Massenproteste nach Kommunalwahlen

Deutscher Botschafter einbestellt: Georgien wendet sich weiter vom Westen ab

In Georgien gibt es wieder Massenproteste gegen die Regierung. Und auch das deutsch-georgische Verhältnis ist an einem Tiefpunkt angekommen. Das verrät viel über Georgiens neuen Weg.

Deutscher Botschafter einbestellt: Georgien wendet sich weiter vom Westen ab

Am Wochenende kam es in Georgien erneut zu Massenprotesten.

Von Rebekka Wiese

Am Wochenende sind Zehntausende Georgier gegen den zunehmend autoritären Kurs ihrer Regierung auf die Straße gegangen. Anlass der Massenproteste waren die Kommunalwahlen, bei denen am Samstag über Bürgermeister und Landräte abgestimmt wurde. Die meisten Oppositionsparteien boykottierten die Wahlen. Sie werfen der Regierungspartei Georgischer Traum vor, die Parlamentswahl vor knapp einem Jahr manipuliert zu haben.

In den vergangenen zwei Jahren hat sich Georgien zunehmend von westlichen Staaten abgewandt. Das betrifft das Verhältnis des Landes zur EU – und auch zu Deutschland. Vor Kurzem bestellte das georgische Außenministerium den deutschen Botschafter Ernst Peter Fischer in Georgiens Hauptstadt Tiflis ein, eine diplomatische Maßnahme, die als deutliches Signal von Spannungen zwischen zwei Staaten gilt. Der Osteuropa-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) spricht von einem „Tiefstand der deutsch-georgischen Beziehungen“. „Die Regierungspartei Georgischer Traum hat gezielt darauf hingearbeitet“, sagt Meister. „Fischer ist der erste deutsche Botschafter seit vielen Jahren, der sich so offen kritisch gegenüber den autoritären Tendenzen in Georgien äußert.“

„Tiefstand der deutsch-georgischen Beziehungen“

Offiziell wirft Georgien dem deutschen Botschafter Fischer vor, sich in innere Angelegenheiten einzumischen und damit gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen zu verstoßen. Das Auswärtige Amt in Deutschland wies das zurück und teilte dazu mit: „Wir lehnen die anhaltende aggressive Rhetorik von Vertretern des Georgischen Traums gegenüber dem deutschen Botschafter in Tiflis und seine unbegründete Vorladung heute entschieden ab.“ In der vergangenen Woche lud das Auswärtige Amt außerdem Georgiens Geschäftsträgerin in Berlin ebenfalls zu einem Gespräch ein.

EU-Beitrittsgespräche von Georgien bis 2028 ausgesetzt

Was zwischen Deutschland und Georgien passiert, kann man nicht verstehen, ohne Georgiens Verhältnis zur EU vor Augen zu haben. Über viele Jahre strebte Georgien einen Beitritt an. Als Georgien im Dezember 2023 offiziell den Kandidatenstatus zugesprochen bekam, feierten die Menschen auf den Straßen. In Umfragen ist die Zustimmung zur EU in der georgischen Bevölkerung bis heute sehr groß. Doch inzwischen hat die Regierung ihren Kurs geändert. Ministerpräsident Irakli Kobachidse hat die EU-Beitrittsgespräche bis 2028 aussetzen lassen. Schon 2024 trat außerdem das sogenannte Agentengesetz in Kraft, das darauf zielt, Medien und Nichtregierungsorganisationen zu kontrollieren.

„Georgien galt lange als ein sehr pluralistisches Land mit einer lebendigen Zivilgesellschaft“, sagt Meister. „Jetzt sehen wir seit zwei Jahren, wie das alles systematisch abgewickelt wird.“ In öffentlichen Einrichtungen seien viele Menschen entlassen worden. „Demonstranten werden identifiziert und unter Druck gesetzt, viele werden mit Geld und Haftstrafen abgeurteilt.“

Georgien: Welche Rolle spielt Russland?

Viele Georgier befürchten, dass ihrem Land ein ähnliches Schicksal drohen könnte wie der von Russland angegriffenen Ukraine. Zumal Teile des Nordwestens Georgiens seit 2008 faktisch von Russland besetzt sind. Zugleich hat der Georgische Traum aber ein stabiles Verhältnis zu Moskau. Man kann davon ausgehen, dass die Partei das nicht gefährden will – auch wenn Osteuropa-Experte Meister nicht glaubt, dass die aktuelle Entwicklung direkt von Moskau bestellt oder organisiert worden sei.

Meister befürchtet, dass es nun eine neue Welle an Repressionen in Georgien geben wird – mit noch mehr Verhaftungen, mit Parteiverboten und der Schließung von Medien. „Das wird der nächste Schritt zu einem vollständig autoritären Staat.“