Die Redaktion öffnet ihre Türen für die Leser

Teilnehmer der „Gläsernen Redaktion“ dürfen einen Blick hinter die Kulissen der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung werfen

Es war eine Premiere: Gestern haben Redaktion und Druckerei der Backnanger Kreiszeitung zum ersten Mal die Türen für die Leser geöffnet, um Einblicke in die tägliche Arbeit zu geben – quasi von der leeren Seite bis hin zum fertigen Produkt. Bei der „Gläsernen Redaktion“ gab es die ein oder andere Überraschung – sowohl für die Leser als auch die Redakteure.

Die Redaktion öffnet ihre Türen für die Leser

Redaktionskonferenz mal anders: Dass Leser sehen und hören, was dabei besprochen wird, gab es bislang noch nie. Täglich treffen sich die Mitglieder der Redaktion, um über die aktuelle Ausgabe der Zeitung zu sprechen, die des Vortags zu kritisieren und die nächste zu planen.Fotos: A. Becher

Von Silke Latzel

BACKNANG. „Journalismus zeigt Gesicht“ heißt die Aktion, die unsere Zeitung im November gestartet hat. Zum Abschluss haben wir uns noch eine ganz besondere Aktion einfallen lassen: Unsere Leser durften uns gestern bei einer „Gläsernen Redaktion“ über die Schulter schauen und sozusagen live miterleben, wie die heutige Zeitung entsteht.

Begrüßt wurden sie im technischen Betrieb der Backnanger Kreiszeitung von BKZ-Verleger Werner Stroh und Redaktionsleiter Kornelius Fritz. „Wenn wir wollen, dass die Leser uns besser verstehen, dann müssen wir ihnen unsere Arbeit erklären und mit ihnen ins Gespräch kommen.“ Diese Gelegenheit wolle man den Lesern gerne geben, denn „wir Journalisten bekommen im Alltag relativ wenig Feedback auf unsere Arbeit.“

Nach einem 20-minütigen Film über die Backnanger Kreiszeitung wurde es vor allem für die Redakteure ungewohnt: Ihre tägliche Konferenz fand unter den neugierigen Augen der Leser statt. Erster Punkt dabei: Der kritische Blick auf die gestrige Ausgabe der Zeitung – die so genannte Blattkritik. Was war gut, was weniger, wo gibt es für künftige Ausgaben Verbesserungspotenzial? Danach ging es an die Planung für die Montagssaugabe. Welche Termine stehen am Wochenende an, welches Thema wird der Aufmacher, auf welcher Seite wird welcher Artikel platziert? Zum Abschuss der Konferenz dann der Blick ins aktuelle Blatt – manche Seiten schon fertig, andere noch leer. Für die Leser besonders spannend, denn sie konnten so gestern schon die Zeitung von heute sehen – vor allen anderen.

Redakteur Armin Fechter gab im Anschluss einen Einblick ins Redaktionssystem und zeigte, wie Artikel angelegt werden und wie das Layout einer Zeitungsseite aufgebaut wird und anhand welcher farblicher Markierung das geübte Auge erkennen kann, ob ein Artikel schon fertig ist oder noch nicht. Live konnten die Leser zusehen, wie er eine Polizeimeldung inhaltlich bewertete, redigierte und auf unsere Homepage stellte. Außerdem durften sie zusammen das Kino-Foto für die Service-Seite aussuchen. Auch einen Blick in den Redaktionskalender gewährte Fechter und zeigte, wie viele Termine jeden Tag für die Redakteure anstehen.

Viele Fragen, aber auch Lob und Kritik bei der Diskussionsrunde

Bei der anschließenden Diskussionsrunde hatten unsere Leser viele Fragen und die Möglichkeit, uns zu sagen, was sie gerne in der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung lesen und was weniger gern – was sie gut finden, was sie stört und welche Themen sie vielleicht vermissen. Eine, natürlich nicht ganz repräsentative, Umfrage ergab: Kommunalpolitik und Kommentare dazu, Polizeimeldungen, Geschichten über Menschen, der Kulturteil und die Vorberichterstattungen auf Veranstaltungen stehen in der Beliebtheit der anwesenden Leser ganz weit oben. Nicht so wichtig empfanden sie hingegen Gerichtsberichte, Serien und Interviews – wobei gerade bei letzterem natürlich vor allem die interviewte Person eine Rolle spiele, versicherten sie.

Fritz, Fechter und Sportredakteur Steffen Grün stellten sich den vielen Fragen der Leser. Diskutiert wurde über die Backnanger Zeitung im Allgemeinen, aber auch im Speziellen. Dabei gingen etwa die Meinungen über die Auswahl der Texte, die direkt über den Kindernachrichten platzierte werden, auseinander. Redaktionsleiter Fritz nahm die Anregung, besser darauf zu achten, welche Themen dort erscheinen, gerne mit. Weitere Beispiele, über die die Teilnehmer der „Gläsernen Produktion“ gerne sprechen wollten: Wieso die Leserbriefe meistens nur in der Samstagsausgabe erscheinen, ob man in diesen Briefen alles schreiben darf, was man möchte, wie die Redaktion mit Fehlern umgeht und was eine Gegendarstellung ist. „Ist man als Redakteur jemals außer Dienst?“ wollte eine Frau wissen. Ein anderer lobte die Berichterstattung aus dem Gemeinderat, kritisierte aber so manchen Kommentar, der in der Zeitung steht. „Das steht Ihnen natürlich frei, denn ein Kommentar ist die Einschätzung eines Redakteurs zu einem bestimmten Thema. Die einen sind seiner Meinung dazu, die anderen nicht,“ so Kornelius Fritz.

„Gibt es Themen, über die Sie nicht berichten oder die Sie weglassen?“ fragte ein Leser. Nein, war die Antwort. Doch wäge man immer ab, wie viel Platz man einem Thema einräumt und wie man es gewichtet, etwa beim Falle Corona-Virus: Informieren muss man, Panikmache wolle man aber nicht betreiben, so Fritz. Das lasse sich einfach durch die Größe und somit die Präsenz des Artikels in der Zeitung regeln.

Die Diskussionsrunde hätte sicherlich noch länger dauern können, Fragen gab es genug. Doch es wartete schon Herbert Sturm, ehemaliger technischer Leiter der Backnanger Kreiszeitung, um den Lesern zu zeigen, was alles passiert, wenn die Redaktion mit ihrer Arbeit fertig ist. Er führte die Gruppe ins Korrektorat, in den CTP-Raum, in dem die Druckplatten belichtet werden, und weiter zur Rotation, dem Herzstück der Druckerei, und erklärte den technischen Ablauf des Zeitungsdrucks. Auch hier hatten die Leser viele Fragen und Sturm beantwortete sie gerne und mit viel Know-how.

Bevor der Besuch in der „Gläsernen Redaktion“ endete, durften die Anwesenden einer weiteren Konferenz beiwohnen: der Seitenabnahme. Die Redakteure und Redaktionsleiter Fritz warfen gemeinsam einen Blick auf die ausgedruckten Seiten der heutigen Ausgabe, kaum noch eine Lücke war zu sehen, um 17.45 Uhr war der Lokalteil fast fertig. So entdeckten die Leser „ihre“ Polizeimeldung und „ihr“ Kinobild auf dem Ausdruck. Da konnte sich manch einer ein Lächeln nicht verkneifen – vorhin noch auf dem Computer, jetzt auf dem Ausdruck. Und heute: in Ihrer Zeitung.

Die Redaktion öffnet ihre Türen für die Leser

Das Papier, das sich im Lager befindet, reicht meistens für fünf Wochen.

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Kein Druckfehler: Im CTP-Raum ist das Licht gelb.

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Kornelius Fritz, Armin Fechter und Steffen Grün diskutieren mit den Lesern.

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Auch der Gang durch die Druckerei und die technischen Anlagen ist für die Leser spannend.