Die Liebe ging durch die Nase

Das Ehepaar Veronika und Ivan Jagic feiert diamantene Hochzeit. Sie haben in Backnang eine neue Heimat gefunden und nie bereut, nicht mehr in die kroatische Heimat zurückgezogen zu sein.

Die Liebe ging durch die Nase

Arbeiteten viele Jahre gemeinsam bei der Firma Tasko in Backnang: Das Ehepaar Veronika und Ivan Jagic. Fotos: A. Becher/privat

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Es war der Duft nach Vanille. Der hat Ivan Jagic damals betört, vor über 60 Jahren bei einer Telefonzelle in Zagreb. Die junge Veronika arbeitete damals in einer Keksfabrik in der kroatischen Hauptstadt. Und Ivan fasste sich ein Herz und sprach das hübsche Mädchen an. Sie mochte seinen Humor und war nicht abgeneigt, sich mit dem jungen Mann zu verabreden. Sie trafen sich immer wieder, gingen zusammen tanzen und nach einem Jahr entschieden sie sich zu heiraten. Die Wahl fiel auf den 31. Dezember 1961. Warum gerade Silvester? Das hatte praktische Gründe.

Im Winter ließen sich größere Mengen an Lebensmitteln – mangels Kühlschränken – einfach besser lagern. Und am nächsten Tag hatten Freunde und Bekannte frei. „Man weiß, wo man zum Feiern hingehen kann“, lacht Veronika Jagic.

Aufgewachsen sind beide im damaligen Jugoslawien, Veronika in der Nähe der slowenisch-ungarischen Grenze, zusammen mit sechs Geschwistern, während Ivan und seine drei Geschwister in Zagreb groß geworden sind. Zunächst lebte das Ehepaar weiterhin in Zagreb, bald kam der Sohn auf die Welt. 1966 entschied sich die Familie, nach Deutschland überzusiedeln, wo Arbeitskräfte gesucht wurden. In Jugoslawien sei es nicht einfach gewesen, eine Arbeit zu bekommen, erinnert sich Veronika Jagic. Zunächst reiste der Familienvater allein gen Norden, die einzige Zugreise, die er je gemacht habe, wie er betont. In Stuttgart fand er eine Arbeit, wechselte dann jedoch zur Firma Tasko nach Backnang. Im Januar 1968 folgte seine Frau nach. Der Sohn blieb zunächst noch bei der Oma in der alten Heimat, man wollte erst eine größere Wohnung finden. Im August des Jahres konnte der Fünfjährige nachgeholt werden.

Eigentlich hatte Familie Jagic nur einige Jahre hierbleiben und dann nach Kroatien zurückkehren wollen. Doch es kam anders. Die heute 79-Jährige bekam ebenfalls eine Stelle bei Tasko, beide blieben der Firma schließlich bis zur Rente treu. Und 1972 zogen sie in eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Die Mittagspause konnten die beiden so immer zu Hause verbringen, was auch die Kinder zu schätzen wussten. Ein Jahr später wurde die Tochter geboren. Beide Kinder besuchten den Kindergarten, dann die Schule, machten ihre Ausbildung, jetzt lebt schon die Enkelgeneration hier. Deutschland wurde zur neuen Heimat, „das hat sich dann so entwickelt“, man habe schließlich hier eine Perspektive gesehen. Seit fast fünf Jahrzehnten leben die Jagics nun in der großzügigen Wohnung, die sie mittlerweile gekauft haben, als Sicherheit für das Alter. „Wir waren glücklich und zufrieden“, sagen sie und bedauern überhaupt nicht, dass sie nie zurückgekehrt sind. Wobei die kroatische Heimat natürlich nicht vergessen ist. In den Ferien ging es immer gen Süden, eine lange Fahrt mit dem Auto, erinnert sich Veronika Jagic, ohne Zwischenstopp, man wollte zügig ankommen.

In den letzten Jahren haben sie sich ihren Wohnort etwas aufgeteilt. Den Sommer verbringt das Paar gern im Haus am Stadtrand Zagrebs, umgeben von viel Wald. Da gibt es auch immer etwas zu tun. Und überhaupt reisen die beiden gern, sie waren schon in Paris, Zürich, Schweden oder Tschechien. Stets mit dem eigenen fahrbaren Untersatz. „Mein Mann fährt gern Auto“, sagt Veronika Jagic. Doch auch auf dem Fahrrad ist er gern unterwegs und erinnert sich, wie seine Frau früher des Öfteren hinter ihm auf dem Drahtesel gesessen habe. Wenn die Polizei sie erwischt habe, war ein Bußgeld fällig gewesen. Doch das war egal: „Das macht man aus Liebe.“ Die spürt man auch heute noch zwischen ihnen, sie lachen viel zusammen.

60 gemeinsame Jahre – worin liegt das Geheimnis des Ehepaars? Sie haben immer viel gearbeitet, da hätte man „keine Zeit zum Blödsinnmachen“ gehabt, sagt der heute 83-Jährige mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Und zudem hat die leidenschaftliche Bäckerin Jagic ein gutes Druckmittel zur Hand: „Wenn man sich scheiden lässt, gibt es auch keinen Duft nach Vanille.“