Deutschlands einsamer Weg zum Klimaschutz

Das Land will allen zeigen, wie man die Umwelt rettet – und verrennt sich dabei

Von Klaus Köster

Stuttgart Welch ein Sinneswandel: In diesem Jahr werden in Stuttgart nur noch auf 14 Straßenkilometern Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte erwartet. Noch vor wenigen Wochen hätte die Landesregierung ein solches Gutachten empört in die Höhe gehalten und als schlagenden Beweis für die Notwendigkeit weiterer flächendeckender Fahrverbote bezeichnet. Nun aber begründet sie mit diesen Daten das genaue Gegenteil: das Aus für die geplante Ausweitung auf Euro-5-Diesel. Schließlich sei die Zahl der betroffenen Straßenkilometer deutlich gesunken. Ein klarer Kurswechsel.

In den letzten Jahren hat sich vor allem der Südwesten zu einer Umweltpolitik treiben lassen, die eher der Dramaturgie von Umweltverbänden folgte als einem nachhaltig verfolgten Ziel. Nach alarmierenden Erkenntnissen über den Klimawandel lenkte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schon bald die ungeteilte Aufmerksamkeit auf den Feinstaub, der durch den Dieselrußfilter wirksam bekämpft wurde, allerdings um den Preis eines steigenden Ausstoßes von Stickoxiden, gegen dieStuttgart mitFahrverbotenangeht, welche aber den Anteil der Benziner in die Höhe treiben. Deren höhererCO2-Ausstoß trägt ebenso zur Erderwärmung bei wie der Kohlestrom, der das E-Auto antreibt.

Mit dem Gutachten der nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina hat es nun auch Baden-Württemberg amtlich, dass es sich mit den Stickoxiden lange auf ein Thema konzentriert hat, dem aus Sicht des Gesundheits- und desKlimaschutzesnoch die geringste Bedeutung zukommt. Jahrelang starrte das Land auf den Gehsteig beim Stuttgarter Amtsgericht und verlor das Klima aus den Augen.

Die Idee eines durchdachten, mit Prioritäten versehenen Gesamtkonzepts dagegen hatte bisher nicht den Hauch einer Chance. Nicht zuletzt die um öffentliche Aufmerksamkeit ringende DUH trägt dazu bei, dass der Blick immer wieder auf einen anderen Schadstoff gelenkt wird, mit dem sie den Bürger ein ums andere Mal zur Weißglut bringt. Deutschland verfolgt seit Jahren eine empörungsgesteuerte Umweltpolitik, die sich im Kreis dreht und muss sich nun von Schülern den Spiegel vorhalten lassen. Denn beim Klimaschutz herrscht seit Jahren fast Stillstand.

Auch bei der Energiewende erzielt die Bundesrepublik bisher minimale Klimawirkungen zu maximalen Kosten. Nach dem überstürzten und deshalb sündhaft teuren Ausstieg aus der Atomkraft müssen nun Kohlekraftwerke im Spiel gehalten werden, was weiteres Geld verschlingt und für das Klima etwa so hilfreich ist wie ein heißes Bügeleisen auf einer Brandblase.

Auf bis zu 415 Euro werden zudem die Kosten geschätzt, um mit gefördertem Solarstrom den deutschen CO2-Ausstoß um eine Tonne zu verringern. Der gleiche Effekt lässt sich durch den Aufkauf eines europäischen CO2-Zertifikats erreichen, das für 27 Euro erhältlich ist. Auch wenn die Förderkosten inzwischen durch einige sinnvolle Änderungen gesunken sind – die Diskrepanz zeigt, wie effektiv es sein kann, die Kräfte des Marktes für den Klimaschutz einzuspannen, anstatt sie durch gigantische Subventionen in die Irre zu führen, die erneuerbare Energien umso mehr fördern, je teurer sie sind.

Einen solchen nationalen Alleingang wird sich auf Dauer nicht einmal das reiche Deutschland leisten können. Und der Rest der Welt, der für 98 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes steht, schon gar nicht. Er geht auf Distanz zu diesem deutschen Sonderweg, der Raubbau an den Finanzressourcen treibt und schon deshalb nicht nachhaltig sein kann.

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