Corona-Krise führt zu dramatischen Steuerausfällen

dpa Berlin. Die Corona-Krise trifft den deutschen Staat finanziell noch schlimmer als die Finanzkrise 2009. Die Steuereinnahmen brechen drastisch ein. Finanzminister Scholz aber macht klar: Die Regierung ist gewappnet. Es soll nicht gespart werden - ganz im Gegenteil.

Corona-Krise führt zu dramatischen Steuerausfällen

Bundesfinanzminister Scholz im Bundestag. Es wird erwartet, dass die Einnahmen des Staates zum ersten Mal seit der Finanzkrise 2009 wieder deutlich sinken. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Corona-Krise reißt ein riesiges Loch in die Staatskassen. Erstmals seit der Finanzkrise 2009 sinken die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht die Regierung aber gewappnet, die schweren finanziellen Folgen der Krise zu bewältigen. „Wir brauchen nicht gegen die Krise ansparen und wollen es auch nicht“, sagte Scholz in Berlin. Es sollten keine Leistungen etwa im Sozialen gespart werden. Die Bundesregierung wolle mit einem Konjunkturprogramm die Wirtschaft wieder ankurbeln.

Die Steuerschätzer rechnen damit, dass in diesem Jahr 81,5 Milliarden Euro weniger Steuern reinkommen als im vergangenen Jahr - ein Minus von mehr als zehn Prozent. Bund, Länder und Kommunen müssen daher mit 98,6 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November vorhergesagt - und bereits in den Haushalten verplant.

Scholz sagte, dank einer sehr soliden Haushaltspolitik sei die Regierung in der Lage, mit einer solchen Situation umzugehen. Die Regierung werde Anfang Juni ein Konjunkturprogramm vorlegen, das im Zuge der schrittweisen Corona-Lockerungen neuen Schwung für die Wirtschaft und damit Wachstum bringen solle. Nicht nur die Unternehmen, auch die finanziell gebeutelten Kommunen erwarten Hilfe.

Das Programm dürfte Milliarden kosten, Scholz wollte aber nichts zum Volumen sagen. Die Regierung könne sich zudem das, was sie sich vorgenommen habe, weiter leisten. Dazu gehöre auch die Grundrente, die in der Koalition umstritten ist. Scholz deutete außerdem an, der Bund könne höhere Zuschüsse für Sozialkassen leisten.

Der Chef-Haushälter der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU) sagte, die Gesundheit der Menschen und die Stabilisierung der Wirtschaft hätten nun Vorrang. „Dennoch müssen wir Maß halten.“ Der Bundesetat könne nicht alles tragen. „Letztlich müssen alle Schulden irgendwann von den nachfolgenden Generationen getilgt werden.“

Die Steuereinnahmen sinken in diesem Jahr zum einen durch Gewinneinbußen, Umsatzrückgang und Kurzarbeit erheblich. Teile des Rückgangs für 2020 sind darauf zurückzuführen, dass der Bund großzügige Regelungen zu Steuerstundungen und Verlustrücktrag eröffnet hat. Diese Maßnahmen werden sich in den Folgejahren aber positiv auswirken, denn die zusätzliche Liquidität vieler Unternehmen sicherte ihren Fortbestand und damit Steuereinnahmen.

Der Prognose zufolge sinken die Steuereinnahmen noch drastischer als in der Finanzkrise. Auch für die kommenden Jahre sind die Aussichten düster. Bis 2024 stehen dem Staat laut Schätzung rund 315,9 Milliarden Euro weniger zur Verfügung als im vergangenen Herbst erwartet.

Düster sehen die Aussichten auch für die Kommunen aus. Scholz stellte einen Rettungsschirm in Aussicht, wie ihn kommunale Spitzenverbände fordern. Der Finanzminister sprach sich außerdem erneut dafür aus, besonders belastete Kommunen von Altschulden zu befreien.

Der Deutsche Städtetag sprach von einem historischen Steuereinbruch für die Kommunen, die Einnahmen gingen im Jahr 2020 im Vergleich zur vergangenen Schätzung um rund 16 Milliarden Euro zurück. „Wir brauchen Hilfe von Bund und Ländern in zweistelliger Milliardenhöhe, damit die Belastungen der Kommunen in großem Umfang aufgefangen werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Es geht darum, die Städte handlungsfähig und lebenswert zu erhalten.“

Vor allem die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmenquelle der Kommunen ist wegen der schweren Wirtschaftskrise eingebrochen. Eine wesentliche Grundlage für die Steuerschätzung ist die Frühjahrs-Konjunkturprognose. Die Bundesregierung rechnet wegen der Corona-Krise mit der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Wirtschaftsleistung dürfte um 6,3 Prozent abstürzen. Das lässt nicht nur Gewerbe- und Umsatzsteuer einbrechen, sondern wegen der drastischen Kurzarbeit auch die Einkommensteuer.

Das Finanzministerium beziffert die Kosten der Corona-Hilfspakete inzwischen auf 453,4 Milliarden Euro allein im Jahr 2020. Dazu kommen Garantien über mehr als 800 Milliarden Euro, die möglicherweise auch noch greifen müssen, wenn Unternehmen ihren Kreditverpflichtungen nicht nachkommen können.

Es deutet sich deshalb an, dass die bisher geplanten 156 Milliarden Euro an neuen Schulden im Bundeshaushalt nicht ausreichen, um die Folgen der Pandemie abzufangen.

Scholz kündigte eine zusätzliche Steuerschätzung im September an, bevor der Haushalt für das kommende Jahr aufgestellt werde. Dann könnten die Mindereinnahmen noch präziser vorhergesagt werden. Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst.

Die Grünen-Haushälter Anja Hajduk und Sven-Christian Kindler schlugen vor, 100 Milliarden Euro für Konjunkturmaßnahmen einzusetzen - dazu 500 Milliarden Euro in zehn Jahren für ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm.

AfD-Chef Jörg Meuthen sagte, „Merkels Corona-Shutdown hat der Wirtschaft schwer geschadet.“ Steuererhöhungen seien nun nicht die richtige Antwort auf die entstandene Krisensituation. Besser wäre es, „falsche Ausgaben“ zu streichen, etwa für „Gender-Lehrstühle, Förderung linksextremer Vereine, viel zu hohe EU-Abgaben“.

FDP-Fraktionsvize Christian Dürr sagte, die Entlastung der Wirtschaft und der Mitte der Gesellschaft seien nun das Gebot der Stunde. Linke-Chef Bernd Riexinger forderte erneut eine Vermögensabgabe, um die Kosten der Corona-Krise zu finanzieren.

Spitzenverbände der Wirtschaft dagegen warnten vor Steuererhöhungen. Die Bundesregierung müsse stattdessen die längst überfällige Reform der Unternehmensteuern umsetzen und Bürokratie abbauen.