Die Murrhardter Narreneltern und ihre wilde Bande

Am Samstag starteten die Fastnachter aus der Region wieder beim Nachtumzug in Murrhardt. Jutta Trefz und Helmut Weisheit sind als Narrenelternpaar der Murreder Henderwäldler dafür verantwortlich, dass die Narren und Närrinnen sich nicht zu sehr daneben benehmen.

Die Murrhardter Narreneltern und ihre wilde Bande

Narrenmutter Jutta Trefz und Narrenvater Helmut Weisheit tragen die Sonntagstracht der Bauern und Bürger des Schwäbischen Walds aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.Fotos: Stefan Bossow

Von Anja La Roche

Murrhardt. Zum Leid von Jutta Trefz setzt kurz vor Beginn des Nachtumzugs in Murrhardt ein feiner Sprühregen ein, der ihr das Atmen erschwert. Die Narrenmutter des Vereins Narrenzunft Murreder Henderwäldler rümpft die Nase. „Das ist heute das letzte Mal, dass ich beim Umzug dabei bin“, sagt die 76-Jährige. Das entlockt dem Narrenvater Helmut Weisheit ein Lachen und auch ein Schweizer Narr, der seit dem ersten Umzug in Murrhardt dabei ist, will das nicht so ganz glauben. „Das werden wir ja sehen“, sagt er schmunzelnd. Zwar macht das feuchte Wetter Trefz zu schaffen, aber ihrem Amt will die erprobte Närrin dennoch gerecht werden. Und in ihrer 30-jährigen Karriere als Narrenmutter hat sie schon schwierigeren Witterungen getrotzt.

Die Narrenmutter winkt wie die Queen

Auch das Publikum lässt sich vom Nieselregen nicht abhalten. Die Leute warten schon gespannt am Rande der abgesperrten Straße. Um exakt 19.11 Uhr geht es los. Der nunmehr 13. Umzug in Murrhardt beginnt und die 48 Gruppen – angereist von nah und fern – setzen sich in Bewegung. Jutta Trefz und Helmut Weisheit sind fast ganz vorne in der Aufstellung. In erhabener Manier laufen sie an den Zuschauern vorbei und tragen die in Stadtfarben gehaltene Tracht zur Schau. Die Narrenmutter winkt dabei ab und zu wie die Queen Elisabeth in die Menschenmenge. Der Narrenvater lächelt gutmütig und zieht gelegentlich eine Süßigkeit aus seinem Mantel, um sie einem zuschauenden Kind zuzustecken.

Hinter den beiden wird es wilder: Die Wasserfratzen und Feuerbarthl, das Hexenturmweible, der Hotz, der Nachtkrabb und der Tannenzapfengurgler – die Figuren der Murrhardter Zunft hüpfen, tanzen oder schlurfen vorwärts, verteilen Süßes und treiben Schabernack mit den Zuschauern.

Eine Aufgabe der Narreneltern ist dabei auch, ein Auge auf das ulkige Treiben der Bande zu haben. Nicht, dass sie es mit ihren Streichen zu weit treiben. „Zum Beispiel wenn sie das Publikum belästigen. Das dürfen sie nicht“, erklärt Trefz mit mütterlicher Strenge. Das Paar repräsentiert zudem die Zunft und kümmert sich um den Zusammenhalt in der Narrenschaft. Für die Kinder sind sie Ansprechpartner und stehen bei gemeinsamen Aktionen zur Seite.

In Süddeutschland haben nur wenige Karneval- und Fastnetsvereine ein Narrenelternpaar. Unter den Zünften, die Mitglied im Landesverband Württembergische Karnevalsvereine sind, sind Trefz und Weisheit die einzigen. Die Henderwäldler wählen ihre Narreneltern auf Vorschlag des Zunftrates. Wer drei Viertel der Stimmen erhält ist bis zum freiwilligen Ausscheiden im Amt. 1993, zehn Jahre nach Vereinsgründung, wählten die Henderwäldler ihr erstes Paar.

Jutta Trefz ist seitdem ihrer Mutterrolle treu geblieben, die nur besonders verdienten Mitgliedern vorbehalten ist. Dem Verein ist die ehemalige Näherin damals nahe gekommen, weil die Henderwäldler eine Narrenfahne genäht haben wollten. Später hat Trefz auch die Kostüme für die jüngsten Mitglieder, den Narrensamen, entworfen. Nun will die langjährige Narrenmutter ihr Amt altersbedingt niederlegen.

In der Narrenzunft ist keiner alleine

Auch Helmut Weisheit spielt mit dem Gedanken, nach der diesjährigen Fasnet das Narrenvatersein altershalber abzulegen. „Man wird nicht jünger dadurch“, erklärt der 82-Jährige. Seit 2015 ist er an Trefz’ Seite und damit der dritte Mann, der diese Aufgabe im Verein übernimmt. Sicher ist: Wenn dieses Jahr neue Eltern gewählt werden, so wird die Zunft auch weiterhin bedeutsam für die beiden Murrhardter sein, die dann zu Ehrenmitgliedern im Verein werden. „Man ist nie alleine, und das ist das Wichtige dabei“, sagt Weisheit.

Mit Schalk, aber auch bedächtig, gehen die Narreneltern ihren wohl letzten Umzug als gemeinsames Elternpaar an diesem Abend zu Ende. Jutta Trefz jedenfalls freut sich schon darauf, künftig selbst entscheiden zu können, wann sie beim Umzug mitgeht und wann nicht. Denn die Fasnet ist zwar ihre liebste Zeit im Jahr – aber nur wenn das Wetter trocken ist.