdem das Verwaltungsgericht Berlin entschieden hat, dass das Vorgehen der Bundespolizei zumindest in drei Fällen rechtswidrig war. Innenminister Dobrindt hält das für Einzelfallentscheidungen und bleibt bei seiner Weisung.

Am Dienstagvormittag stellt die Bundespolizei nichts Auffälliges auf der Stadtbrücke fest. Wenn die Beamten aber mal jemanden zurückweisen, dann bringen sie die Betroffenen über die Grenze zurück nach Polen – worüber sich dort viele ärgern. Am polnischen Ende der Brücke sitzen drei Männer unter einem Sonnenschirm, einer von ihnen trägt eine gelbe Warnweste. Sie gehören zu einer selbsternannten polnischen Bürgerwehr, die seit einigen Wochen an der Grenze aufläuft.

Der polnische Premier Donald Tusk kündigte am Dienstagmittag an, dass auch Polen ab kommender Woche seine Grenzen kontrollieren wird. Was das für die Arbeit auf der Stadtbrücke bedeutet, will die Bundespolizei auf Nachfrage nicht beantworten. Ein Sprecher bittet um Verständnis, dass man sich zu Maßnahmen ausländischer Behörden nicht äußere.