Die Mafia als Marke

Wurstpate und Pasta Patrone: Wie Cosa Nostra und Co. für Werbezwecke benutzt werden

Die Mafia wird in Deutschland immer noch als etwas Verruchtes, irgendwie als cool angesehen. Warum sonst heißen so viele Restaurants und Produkte nach Italiens berühmtem Exportartikel? Doch nicht alle finden das witzig.

Rom/Köln /DPA - Cosa Nostra steht über dem Eingang zu einem Restaurant am Kölner Rheinufer. Daneben sieht man das Profil eines Mannes mit Schlapphut, darunter den Schriftzug „Für ehrenhafte Gäste!“. Cosa Nostra (auf Deutsch: „unsere Sache“) ist der Name für die sizilianische Mafia. Unzählige Morde wurden in ihrem Namen verübt. Den Appetit verdirbt das den Gästen anscheinend nicht. Denn in Deutschland und in vielen anderen Ländern werden Namen, die in Verbindung mit der Mafia stehen, gerne zu Werbezwecken benutzt.

Vom Hannoveraner Pizzalieferdienst Mafia Pizza Express über den Berliner Imbiss Wurstpate, die Dresdner Dinnershow „Mafia Mia!“, die Pasta in Pistolenform namens Pasta Patrone bis hin zur scharfen Gewürzmischung Palermo Mafia Shooting: Scheinbar endlos sind die Namensschöpfungen. Der italienische Agrarverband findet das nicht lustig. „Der Missbrauch von Mafia­namen ist ein Geschäft, das dem Image von Produkten made in Italy Schaden zufügt“, erklärte unlängst der Präsident des Verbandes Coldiretti, Ettore Prandini. Die Stereotype spielten ein Problem hinunter, „das dem ganzen Land Schmerz und Trauer gebracht hat“.

„Ich dachte, es muss etwas Italienisches sein, was man sich direkt merken kann“, erklärt Petra Bratu, die Besitzerin des Restaurants Cosa Nostra. Der Name bleibe im Gedächtnis. Um klarzustellen, dass es keine Verbindungen zur Mafia gebe, habe sie den Zusatz „Für ehrenhafte Gäste!“ gewählt. Rund 1500 Kilometer weiter südlich sitzt Paola Pentassuglia in einem riesigen grauen Bau in der Peripherie von Rom. Hier schlägt das Herz aller Mafiajäger. In Italiens Anti-Mafia-Behörde laufen alle Fäden zusammen, auch internationale Razzien werden hier koordiniert. Pentassuglia leitet die Abteilung für präventive Ermittlungen. Sie findet es „absurd“, wenn im Ausland Pizzerien nach der Mafia benannt werden. „Man banalisiert damit ein kriminelles Phänomen, das viele, viele Tote gebracht hat“, sagt sie. „Es ist, als würde man damit die Wahrnehmungsschwelle senken.“

Sie zeigt auf ein Bild auf ihrem Computer von einem Barbier-Shop in Irland namens „Corleone Barbers“. Corleone ist die sizilianische Stadt, in der einige der berühmtesten Mafiosi zur Welt kamen. Die Mafiafamilie in dem Filmklassiker „Der Pate“ ist nach dem Ort benannt. Und in Paris öffnete zuletzt die Tochter des verstorbenen sizilianischen Mafiabosses Totò Riina ein Restaurant namens Corleone. In Italien wäre es „naiv“, einen Laden nach der Mafia zu benennen, weil das sofort die Aufmerksamkeit der Ermittler auf sich ziehen würde, sagt Pentassuglia. Andererseits gibt es auch dort unzählige Souvenirs mit Motiven aus dem Mafiakultfilm „Der Pate“.

Mittlerweile hat die Mafia in ihrer Heimat auch das untergraben, was den Italienern wie ein Heiligtum am Herzen liegt: ihr Essen. Ob Mozzarella, Olivenöl, Wein: Die sogenannte Agro-Mafia verdient dabei kräftig mit. Im vergangenen Jahr setzte sie damit laut Agrarverband sagenhafte 24,5 Milliarden Euro um.

Im deutschen Bewusstsein schwankt immer noch eine gewisse Faszination mit. Zwar gibt es immer wieder Razzien, die zeigen, dass die Mafia in Deutschland längst Fuß gefasst hat. Spätestens seit den Mafiamorden von Duisburg im Jahr 2007, als sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden, ist die Mafia kein abstrakter Begriff mehr. Dennoch fühlt man sich irgendwie angezogen und gleichzeitig abgestoßen. Wie bei einem Krimi: Man liest über Mord und Totschlag und entspannt sich dabei. In Deutschland sei die Mafia nicht so stark „im kollektiven Gedächtnis“ wie in Italien, sagt Sandro Mattioli vom deutschen Verein Mafia Nein Danke. Wenn zwei Clans wie in Duisburg beteiligt waren, „fragen sich die Leute: Was hat das mit mir zu tun?“. TV-Serien und Filme über böse Bosse tun das Übrige. „Filme wie ‚Der Pate‘ haben mit ihrer Bildgewalt ein Faszinosum geschaffen. Die Mafia wird zu einem coolen Phänomen, für das es in der Realität keine Entsprechung gibt.“ Auch im Cosa Nostra in Köln hängen Bilder von Marlon Brando als Pate und von Robert De Niro in „Good Fellas“. Beschwerden habe es seit der Gründung vor zwölf Jahren praktisch nicht gegeben, erzählt Besitzerin Bratu. Und wenn, dann ausschließlich von Italienern. „Irgendwann mal hat eine italienische Familie gesagt: ‚Nein, nein, Cosa Nostra – da gehen wir nicht rein. Mit denen haben wir nichts zu tun.‘“

Viele Besucher würden die Bedeutung des Namens aber gar nicht kennen. „Wäre ich Italienerin, hätte ich wahrscheinlich den Namen nicht so gewählt. Aber so habe ich mir damals überhaupt nichts Übles dabei gedacht.“