Die großen Filmreihen sind ein Muss

Backnanger Kinobetreiber erklären, wie das Programm zustande kommt – Persönliche Vorlieben beeinflussen die Entscheidung

Mehrere Tausend Filme werden weltweit jedes Jahr produziert. Nur ein Bruchteil davon landet im Programm der Kinos. Auf einschlägigen Messen können sich die Kinobetreiber vorab informieren, beim Organisieren der verschiedenen Vorführungen ist aber einiges an Fingerspitzengefühl gefragt.

Die großen Filmreihen sind ein Muss

Annegret und Julia Eppler widmen sich jeden Montag der aufwendigen Zusammenstellung des Kinoprogramms. Foto: J. Fiedler

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Es gibt Filme, die müssen in jedem Kino laufen. Teile der Star-Wars-Reihe, zum Beispiel. „Bei solchen Blockbustern könnte ich mir nicht erlauben, sie wegzulassen“, erklärt Annegret Eppler, Betreiberin des Backnanger Kinos Universum. Das mache die Arbeit aber insofern schwer, dass sich die Verleihe dessen durchaus bewusst sind. „Sie fordern dann dementsprechend viele Spielzeiten.“ So müsse die Realverfilmung des Disney-Klassikers „König der Löwen“ beispielsweise sowohl in 2-D als auch in 3-D gezeigt werden. „So blockiert der Film gleich zwei von fünf Sälen“, erklärt Eppler. Verzichten kann man darauf dennoch nicht. Auch Heinz Lochmann, der Inhaber der Lochmann Filmtheaterbetriebe, zu denen auch der Backnanger Traumpalast gehört, sagt: „Ich würde niemals einen James-Bond-Film in der vierten Woche zugunsten eines Horrorfilms absetzen, der ja nur ein Nischenpublikum anzieht.“

Der Nachteil dieser Praktiken: Kleine Filme ohne berühmte Produktionsfirmen im Hintergrund gehen oftmals unter. Damit aber auch ungewöhnliche Filme ihren Weg ins Kino finden, informieren sich die Betreiber auf den einschlägigen Messen. Denn auch abseits der garantierten Kassenschlager gilt es, Filme auszuwählen. Annegret Epplers Tochter Julia war erst kürzlich für drei Tage auf der Filmmesse Köln. „Die Verleiher geben dort einen Ausblick auf das kommende Jahr, bringen Trailer verschiedener Filme mit, manchmal auch Rohfassungen oder Szenen vor dem Greenscreen“, erklärt sie. So könne man erkennen, wie Filme wirken, auch wenn sie noch nicht fertig sind. So sei zu erkennen, welche Zielgruppe ein Film anspricht. „Wir müssen am Puls bleiben“, fordert Annegret Eppler.

Sinnlose Gewalt in Filmen ist im Kino Universum nicht erwünscht

Gerade im Filmcafé, das seit elf Jahren an jedem zweiten Mittwoch eines Monats am Nachmittag stattfindet, würden auch mal ungewöhnlichere Streifen laufen. „Das sind Filme, bei denen sich die Besucher mehr oder weniger darauf verlassen müssen, dass wir etwas Passendes ausgesucht haben“, erklärt die Chefin. Das Feedback der Stammgäste habe sie aber bisher bestätigt. „Sich dieses Vertrauen auszubauen, braucht aber auch lange Zeit“, ist sich die Betreiberin der Verantwortung bewusst. Im Kino Universum setzt man auf Ausgewogenheit. „Es soll für jeden etwas dabei sein“, sagt Annegret Eppler. Also müssen verschiedene Generationen ebenso angesprochen werden, wie auch die unterschiedlichen Genres bedient werden wollen. Nur ein paar Grundregeln hat die Kinofamilie sich selbst auferlegt. „Ich möchte keine sinnlose Gewalt in Filmen zeigen“, sagt die Universum-Betreiberin. Besonders nach dem Amoklauf in Winnenden sei das hiesige Publikum in dieser Hinsicht auch sensibilisiert. Heinz Lochmann hält sich zurück bei Filmen, die stark polarisieren. Als Beispiel nennt er „Die letzte Versuchung Christi“ aus dem Jahr 1988. „Der Film war sehr umstritten, wurde von vielen als blasphemisch wahrgenommen“, erklärt Lochmann. Heutzutage lasse er bei extrem politischen Filmen Vorsicht walten.

Die Kinobetreiber lassen aber durchaus auch eigene Vorlieben in die Auswahl der Filme einfließen. „Jeder hat so seine Lieblingsfilme, die er etwas mehr hofiert als andere, die einem nicht so liegen“, räumt Lochmann ein. Es komme auf die Philosophie des Hauses an, welcher Film verlängert wird. In seinem Fall gelte das vor allem für „softeres Kinoprogramm“. „Herzschmerz, gemeinsam lachen und weinen und begeistert sein – das sind die Filme, die ich gern mag.“ Oder auch, wenn Ungerechtigkeit bekämpft werde, wie kürzlich in „Der Fall Collini“. „Wir spielen viel, was wir wollen, nicht was zwingend richtig ist“, sagt Annegret Eppler lachend. Denn auch als Kinobetreiber könne man sich positionieren. Das tun die Epplers. „Es kommen viele Vereine und Organisationen auf uns zu, wenn ein Film zu ihrer Thematik passt. Oder andersherum sprechen wir sie an, wenn wir die Möglichkeit einer gemeinsamen Aktion sehen“, erklärt die Chefin. Für sie ist das Kino die kulturelle Zentrale, wo die Besucher durch das Medium Film ins Gespräch kommen sollen.

Mancher Erfolg war auch für die Betreiber überraschend

Unter anderem deshalb ist auch nicht jeder Film mit berühmten Darstellern automatisch gut genug, um ins Kinoprogramm zu kommen. Tochter Julia schildert ein Erlebnis ihres Messebesuchs: Der Trailers eines Streifens, bei dem ein bekannter Influencer mitwirkte, habe sie dazu verleitet, sich mehr vom Film anzuschauen – mit der Folge, dass sie ihn ablehnte. „Er war nicht wertig gemacht, hatte keinen Tiefgang und war teilweise vulgär“, erklärt sie. Seichte Filme könnten schon auch gut laufen, wenn das Drumherum stimme. Aber nur eine bekannte Person vor die Kamera zu stellen, sei nicht genug.

Trotz ihrer Fachkenntnis, sind auch die Kinobetreiber ab und zu vom Erfolg eines Films überrascht. „Es gibt ,Schnellschießer‘ und ,Steher‘, so nenne ich das“, erklärt Annegret Eppler. Ersteres seien vor allem Actionstreifen, die in den ersten Wochen viele Besucher anziehen, dann aber ziemlich schnell abebben. Den gegenteiligen Effekt erfahren Filme, die erst durch Mundpropaganda richtig erfolgreich werden. So sei es mit dem Film „Die Kirche bleibt im Dorf“ ergangen. Der sei bei Weitem nicht so erfolgreich erwartet worden, wie er schlussendlich war. Heinz Lochmann erinnert sich an den ähnlich unverhofften Erfolg des Films „Dirty Dancing“. Ende der 80er-Jahre. „Der ist in Backnang ganz ordentlich angelaufen“, erzählt der Traumpalast-Betreiber. Vor allem junge Leute seien zuerst gekommen, sie hätten dann ihren Eltern und Freunden davon erzählt. „Ich habe aus Spaß noch gesagt: Wenn es so weitergeht läuft der noch an Weihnachten“, erzählt Lochmann schmunzelnd. Denn tatsächlich sei der Film dann noch bis in den Mai des folgenden Jahres gezeigt worden.

Übrigens ist nicht nur die Auswahl der Filme für die Betreiber eine schwere Aufgabe. Wenn diese nämlich getroffen ist, gilt es jeden Montag, die einzelnen Filme auf die vorhandenen Sälen zu verteilen. „Dann fängt das Tetrisspielen an“, verrät Julia Eppler grinsend. Wichtigstes Utensil hierbei: Ein Bleistift mit gutem Radiergummi.