Deutsche Orden gestehen „unsägliches Leid“ ein

dpa Bonn. Der Missbrauchsskandal beschäftigt die katholische Kirche seit langem. Jetzt melden sich auch die Orden zu Wort - mit Zahlen und mit einem klaren Schuldeingeständnis.

Deutsche Orden gestehen „unsägliches Leid“ ein

In den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche war jeder dritte Orden in Deutschland verwickelt. Foto: Friso Gentsch/dpa

Mindestes jeder dritte katholische Orden in Deutschland ist mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Bei den Ordensgemeinschaften haben sich mindestens 1412 Personen gemeldet, die angaben, als Kind, Jugendlicher oder Schutzbefohlener sexuell missbraucht worden zu sein.

Bei der Mitgliederbefragung der Dachorganisation Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) wurden insgesamt 654 Ordensmitglieder als Täter beschuldigt. Die meisten davon - 522 oder knapp 80 Prozent - seien bereits tot, teilte die DOK am Mittwoch in Bonn mit. 37 Beschuldigte seien aus ihrem Orden ausgetreten.

„Ja, Brüder und Schwestern unserer Gemeinschaften haben sexuellen Missbrauch in seinen verschiedenen Formen verübt“, gestand die DOK-Vorsitzende Katharina Kluitmann ein. „Nicht nur diese Taten haben unsägliches Leid über die Betroffenen gebracht.“ Wenn die Opfer später ihr Schweigen gebrochen und darüber gesprochen hätten, was ihnen angetan worden sei, seien sie oft enttäuscht und dadurch erneut verletzt worden. „Wir bedauern das sehr und erkennen unser Versagen erneut an.“

Die Vorfälle reichen den Angaben zufolge teilweise bis in die 50er und 60er Jahre zurück, als noch viele Schulen und Internate von Patern oder Nonnen geführt wurden. Die DOK betonte, dass die Angaben nicht auf eine wissenschaftliche Studie zurückgingen. Es handele sich lediglich um eine interne Umfrage. Der Rücklauf sei hoch gewesen: Etwa drei Viertel der Ordensgemeinschaften, 291 von 392, hätten den Fragebogen zurückgesandt. In diesen 291 Orden lebten 88 Prozent der heutigen Ordensmitglieder. Die kleinsten Orden umfassen nur noch eine Handvoll von Personen, mitunter sogar nur noch ein einziges Mitglied.

Von den 291 Gemeinschaften, die die Fragen beantwortet haben, gaben 100 an, dass sie mit Vorwürfen zu verschiedenen Missbrauchsformen konfrontiert worden seien. Das seien gut 34 Prozent. Personenbezogene Daten zu Opfern oder Beschuldigten wurden in der Erhebung nicht abgefragt. Den Orden sei Anonymität zugesichert worden, erläuterte die DOK.

Von den Menschen, die in Deutschland Mitglied in einem Orden sind, sind den Angaben zufolge 75 Prozent Frauen und 25 Prozent Männer. Unter den Beschuldigten sind die Männer stark überrepräsentiert.

Der Bericht der DOK zu der Befragung spricht von deutlichen Schwachstellen bei den bisher getroffenen Maßnahmen zur Aufarbeitung und Prävention und von weiterem Handlungsbedarf. Es gebe noch viel Arbeit zu tun, sagte Kluitmann.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Stephan Ackermann, sagte, es sei gut, dass dieses Ergebnis nun vorliege. „Denn wir wissen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Missbrauchstaten im Bereich der Orden verübt wurde.“ Die von Missbrauch Betroffenen erwarteten von der Kirche bei der Aufarbeitung ein einheitliches Vorgehen.

Eine Studie der DBK hatte 2018 den massenhaften Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker dokumentiert. Die Aufarbeitung geht seitdem weiter. Einige Diözesen haben unabhängige Kommissionen ernannt, die konkrete Vorwürfe untersuchen und dabei auch Beschuldigte benennen sollen.

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