Die CDU wappnet sich für ein mögliches Ende der Koalition

Union will vorbereitet sein, „wenn die SPD meint, die Flucht aus der Verantwortung hilft ihr“

Von Christopher Ziedler

Parteien - Nach Gesprächskontakten von Parteichefin Kramp-Karrenbauer mit Grünen und FDP betont die CDU, dass sie zur Koalition steht. Sie will im Fall der Fälle aber nicht unvorbereitet sein.

Berlin. Annegret Kramp-Karrenbauer ist an diesem Donnerstagabend zu Gast im Südwesten, wo ihre CDU mit den Grünen regiert. Die Parteichefin sitzt auf der Anklagebank des Stockacher Narrengerichts und wird vielleicht auch dazu befragt, wie sie sich eine schwarz-grüne Zukunft im Bund vorstellt. Zumindest diskutieren die Christdemokraten wieder eifrig über die Option, seit am Sonntag ein Doppelinterview von AKK und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erschienen und ein Treffen mit FDP-Boss Christian Linder zwei Wochen zuvor bekannt geworden ist.

Im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale in Berlin, wird sofort abgewiegelt. „Wir stehen zu dieser Koalition und wollen sie zum Erfolg führen“, heißt es dort. Das Präsidiumsmitglied Mike Mohring, der in Thüringen dieses Jahr eine der drei wichtigen Ost-Landtagswahlen zu bestreiten hat, hält ebenfalls wenig von der parteipolitischen Strategiedebatte: „Politik soll sich nicht mit sich selbst, sondern mit den Problemen des Landes beschäftigen.“ Die Unionsparteien wollten daher weiter den Koalitionsvertrag abarbeiten und „2019 zum Jahr der Entscheidungen machen“, um nach denEskapaden des Vorjahres„wieder Zutrauen“ zu schaffen – „ich gehe davon aus, dass es bei der SPD nicht anders ist“. Auch Unionsfraktionsvize Andreas Jung ist der Meinung, dass „die Bürger kein Verständnis dafür hätten, wenn wir bei jedem Windhauch wieder alles infrage stellen“.

Das Aber folgt den Treueschwüren stets auf dem Fuß – schließlich sind sie in der Union verärgert und laut Jung „nicht dauerhaft verheiratet mit der SPD“. Ein CDU-Regierungsmitglied, das nicht namentlich genannt werden will, beklagt, dass die Koalition „immer noch nicht richtig in die Pötte gekommen“ und „wenig Vertrauen zueinander“ entstanden sei. Ein Bundestagsabgeordneter beschwert sich, dass SPD-Minister ohne Vorabsprache Gesetzentwürfe präsentieren, die gar nicht oder in anderer Form im Koalitionsvertrag enthalten sind – zuletzt am Montag, als Justizministerin Katarina Barley mit dem Plan vorpreschte, Maklergebühren nicht länger dem Wohnungskäufer aufzubürden. In Kombination mit dem neuen Sozialstaatskonzept der SPD, der im Koalitionsvertrag angelegten Sollbruchstelle einer Halbzeitüberprüfung im Herbst dieses Superwahljahres und dem anhaltenden Groko-Unmut in Teilen der Sozialdemokratie sieht die CDU eine Situation auf sich zukommen, für die es sich zu rüsten gilt.

„Wir wollen gewappnet sein für den Fall, dass die SPD nach den Europa- oder Landtagswahlen die Koalition verlässt“, sagt der Stuttgarter Abgeordnete Stefan Kaufmann. „Das Jahr 2019 mit seinen vielen Wahlen steckt voller Prüfungen, und wir als CDU wissen insbesondere nicht, wie unser Koalitionspartner SPD daraus hervorgehen wird und welche Schlüsse er daraus zieht“, meint Fraktionsvize Thorsten Frei, „es ist daher ein Gebot der Klugheit, nicht unvorbereitet in den Herbst zu gehen und immer auch das Gespräch mit anderen Parteien zu suchen.“

Bundesvize Thomas Strobl wünscht schon mal „gute Fahrt“, „wenn die SPD meint, die Flucht aus der Verantwortung hilft ihr“. Der stellvertretende Stuttgarter Ministerpräsident erinnert gleich daran, dass er zu Beginn der Legislaturperiode „sehr für eine Jamaikakoalition gearbeitet“ habe und „gut und erfolgreich mit dem Grünen Winfried Kretschmann“ regiere – „ja, ich glaube, dass man mit den Grünen etwas hinkriegen kann“. Nötig ist dafür aus seiner Sicht, dass sie „ihre verbohrte Ideologie“ ablegen, etwa bei den sicheren Herkunftsstaaten.

In Vorgesprächen müsste freilich erst geklärt werden, ob die Umweltpartei, deren jüngstes Bundestagswahlergebnis von aktuellen Umfragen klar übertroffen wird, überhaupt Interesse hätte, ohne Neuwahlen in eine Koalition zu gehen. Die Liberalen glaubt die Union im Falle des Falles dagegen an Bord zu wissen. „Die FDP“, heißt es, „kann nicht noch malNein sagen.“

Dass eine Jamaikakoalition nicht nur Ergebnis eines sozialdemokratischen Regierungsrückzugs sein könnte, wird in der Union weniger offen diskutiert. Viele in der Partei halten es aber für durchaus denkbar, dass Kramp-Karrenbauer deutlich vor Ende der Legislaturperiode 2021 den Zeitpunkt für gekommen halten könnte, Angela Merkel auch im Kanzleramt abzulösen, um mit einem gewissen Amtsbonus in die nächste Wahl zu gehen. Wer ihr den verschaffen würde, ist die Frage. Sie sehe Koalitionsfragen „sehr pragmatisch“, sagte die CDU-Chefin im Interview mit der „Bild am Sonntag“.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.berlin-wie-es-zum-abbruch-der-jamaika-gespraeche-kam.0a46f69e-40a6-4641-9d09-26a08e55d6d4.htmlhttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.die-koalitionskrise-nach-der-koalitionseinigung-einer-zuendelt-keiner-loescht.5dc6bf6b-c76d-4034-a5b4-ed8ee5c637d0.html