Die Barbe macht sich keine Freunde

Weil die Fische in der Murr schlechte Hochspringer sind, wird der Umbau des Biegelwehrs wesentlich teurer als gedacht.

Die Barbe macht sich keine Freunde

Foto: Adobe Stock/Phimak

Von Kornelius Fritz

Backnang. Die Barbe gehört zur Familie der Karpfenfische. Man erkennt sie an ihrem rüsselartigen Maul mit den typischen Bartfäden. In der Schweiz gilt sie als Delikatesse, auch bei Anglern ist sie sehr beliebt. Äußerst unbeliebt ist die Barbe hingegen im Backnanger Gemeinderat: Der schuppige Murrbewohner kostet die Stadt nämlich geschätzte 700000 Euro.

Aber beginnen wir von vorne: Bereits im Jahr 2000 hat die Europäische Union eine sogenannte Wasserrahmenrichtlinie beschlossen. Sie verfolgt unter anderem das Ziel, die ökologische Durchgängigkeit von Flüssen wiederherzustellen. Fische und andere Wasserbewohner sollen sich also ungehindert stromauf- und -abwärts bewegen können, um beispielsweise in ihre Laichgewässer zu gelangen. In der Murr ist das wie in vielen anderen Flüssen bislang aber nicht möglich, weil Wehre den Weg versperren.

Die EU schreibt deshalb vor, dass diese Hindernisse bis spätestens 2027 beseitigt werden müssen, etwa durch den Bau sogenannter Fischtreppen. Auch in Backnang gibt es drei Wehre, die entsprechend umgebaut werden müssen. Los gehen soll es nächstes Jahr mit dem Biegelwehr, das in eine sogenannte Raue Rampe umgebaut wird. Das Wasser soll dort künftig über mehrere, terrassenförmig angelegte Becken nach unten fließen. Der Höhenunterschied zwischen den einzelnen Becken ist dabei so gering, dass er von den Fischen auch flussaufwärts überwunden werden kann.

Allerdings sind nicht alle Fischarten im Hochsprung gleichermaßen talentiert und es stellt sich die Frage, welche Sorte für die Planung maßgeblich ist. Deshalb bestimmt die Umweltbehörde im Landratsamt für jedes Gewässer einen sogenannten Leitfisch, also die Art, die dort besonders verbreitet und damit typisch für den jeweiligen Fluss ist. In der Murr ist das die Barbe. Nur zählt diese leider zu den schlechten Springern. Zwölf Zentimeter Höhenunterschied seien das Maximum, das dieser Fisch bergauf überwinden könne, erklärte Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner den Stadträten im Ausschuss für Technik und Umwelt. Um die rund zwei Meter Höhenunterschied am Biegel zu überwinden, seien daher 16 Becken über eine Gesamtlänge von 85 Metern nötig. Die Baukosten schätzt die Stadt auf 2,3 Millionen Euro. Eine erste Planung im Jahr 2013 war noch von einer Länge von 40 Metern und Kosten von 960000 Euro ausgegangen, aber damals wusste man auch noch nichts über die mangelhaften Sprungfähigkeiten der Barbe.

Rund 700.000 Euro bleiben bei der Stadt Backnang hängen

Zwar werden die Kosten zu 70 Prozent vom Land Baden-Württemberg übernommen, trotzdem werden rund 700000 Euro an der Stadt hängen bleiben, und an der Bleichwiese und in der Fabrikstraße gibt es noch zwei weitere Wehre, die ebenfalls auf einen Umbau warten. Angesichts solcher Summen hatte die Barbe im Ausschuss einen schweren Stand. Vor allem SPD-Fraktionschef Heinz Franke hatte wenig Verständnis für die Millioneninvestition: „Mir würden viele andere ökologische Maßnahmen einfallen, die wir dafür machen könnten“, schimpfte Franke und fragte sich, ob man bald auch noch die Treppen in der Stadt absenken müsse, damit Dackel die Stufen besser bewältigen können. Frankes Idee: „Warum machen wir nicht die Forelle zum Leitfisch? Die kann höher springen.“

Baudezernent Stefan Setzer appellierte hingegen dafür, „der armen Barbe nicht die ganze Schuld zu geben“. Man korrigiere hier schließlich nur die ökologischen Sünden vergangener Jahrzehnte. Im Übrigen habe man keine Wahl: Die Stadt sei verpflichtet, EU-Recht umzusetzen. Falls man sich weigere, werde man irgendwann dazu gezwungen. Ein Fürsprecher der Barbe fand sich aber doch noch in den Reihen des Gemeinderats: Grünen-Fraktionschef Willy Härtner rechnete vor, die Mehrkosten entsprächen dem Bau von zehn Tiefgaragenplätzen, und da werde schließlich auch nicht gegeizt. „Jetzt geht es eben mal um ein ökologisches Thema und das ist mindestens genauso wichtig.“