Die Regierung sollte ihre Rentenpolitik stärker auf Menschen mit niedrigen Renten ausrichten.
Von Eidos Import
Sobald es in der politischen Auseinandersetzung um die Rente geht, spielen Fakten eine untergeordnete Rolle. Es geht vielmehr um Gefühle, um einen schwammigen Begriff von Gerechtigkeit – und vor allem geht es um Wählerstimmen. Das erklärt auch, warum die schwarz-rote Koalition beim Thema Rente nur schwer zueinander findet, warum die Diskussion nur wenig konkret geführt wird. Viele Rentner sehen ihre Lebensleistung herabgewürdigt, wenn es darum geht, das Rentensystem zu konsolidieren, also zu sparen. Doch auch viele Junge, die noch Jahrzehnte vom Ruhestand entfernt sind, wollen ihre künftige Lebensleistung anerkannt sehen, wobei sie von der Rente ohnehin nicht allzu viel erwarten.
Diese, zugegeben, schablonenhaft beschriebenen Einstellungen werden von der Politik bedient und befördert. Wenn es um Rentner geht, geht es um „Menschen, die ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet haben“. Dabei fällt sehr oft unter den Tisch, ob diese harte Arbeit etwa in Teilzeit oder mit Unterbrechungen geleistet wurde. Fast gar nicht mehr wird über die tatsächlich eingezahlte Beitragssumme gesprochen. Insbesondere Sozialdemokraten scheinen die Ansicht zu vertreten, dass ein Rentenanspruch in voller Höhe besteht, wenn man sich nur irgendwie bemüht hat.
Dahinter steht ein einfaches politisches Kalkül. Nicht ohne Hintergedanken hat Ampel-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seinem Wahlkampf auf das Thema Rente gesetzt. Schließlich wählen die Alten zuverlässig die Volksparteien der Vergangenheit, Union und SPD. Wer dort verliert, droht auch künftige Wahlen zu verlieren. Kein Wunder, dass Friedrich Merz (CDU) den Rentenrebellen von der Jungen Union die Frage stellte, wie man sich denn vorstelle, mit einer Absenkung des Rentenniveaus Wahlen zu gewinnen. Änderungen an der Rente, auch wenn sie die aktuelle Rentnergeneration selbst gar nicht betreffen, sind in dieser Wählergruppe extrem unpopulär, weil es wie gesagt nicht um Zahlen geht, sondern um das Gefühl, ihre Lebensleistung werde infrage gestellt.
Kein Wunder, dass auch im aktuellen Fall äußerst unehrlich diskutiert wird. Die SPD argumentiert, das Rentenniveau müsse bei 48 Prozent gehalten werden, um Menschen mit niedriger Rente vor Altersarmut zu schützen. Das stimmt einerseits. Auf der anderen Seite verschweigen die sozialdemokratischen Politiker, dass der wirklich größte Teil des benötigten Geldes nicht an die armen Rentner geht, sondern an diejenigen mit den hohen und höchsten Renten.
Das haben die Rentenrebellen der Union erkannt. Doch anstatt das gesamte Vorhaben (inklusive Mütterrente) abzulehnen und ein Programm zur gezielten Unterstützung von Beziehern niedriger Renten vorzulegen, stören sie sich daran, dass das Rentenniveau 2031 nicht sofort auf 47 Prozent abgesenkt wird. Sie verschweigen dabei, dass das nur mit einer (gesetzlich untersagten) Kürzung der Renten möglich wäre. Womit sich zwar die viel zitierten 115 Milliarden Euro sparen ließen, aber nur zu einem hohen politischen Preis, der weiteren Diskreditierung der Rente, der Entwertung von Lebensleistung.
Unsinnig oder nicht, für die SPD war die Sicherung des Rentenniveaus eine zentrale Bedingung für die Koalition mit der Union. Es handelt sich also um den vertraglich festgehaltenen Preis, den die konservativen Parteien zahlen müssen, um überhaupt eine Regierung führen zu können.
Eine andere politische mögliche Mehrheit gibt es schließlich nicht. „Pacta sunt servanda“, heißt es so schön. Verträge müssen eingehalten werden, auch wenn einem der eine oder andere Teil der Vereinbarung nicht passt.