Die PS-Waffe

Mordermittlung gegen einen jungen Unfallfahrer muss aufrütteln

Von Christine Bilger

Der Tod zweier junger Menschen, die mit einem Schlag aus dem Leben gerissen wurden, hat im März nicht nur die Stuttgarter erschüttert. Die Unausweichlichkeit ihres Schicksals, als der Unfallfahrer in ihre Richtung raste, macht fassungslos. Ein kurzes Verreißen des Lenkrads bei abartig hoher Geschwindigkeit innerorts, wo höchstens 50 Kilometer pro Stunde erlaubt sind – das noch als Fahrlässigkeit einzuordnen wirkt ungerecht. Entsprechend groß war das Unverständnis, als zunächst – juristisch korrekt – wegen fahrlässiger Tötung ermittelt wurde.

Nun aber ermittelt die Staatsanwaltschaft doch wegen Mordes. Denn bei einem Tempo, das weit über 100 km/h lag, wird ein Auto zu einem „gemeingefährlichen Werkzeug“. So argumentieren­ die Ermittler. Diese For­mulierung­ könnte man umgangssprachlich auch mit dem Wort Waffe übersetzen.

Allein die Begriffe machen deutlich, dass es eben nicht um einen dummen Zufall geht. Denn der Unfall vom 6. März hat eine Vorgeschichte. Sie beginnt damit, dass ein junger Mann mit wenig Fahrpraxis ein Auto mit 550 PS ausleihen kann – und dass man überhaupt als Anfänger so ein „Geschoss“ fahren darf. Zu der Geschichte gehört auch, dass sich in der Stadt vor dem Unfall sicher etliche ähnlich tickende Jungs bewundernd nach dem Wagen umgedreht hatten. Doch Achtung, die einer sich mit diesem Imponiergehabe holen will, ist die falsche Reaktion. Die Worte der Ermittler, dass das Verhalten des Fahrers den Tod anderer womöglich „billigend in Kauf“ nehme, sollten aufrütteln: nicht nur diejenigen, die Applaus spenden, sondern auch Gesetzgeber und Versicherer, die es ermöglichen, dass man ohne Probleme als junger Mensch an PS-Protze kommt, die zur Waffe werden können.

christine.bilger@stzn.de