„Die Große Koalition will niemand mehr“

Akteure der verschiedenen Parteien aus dem Rems-Murr-Kreis machen sich Gedanken über mögliche Regierungskonstellationen. Die meisten erhoffen sich ein Dreierbündnis – Ampel- oder Jamaikakoalition – und sehen die Rolle der FDP dabei als entscheidend an.

„Die Große Koalition will niemand mehr“

Die Stimmen sind ausgezählt, nun stellt sich die Frage: Wer stellt künftig die Regierung?Foto: J. Fiedler

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. „Nicht unzufrieden“ sei sie mit dem Ergebnis ihrer Partei bei der Bundestagswahl, sagt Ines Preuß, Vorsitzende der SPD Oberes Murrtal, schmunzelnd. Die logische Konsequenz des Wahlsiegs sei, dass Olaf Scholz Kanzler werde – auch wenn eine sogenannte Jamaikakoalition zwischen CDU, Grünen und FDP möglich ist. „Die Ampelkoalition ist mein Wunsch“, sagt Preuß. „Von der Großen Koalition halte ich persönlich nichts.“ Diese bringe weder die SPD noch den Klimaschutz weiter. Stattdessen müsse jetzt mit den Grünen und der FDP verhandelt werden. Während mit den Grünen eine recht große Schnittmenge vorliege, sei das mit der FDP nur bedingt der Fall. Daher sieht die Ortsverbandsvorsitzende Probleme auf die SPD zukommen, was die Marschroute in Sachen Klimaschutz und Steuerpolitik angeht.

Auch Luca Schneider, Sprecher der Jusos im Rems-Murr-Kreis spricht sich für eine Ampelkoalition aus. In der Kanzlerfrage habe die Bevölkerung eindeutig Olaf Scholz bevorzugt. „Nun kommt es darauf an, ob die Verhandlungen mit der FDP klappen. Nach dem Theater von vor vier Jahren bin ich allerdings skeptisch.“ Vor allem bei der Finanz- und Steuerpolitik – angefangen mit einem höheren Mindestlohn – sieht er schwierige Verhandlungen auf seine Partei zukommen. Er hofft aber, „dass die Grünen nicht einknicken“ und der Jamaikakoalition eine Abfuhr erteilen. Eine Große Koalition würde Schneider nur „sehr, sehr ungern“ sehen. „Sollten alle anderen Gespräch scheitern, kann man sie aber nicht ausschließen.“

Manuel Häußer, Vorsitzender der CDU in Backnang, findet diesbezüglich deutliche Worte: „Eine Große Koalition will niemand mehr.“ Allerdings sei es selten so schwierig gewesen, eine gute Lösung zu finden, räumt er ein. In vorherigen Diskussionsrunden seien deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien zutage gekommen, insofern gelinge eine Regierungskoalition nur dann, wenn jeder bereit sei, Abstriche zu machen. „Ich finde es wichtig, dass Deutschland eine verlässliche und stabile Regierung bekommt“, so Häußers Anliegen. Eine Jamaikakoalition ist für ihn eine Option, da sei die Schnittmenge am größten. „Vor vier Jahren ist das Bündnis noch gescheitert, aber vielleicht haben die involvierten Personen daraus gelernt.“ Im Falle eine Ampelkoalition müsse die CDU sich mit dem Ergebnis abfinden und gute Oppositionsarbeit machen.

Konfliktpotenzial in der Finanzpolitik

„Überheblichkeit geht nicht, Demut ist angesagt“, urteilt auch Fabian Zahlecker, Pressesprecher der Jungen Union im Rems-Murr-Kreis. Auch seine Wunschoption ist die Regierung von CDU mit Grünen und FDP, so könne man eigene Inhalte besser umsetzen. Er schränkt aber auch ein: „Einen klaren Regierungsauftrag haben wir nicht erhalten.“ Folglich sei die CDU nicht in der Position, zu Koalitionsgesprächen einzuladen. Die Initiative müsse von Grünen und FDP ausgehen. Dort sieht Zahlecker durchaus Konfliktpotenzial: „Gerade in der Wirtschafts- und Finanzpolitik hat die FDP andere Schwerpunkte als Rot-Grün und würde ihre Glaubwürdigkeit verspielen, wenn sie die Ampel eingeht.“

Renate Burkhardt-Schimpf, Sprecherin der Grünen Oberes Murrtal, hingegen sieht die FDP vielmehr in der Pflicht, Eingeständnisse zu machen: „Die FDP weiß, dass sie es nicht noch einmal vergeigen kann. Darauf hoffe ich“, sagt sie im Hinblick auf die gescheiterten Verhandlungen von 2017. Allerdings seien die Liberalen in einer „super Position, um zu pokern“. Ihre persönliche Präferenz ist klar: Es muss eine SPD-geführte Koalition werden. Ich möchte keine CDU mehr in der Regierung haben.“ Folglich setzt Burkhardt-Schimpf ihre Hoffnungen auf die Ampel. Schwierig sei hierbei vor allem der Wille der FDP, „die Oberen“ zu entlasten. Bei sozialen Themen werde eine Übereinkunft mit der SPD schwierig, mit den Grünen werde vor allem der Klimaschutz ein Streitpunkt.

Die Backnanger Stadt- und Kreisrätin für die Grünen, Juliana Eusebi, sieht das Ziel ihrer Partei darin, eine Klimaregierung zu bilden. „Klimaschutz wird das größte Thema sein“, sagt sie. Am besten sei dies in einer Ampelkoalition umzusetzen. SPD und Grüne hätten schon länger miteinander geliebäugelt. „Aber die FDP kann ein harter Verhandlungspartner sein.“ Jede der genannten Parteien habe sich im Vorfeld für Klimaschutz ausgesprochen – „jetzt müssen sie zeigen, ob es ihnen ernst damit ist“. Bei der CDU, findet Eusebi, sei der Wunsch nach einem Aufbruch gerade unter jüngeren Wählern nicht angekommen. „Insofern hoffe ich, dass es keine neue GroKo gibt.“

Wie sehen FDP-Mitglieder die Rolle ihrer Partei? „Aus der Regierung muss man uns nicht mehr wegdenken“, findet Anna Stubert, Vorsitzende der Jungen Liberalen Rems-Murr. In welcher Regierungskonstellation die Partei allerdings mitwirken soll, darüber sei man sich in der Basis uneinig. „Ich persönlich würde die Ampel bevorzugen. Da finden sich die meisten Vorteile für die meisten Menschen“, so Stuberts Einschätzung. In puncto Klimaschutz sei man nämlich nicht so weit voneinander entfernt, wie das mancher behaupte. „Das empfinde ich als gut lösbar.“ Ein Thema, bei dem die FDP für ihre Positionen einstehen sollte, ist für sie die Digitalisierung.

Markus Wenzel, kommissarischer Vorsitzender der FDP Backnanger Bucht, hält eine Jamaikakoalition für wahrscheinlicher. „Christian Lindner hat im Vorfeld Sympathien für die CDU geäußert und das sehe ich genauso.“ Die Schnittmengen seien in deser Konstellation größer. „Jetzt hoffe ich, dass sich FDP und Grüne einigen können“, so Wenzel. Die Grünen seien regulierungsorientierter, das könne eventuell für Verstimmungen sorgen, aber unüberwindbare Hindernisse sehe er nicht. „Christian Lindner und Robert Habeck haben sich ja schon im Vorfeld besprochen, da sind die meisten Themen sicherlich schon ausgeräumt“, gibt er sich optimistisch. Medial würden sich beide Seiten vielleicht noch etwas zieren, aber letzten Endes werde man sich einig.