Die Feuerwehr als Volkspartei?

Georg Spinner, Verbandsvorsitzender im Rems-Murr-Kreis, denkt laut nach – Versammlung mit Politprominenz

Von Jörg Nolle

WELZHEIM. Ganz ernst genommen haben will er das nicht. Zumal die Feuerwehrleute dann auch noch Stunden absitzen müssten auf Bänken. Aber als Idee geht es: die Feuerwehr als Partei im Parlament. Womöglich wäre der Wählerzuspruch gar nicht gering. Die neue Volkspartei. So ist Georg Spinner zu verstehen, Vorsitzender des Feuerwehrverbandes Rems-Murr.

So klingt Spinners Zitat im Originaltext, gesprochen in Welzheim bei der Verbandsversammlung: „Wäre die Feuerwehr eine wählbare politische Partei, hätten wir vermutlich einige Sitze in den Parlamenten, denn gerade im Bereich Umweltschutz und Fragen zur inneren Sicherheit der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr besitzen wir schlüssige Konzepte und Maßnahmen.“

Auf die Frage, ob die Wehren sich jetzt wirklich als Partei organisieren wollen, lacht Spinner. Das nicht. Aber diese Vorstellung beschreibe ganz gut, wie die meistenteils Ehrenamtlichen unter dem roten Label vernetzt sind mit anderen Organisationen. Vielleicht müssten ja noch die Rotkreuzler mit einsteigen und andere Lebensretter. Eine neue Volkspartei, jetzt, wo die etablierten erdrutschartig bröckeln.

Er beruhigte gleich darauf auch die anwesende Rems-Murr-Politprominenz. Es gebe keine politischen Ambitionen. Aber die optimistische Einschätzung des Vorsitzenden kommt nicht von ungefähr. Er kann auf zahlreiche positive Entwicklungen bei den Feuerwehren im Kreis zurückblicken. Wobei die Politik selbst mehr tun könnte. Spinner spricht von „Optimierungspotenzial“. Beispielsweise bei der Bereitstellung von Lehrgangsplätzen für die Einsatzkräfte an der Landesfeuerwehrschule.

1127 Jugendfeuerwehrleute im Kreis, das ist wohl die wichtigste Nachwuchsressource. „Trotz einer leichten Personalzunahme bei den Einsatzabteilungen und Jugendfeuerwehren ist die Nachwuchsgewinnung aber kein Selbstläufer“, erklärt Spinner. „Mit den Gründungen von Kindergruppen konnte in den letzten Jahren ein wichtiger Baustein ergänzt werden.“ Franziska Fliß, Fachgebietsleiterin Kindergruppen, ergänzte: Aktuell gibt es elf Kindergruppen, in denen rund 200 Kinder betreut werden.

Konstruktive Zusammenarbeit

mit dem Kreisbrandmeister

Retten, Bergen, Löschen gehören zur öffentlichen Daseinsfürsorge. Deshalb freut es Spinner, dass es eine „stets sehr konstruktive Zusammenarbeit“ gibt mit dem Kreisbrandmeister René Wauro.

Wauro war’s dann, der den Stand der Wehren anhand von Zahlen hervorhob. 2018 wurden 36 Lehrgänge mit insgesamt 633 Teilnehmern organisiert, hinzu kamen Fortbildungen mit 80 Teilnehmern an der Landesfeuerwehrschule sowie die Abnahme von Leistungsabzeichen. Die Finanzminister allerorten sind immerhin freigiebiger geworden. Bei der Förderung von Einsatzfahrzeugen und weiteren Investitionen durch den Landkreis gab’s mit 881000 Euro ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Spinner und Wauro taugen womöglich doch zum Politiker. Manche Wahrheit muss vorsichtig angesprochen werden, um die Adressaten nicht zu verschrecken. Diesmal ging die Botschaft an die Wehren selbst, die ruhig ein bisschen mehr Nachbarschaft pflegen könnten. „Etwas überspitzt formuliert, entwickelt jede Feuerwehr ihre ureigene Strategie – so werden viele Ressourcen aufgefressen“, meint Spinner. Mit Schulungen und Workshops sowie der intensiven Arbeit in den Sachgebieten des Verbands werde versucht, dem gegenzusteuern und Synergien aufzuzeigen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Jugendfeuerwehr trifft Industrie“. Zu diesem Vorzeigeprojekt, das inzwischen deutschlandweit bekannt ist, gratulierte der CDU-Landtagsabgeordnete und Staatssekretär Wilfried Klenk den Feuerwehren ganz ausdrücklich.

Unter den Nägeln brennt dem Verband das Thema Ausbildung. „Die Amtszeiten von Führungspositionen verkürzen sich, und somit steigen der Bedarf und die Wartezeiten für Lehrgänge. Man hört, an der Landesfeuerwehrschule sind diese immer noch hoch, trotz des Neubaus“, so Spinner. Er appellierte an die Politik, über einen weiteren Erweiterungsbau nachzudenken. Wauro sagt, gerade kleine Abteilungen kämen nur so an aktuelles Wissen. Leitstellenstruktur, Nachwuchsgewinnung – Landrat Richard Sigel sagte Unterstützung zu und zeigte sich mit der Arbeit der Ehrenamtlichen sehr zufrieden. Fast schon war’s eine Einladung, einen Trupp in den politischen Raum zu entsenden: „Die Feuerwehr hat für mich auf einer Skala 100 von 100 möglichen Punkten erreicht – und das nicht nur in Sachen Einsatz. Dafür ein herzliches Dankeschön.“