Was geschah am . . . 21. Mai 1873?

Die Rigibahn fährt als Europas erste Zahnradbahn auf einen Berggipfel

Statt beschwerlich den Berg rauf zu wandern, träumt ein Schweizer von einer bequemen Zugfahrt. Am 21. Mai 1871 wird die Rigibahn als erste Zahnradbahn Europas eröffnet.

Die Rigibahn fährt als Europas  erste Zahnradbahn  auf einen Berggipfel

Auf dieser Postkarte von 1935 ist die Rigibahn zu sehen, wie sie Schnurtobelbrücke überquert. Im Hintergrund ist der Vierwaldstättersee bei Luzern zu sehen.

Von Markus Brauer/dpa

Queen Victoria lässt sich im Jahr 1868 noch in einer Sänfte auf den höchsten Rigi-Gipfel am Vierwaldstättersee tragen. Ihre beiden Schweizer Träger erhalten für die Mühen sechs Goldstücke, wie das Rigi-Kulm-Hotel in seinen Annalen festhält.

Drei Jahre später sind solche schweißtreibenden Einsätze nicht mehr nötig. Eine Dampflok zieht nun Personenwagen den Berg hinauf: Am 21. Mai 1871 geht die erste Bergbahn Europas an den Start.

Erste Zahnradbahn der Welt

Die Zahnradbahn gilt als Weltsensation. Der Tourismus blüht auf, schon drei Jahre später befördert die Bahn 50.000 Gäste im Jahr. Die Region um das Bergmassiv Rigi wird zur Sommerfrische par excellence für wohlhabende Europäer. Zu dieser Zeit ist auch schon die Dampflok 7, Schweizerdeutsch „S Sibni“, unterwegs, die den Kurswaggon mit Passagieren schnaufend und zischend bergan schiebt.

Am 25. Juli 1899 stirbt der 1817 geborene #NiklausRiggenbach, der berühmte Erfinder des Zahnradsystems und Erbauer der ersten für die Schweiz bestimmten Lokomotiven und der #Rigibahn. pic.twitter.com/uTH44TB9yj — Basler Stadtbuch (@baslerstadtbuch) July 25, 2019

Die Lok 7 ist nur zwei Jahre jünger als die Strecke. Sie hatte ihre Jungfernfahrt 1873. Dieses Juwel aus dem Verkehrsmuseum Luzern wurde vor einigen Jahren wieder flott gemacht. Es ist die einzige noch fahrende Zahnraddampflok der Welt.

Der Dampfsound versetzt viele Passagiere in Entzücken. Der rhythmische Auspuffschlag, das Stampfen, Dampfen und Pfeifen versetzt akustisch in vergangene Zeiten. Der Sound der „Sibni“ verdient sich sicher einen Ehrenplatz in den Aufnahme-Charts der Lokfans.

Steigung von 25 Prozent: Wie geht das?

Wie kann eine Bahn auf möglichst geradem Weg eine Steigung von 25 Prozent überwinden? Diese Frage treibt den Mechaniker Niklaus Riggenbach um, der im Jahr 1817 als Sohn Schweizer Auswanderer im Elsass zur Welt gekommen war. Er wird in Karlsruhe Lokomotivbauer und steht als Betriebschef einer Schweizer Bahn später vor diesem Problem.

Er macht eine „missliche Erfahrung“, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. „Bei der starken Steigung kann das Gleiten der Räder auf Schienen selbst durch das Streuen von Sand nicht immer behoben werden. Um diesem Übelstand abzuhelfen, sann ich auf allerlei Mittel und kam dabei auf den Gedanken, dass eine Abhilfe nur zu erlangen sei mittels einer Zahnstange, in die ein Zahnrad eingreift.“

Zahnstange wie eine Leiter

Die Sache mit dem Zahnrad haben schon Andere ausprobiert: John Blenkinsop befördert mit einer Zahnrad-Dampflok schon 1812 Kohle in einer Grube in England. In den USA wird 1869 eine Zahnradbahn von Sylvester Marsh am Mount Washington in New Hampshire eröffnet.

Aber Riggenbach erfindet sein eigenes System: eine Zahnstange wie eine Leiter. Sie liegt zwischen den Schienen für die Räder, mit Zähnen, die nach unten breiter werden. Unter Lok und Waggons ist ein großes Zahnrad angebracht, das in die Zähne greift. Er lässt sich das System 1863 patentieren. Ein paar Jahre dauert es noch, bis er Geld, Expertise und Lizenz hat, um die erste Bergbahn Europas zu bauen. Nach zwei Jahren Bauzeit nimmt die Rigibahn 1871 den Betrieb auf.

Letzte Station Rigi Kulm auf 1797 Meter

Die Zahnradbahn überwindet zwischen Vitznau (435 Meter über Meer) und Rigi Staffelhöhe auf fünf Kilometern gut 1000 Höhenmeter. Zwei Jahre später wird das letzte Stück Strecke bis zum Gipfel Rigi Kulm auf 1797 Meter fertig. Schon zwei weitere Jahre wird eine weitere Zahnradbahn von Arth-Goldau auf der anderen Seite der Rigi auf den Gipfel gebaut.

Die Zahnstangen, die Riggenbachs Ingenieure damals verlegten, sind noch heute in Betrieb. Wenn die Zähne locker werden oder das Material sich abschleift, wird nachgebessert. Die Strecke von Goldau nach Rigi Kulm ist 8,6 Kilometer lang. Wenn es die Zahnstangen nicht gäbe, müsste die Bahntrasse 70 Kilometer lang sein, um die gut 1000 Meter Steigung zu überwinden. Zwischen den Schienen liegen 86.000 Zähne.