Im Europaparlament wird darüber abgestimmt, ob vegetarische Produkte weiter wie Fleischprodukte bezeichnet werden dürfen.
Darf ein veganes Schnitzel Schnitzel heißen? Die EU-Parlamentarier streiten sich.
Von Knut Krohn
In Europa geht es um die Wurst. Im EU-Parlament wird am Dienstag darüber abgestimmt, ob Bezeichnungen wie Schnitzel, Hamburger oder auch Wurst für vegetarische Produkte verwendet werden dürfen. Eingebracht wird der Antrag von der konservativen EVP-Fraktion. „Ein Steak ist aus Fleisch gemacht – Punkt“, betont die zuständige Berichterstatterin Céline Imart. Ihr gehe es nicht nur darum, durch eine ehrliche Etikettierung die Landwirte zu schützen, sie wolle auch eine kulinarische Tradition Europas bewahren.
Unterstützt wird der Vorstoß von Norbert Lins, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Agrarausschusses. „Ich sehe im Supermarkt, dass die Verpackungen der Produkte sehr ähnlich aussehen und das von den Herstellern vegetarischer Produkte offenbar bewusst so gestaltet wird“, sagt der CDU-Europaparlamentarier. Das führe bei den Verbrauchern unweigerlich zu Verwirrung, ist er überzeugt.
Es geht um die Stärkung der Landwirte
Eigentlich gehe es bei dem Antrag um die Stärkung der Landwirte in der Lieferkette und die Pflicht zu faireren Lieferverträgen, betont Norbert Lins und wirkt etwas verärgert, dass nun vor allem über die Bezeichnung von vegetarischen und veganen Produkten geredet werde. Diese Entwicklung hätte sich die Christdemokraten selbst zuzuschreiben, kritisieren die Sozialdemokraten im EU-Parlament und spotten über einen konservativen Kultur-Kampf um Veggie-Burger. Aus Sicht der Europa-SPD sollte sich die EU nicht über Begriffe wie „Kohlrabi-Schnitzel“ streiten, sondern um die tatsächlichen Probleme der Landwirtschaft kümmern: faire Preise, Planungssicherheit, Unterstützung für regionale Betriebe und Klima- sowie Umweltschutz. Auch Thomas Waitz, Agrarsprecher der Grünen, ärgert sich über den Vorstoß der EVP. Er ist überzeugt, dass niemand ein Seitanschnitzel mit einem Kalbsschnitzel verwechseln werde. Hier würden die Landwirte für billigen Populismus missbraucht und die Konsumenten für dumm verkauft, ist der Europaparlamentarier und Bio-Bauer aus Österreich überzeugt.
Inzwischen haben sich zahlreiche Unternehmen mit einem offenen Brief an die EU-Parlamentarier gewandt. Zu den Unterzeichnern zählen große Handelsunternehmen wie Lidl und Aldi Süd, der Hersteller Rügenwalder Mühle oder auch die Fast-Food-Kette Burger King Deutschland. Sie argumentieren, dass Studien belegen würden, dass Verbraucher nicht verwirrt würden – ganz im Gegenteil. Die vertrauten Begriffe würden den Kunden eine Orientierung geben. Sie würden helfen einzuschätzen, was im Bezug auf Geschmack und Konsistenz zu erwarten ist.
Der Lobby-Think-Tank Good Food Institute betont, dass Deutschland mit rund 760 Millionen Euro der mit Abstand größte Markt für pflanzliche Fleischalternativen in Europa sei und zudem in erheblichem Umfang für den Export in die EU-Länder produziere. Das bedeute, dass deutsche Betriebe von der Einschränkung der bisher geläufigen Bezeichnungspraxis überproportional betroffen wären. Ivo Rzegotta vom Good Food Institute argumentiert deshalb: „Aus dem Europäischen Parlament droht ein wettbewerbsverzerrender Eingriff in einen nachhaltigen Zukunftsmarkt, für den es keine sachlichen Gründe gibt.” Zudem laufe der Antrag des konservativen EU-Parlamentarier den Zielen der Bundesregierung entgegen, die das Ziel der aktiven Förderung alternativer Proteinquellen im Koalitionsvertrag festgeschrieben habe.
Es geht um Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze
Das Good Food Institute streicht zudem die ökonomische Bedeutung des Sektors für Deutschland heraus und zitiert dazu Berechnungen des Beratungsinstituts Systemiq. Eine Prognose lautet, die Produktion und der Verkauf von Fleischesatzprodukten könne in den kommenden 20 Jahren bis zu 65 Milliarden Euro zur deutschen Wirtschaftsleistung beitragen und bis zu 250 000 neue Arbeitsplätze schaffen, darunter allein 40 000 in der Landwirtschaft.
Dass bei den veganen Bezeichnungen kein Handlungsbedarf bestehe, habe Ende 2024 auch der Europäische Gerichtshof gegen die französische Regierung entschieden, betonen die Kritiker. Laut EuGH seien die geltenden EU-Rechtsvorschriften ausreichend, um Verbraucher vor irreführenden Kennzeichnungen zu schützen.
Befürworter eines Verbots wie Norbert Lins ziehen bei ihrem Vorstoß aber eine Parallele zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2017, dass Soja-Drinks in der EU nicht als Milch bezeichnet werden dürfen. Allerdings lehnte das Parlament bereits im Jahr 2020 einen ersten Versuch ab, Benennungen wie Wurst und Schnitzel ausschließlich für tierische Produkte zu reservieren. Zudem hat der EuGH Ende 2024 entschieden, dass EU-Mitgliedstaaten Lebensmittelhersteller angesichts der aktuellen rechtlichen Grundlage grundsätzlich nicht daran hindern können, vegetarische Lebensmittel mit Bezeichnung zu versehen, die traditionell mit Fleisch assoziiert werden. Genau diese Grundlage aber wollen die Konservativen mit ihrem Vorstoß im EU-Parlament nun ändern.