Parteitag

Die SPD hat sich an Lars Klingbeil gerächt

Die Genossen haben den Vize-Kanzler schwer beschädigt. Klug war das nicht, kommentiert unser Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.

Die SPD hat sich an Lars Klingbeil gerächt

Für Lars Klingbeil ist es ein schwieriger SPD-Parteitag.

Von Tobias Peter

Das ist krass. Der SPD-Parteitag schickt Lars Klingbeil mit einem Schlag auf die Bretter, von dem er sich nicht so schnell erholen wird. Gerade einmal 64,9 Prozent stimmten für die Wiederwahl des Parteichefs. Das ist, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt, ein beschämendes Ergebnis. Klingbeil ist als Vizekanzler und Finanzminister der wichtigste Politiker seiner Partei. Er wird sich künftig als einer in den Koalitionsausschuss begeben müssen, der von der eigenen Partei angezählt worden ist. Das ist verheerend.

Der Grund dafür ist nicht derjenige, den der Parteichef nach der Wahl selbst angeführt hat. Klingbeil ist nicht massenhaft von den Delegierten abgestraft worden, weil er in der Ukraine-Politik einen klaren Kurs der Härte gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin fährt. Das mag nicht allen gefallen, aber die übergroße Mehrheit in der SPD trägt es mit.

Klingbeils Manöver

Die Erklärung ist eher hier zu suchen: Klingbeil ist als Parteivorsitzender der vergangenen Jahre für die historische Wahlniederlage mit 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl genauso verantwortlich wie seine bisherige Co-Parteichefin Saskia Esken. Viele in der Partei betrachten ihn wie einen Autofahrer, der den Wagen vor die Wand gesetzt hat. Einen, der danach das Auto einmal kurz zurückgesetzt hat und – nachdem er Esken zur Tür herausgestoßen hat – die Fahrt unverdrossen fortsetzt.

Klingbeil hat unmittelbar nach der Wahl die Chance genutzt, die Partei der eigenen Person zu unterwerfen. Jetzt hat sie sich an ihm gerächt. Den Sozialdemokraten beim Parteitag in Berlin hat es offenkundig nicht gereicht, dass Klingbeil zugab, er habe Fehler gemacht. Denn allzu genau, was diese Fehler aus seiner Sicht sind, hat er eben nicht verraten. Die Art, wie die Delegierten nun mit ihm umgegangen sind, ist also erklärbar. Klug war das Verhalten der Sozialdemokraten aber nicht. Vorsitzende muss man stützen oder stürzen. Da niemand gegen Klingbeil angetreten ist, wäre es besser für die SPD gewesen, ihn auch mit einem anständigen Ergebnis auszustatten.

Da nützt es auch nichts, dass Eskens Nachfolgerin Bärbel Bas mit 95 Prozent mit einem Traumergebnis ausgestattet worden ist. Bas dient vielen in der Partei offenbar als eine Projektionsfläche: als Hoffnung dafür, dass mit ihr in der SPD alles besser werden könnte. Wenn die SPD-Mitglieder feststellen, dass auch Bas keine Wunder vollbringen kann, wird die Enttäuschung umso größer sein. Der einstige Kurzzeit-Superstar Martin Schulz wird Bas davon berichten können.

Es fehlt die Inspiration

Überhaupt gilt: Bas hat es ebenso an einer inspirierenden Rede vermissen lassen wie Klingbeil. Der sprach davon, die SPD müsse der spannendste Ort für Debatten im Land sein – und stieß keine an. Bas sagte, die SPD müsse wieder eine Kümmerer-Partei werden. Das ist zwar nicht verkehrt. Aber wenn die SPD keine neuen Ideen liefert, wird ihre Mitgliedschaft – es sei an dieser Stelle ruhig mal so hart ausgedrückt, wie es ist – weiter vergreisen. Dann ist kaum einer da, der sich kümmern kann.

Wie will die SPD es schaffen, zu einem Ort zu werden, wo Arbeiter und Akademiker wieder ein gesellschaftliches Bündnis schmieden? Was sind die Versprechen, mit denen sie auch junge Unternehmer zumindest wieder für sich interessieren kann? Wo ist der große Wurf für eine neue sozialdemokratische Bildungsrevolution, die das Land angesichts der unfairen Chancenverteilung so dringend braucht? Klingbeil hat gesagt, die SPD dürfe nicht nur eine Politik der Spiegelstriche liefern. Doch mehr haben er und Bas gerade nicht im Angebot.